Serie bei RTL+

"Der König von Palma": Drama vom Ballermann

22.02.2022, 18.31 Uhr
von Eric Leimann

Wer Ballermann hört, denkt an alkoholisierte Touristen und die deftige Komödie mit Tom Gerhardt. RTL+ setzt das Thema nun als Drama-Serie um – mit Henning Baum in der Hauptrolle.

Der Ballermann als Ekstase-Sehnsuchtsort der Deutschen – bisher wurde dieser Zusammenhang filmisch nur von mehr oder weniger trashigen Komödien hergestellt. Vor allem die Tom-Gerhardt-Klamotte "Ballermann 6" von 1997 fällt einem dazu ein. Für manche ein Bad-Taste-Kultfilm, für andere ein nerviger Trendartikel des neuen zügellosen Party-Selbstverständnisses eines wiedervereinigten Deutschlands. 15 Jahre später folgt nun der Versuch, den Ballermann in Dramaform zu erzählen.

In der sechsteiligen Miniserie (ab Donnerstag, 24. Februar, bei RTL+) spielt Henning Baum ("Der letzte Bulle") den vom bürgerlichen Leben im Ruhrpott genervten Familienvater Matti Adler, der 1990 von einem aufregenden Leben als Ballermannwirt träumt. Während Frau Sylvie (Sandra Borgmann) und die beiden Kinder (Lea Selinger, Milo Eisenblätter) noch daheim ausharren, pachtet Kraftmensch Matti eine leerstehende Strandkneipe, legt sich mit der lokalen Mafia an – die einheimisch sprudelnde Geldquellen natürlich nicht an Deutsche weitergeben will – und holt seine Familie auf die Baleareninsel nach. Man ahnt es bereits: Mattis Aufstieg könnte mit einem bösen Adler-Absturz enden.

Henning Baum spielt mal wieder jene Rolle, für die Deutschlands vielleicht körperlichster Darsteller einfach zu passend ist, als dass man sie ihm – nur, um zu überraschen – wegnehmen würde. Der blonde Hüne und der Ballermann als Sehnsuchtsort der Deutschen, es passt einfach zu gut. Den Aufstieg der mallorquinischen Partymeile zum Kultursymbol und zur Geldmaschine kann man ziemlich exakt auf die Wendejahre um 1990 herum taxieren. Insofern passt es, dass die noch recht unbekannten Serien-Showrunner, Veronica Priefer (Autorin bei "Legal Affairs") und Johannes Kunkel mit der jungen Barfrau Bianca (Pia-Micaela Barucki) noch eine weitere Hauptrolle in den Plot integriert haben, die das aufstrebende Party-Tollhaus aus staunenden DDR-Augen heraus betrachtet und die auch als Off-Erzählerin der Serie fungiert.

Andi Brehme und Costa Cordalis

Natürlich lassen sich die Balearen-Mafiosi Mattis Aufstieg mit seiner Kneipe "Bieradler" nicht so einfach gefallen. Folgerichtig zeigt "Der König von Palma" nicht nur ein Zeit- und Sittenporträt deutscher Partykultur am Stand von El Arenal im Jahre 1990. Die Serie ist außerdem Thriller- und Familiendrama (die Adlers haben Probleme). Natürlich war es verlockend, die Fußball-WM 1990 in Italien mit Deutschlands drittem Weltmeister-Titel noch einmal nachzuerzählen. So kämpft Wirt Matti mit jedem neuen K.O.-Spiel auch selbst gegen jene, die ihm sein Leben kaputt machen wollen. Sein Leben mit einem Recht auf Erfolg und Partyrausch am Ballermann. Für Zuschauende bedeutet dies Szenen – per reingeschnittenem Archivmaterial – wie Andi Brehme vor seinem entscheidenden Elfmeterschuss im Finale noch einmal seinen auch heute noch berührenden, nachdenklichen Blick aufsetzt.

Gleichzeitig wird der üppige "Bieradler"-Umsatz plastiksackweise ins Büro hinterm Tresen geschafft – und wenige Tage später singt dann auch schon Costa Cordalis – gespielt von dessen Sohn Lucas – im "Bieradler" und erfindet sogleich noch die Schlagerpartys von El Arenal mit.

"Der König von Palma" erzählt keine wahre Geschichte. Die Figur des Matti Adlers gab es so nicht. Trotzdem versichern die Serienmacher und Hauptdarsteller Henning Baum, dass Atmosphäre, Kultur und Geschäftsmethoden jener Zeit akribisch recherchiert und im Viereinhalb-Stunden-Werk nachgebildet wurden. Herausgekommen ist eine Nostalgie-satte Miniserie mit schrecklich "schönen" Frisuren, Klamotten und Partyriten der frühen 90er.

Charaktere und Plotfäden sind hingegen leider etwas dünn geraten. Fast hat man den Eindruck: Die eher schmale Story hätte man auch in einem anderthalb bis zweistündigen RTL-Free-TV-Film erzählen können. So liefert Deutschlands erstes Ballermann-Drama zwar solide Unterhaltung, die rauschhaften Partys im "Bieradler" erschaffen aber keine Serie mit Suchtpotenzial.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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