Beste deutsche Netflix-Serie 2023

Psychothriller "Liebes Kind": In Freiheit gefangen

17.09.2023, 12.54 Uhr
von Julian Weinberger

"Kontrolle schafft Sicherheit. Regeln schaffen Sicherheit. Sicherheit ist das Wichtigste im Leben": Es geht viel um Regeln in der neuen Miniserie "Liebes Kind". Netflix entlockt dem Psychothriller-Genre mit der tollen deutschen Produktion eine neue Facette. Hier gibt's alle Infos zum Streaming-Tipp.

Der Alltag der Kinder Jonathan (Sammy Schrein) und Hannah (Naila Schuberth) sowie ihrer Mutter Lena (Kim Riedle) besteht aus Unterdrückung, psychischer Manipulation und einer toxischen Abhängigkeit. Das Trio fristet in der Streaming-Miniserie, die am 7. September bei Netflix startet, in einem fensterlosen und spärlich eingerichteten Kellerappartement ein Dasein in Gefangenschaft eines gesichtslosen Peinigers. Doch ihre Leidenszeit, und das ist der Clou der überzeugenden Produktion der Regisseure Isabel Kleefeld und Julian Pörksen, wird in Rückblenden erzählt. "Liebes Kind" setzt nämlich da an, wo viele Entführungsfilme und -serien enden: mit der erfolgreichen Flucht der Gefangenen.

Die Stimme des Peinigers im Kopf

Besonders die Auftaktfolge, die die zwölfjährige Hannah in den Fokus nimmt, besticht mit einer ungemeinen Intensität – und einer unglaublich aufspielenden Jungdarstellerin Naila Schubert. "Ich bin schon ein großes Mädchen", nimmt Hannah ihr plötzliches Leben in Freiheit beinahe gleichgültig in Kauf. Erst Krankenschwester Ruth (Birge Schade) gelingt es, dem Mädchen einige vage Details über ihr Leben im Verborgenen zu entlocken, mehr bekommt sie aus Hannah nicht heraus: "Kann ich nicht sagen, wir dürfen doch nicht gefunden werden."

Doch die Andeutungen reichen, um neben der Kripo-Beamtin Aida Kurt (Haley Louise Jones) auch den verhärmten LKA-Beamten Gerd Bühling (toll: Hans Löw) auf den Plan zu rufen, der in Lena eine Vermisste von vor 13 Jahren erkennen will. Derweil schöpfen Matthias (Justus von Dohnányi) und Karin (Julika Jenkins) Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrer schmerzlich vermissten Tochter. Und Lena kann die neu erlangte Freiheit gar nicht genießen, wird sie doch von den Zwängen der Gefangenschaft und der Stimme ihres Peinigers im Kopf gequält.

"Liebes Kind": absolut empfehlenswerte Netflix-Serie

Ein Polizist, der versagt hat, Eltern, die alles verloren haben und doch wieder Hoffnung schöpfen und ein verstörtes Kind, das viel zu erwachsen für sein Alter ist: In "Liebes Kind" wimmelt es nur so vor gebrochenen Persönlichkeiten. Die Macher der atmosphärischen Miniserie legen dabei viel Fingerspitzengefühl an den Tag und lassen den Figuren besonders in der ersten Serienhälfte ausreichend Raum.

Für Spannung sorgen jede Menge falsche Fährten und verklausulierte Hinweise auf den Täter, der erst ganz spät in der Serie Gesicht zeigt. Einzig die Tatsache, dass "Liebes Kind" sich zunehmend weg vom sensibel erzählten Familiendrama hin zur recht konventionellen Krimiserie entwickelt, trübt den insgesamt guten Gesamteindruck der Adaption von Romy Hausmanns gleichnamigem Roman. Eines steht jedoch fest: Die letzte deutsche Netflix-Serie, die so in den Bann zog wie "Liebes Kind", liegt schon eine Weile zurück.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren