Kritik zum Missbrauchs-Thriller

Ein Onkel mit zu viel Kinderliebe

26.07.2023, 12.45 Uhr
von Jens Szameit

Peter Weck tritt in seinem Missbrauchs-Thriller "Die Mutprobe" als gefährlicher Onkel auf, der Kinder etwas zu sehr mag. Wir verraten, ob, sich der Streifen lohnt.

ARD
Die Mutprobe
Thriller • 26.07.2023 • 20:15 Uhr

Eine alte Eiche verpflanzt man nicht? Ach was! "Ich habe in den letzten Jahren immer wieder den lustigen älteren Mann oder den lieben Großvater verkörpert", klagte Peter Weck dereinst. Dabei habe er schon länger mal die ernsthafte Richtung einschlagen wollen. Sein etwas zu kinderlieber Studienrat Dr. Körbler im nun wiederholten ARD-Mittwochsfilm "Die Mutprobe" (2011) bürstet das gutmütige Onkelimage des Wiener TV-Veterans ordentlich gegen den Strich. Zugleich das einzige wirklich gelungene Überraschungsmoment in einem ansonsten konventionell erzählten Thriller über ein ungeheuerliches Thema.

Die deutsch-österreichische Koproduktion (Buch: Ivo Schneider) hat Regisseur Holger Barthel mit arg viel Melodramatik und Geigenmusik zugekleistert. Es braucht eine Weile, ehe sich dieser durchaus ambitionierte Seelenthriller zu etwas Wahrhaftigkeit freischwimmt.

Die Ausgangslage klingt ziemlich vertraut: Eine traumatisierte junge Frau kehrt in ihr Heimatdorf zurück, wo man ihr einst großes Unrecht antat und die Vorfälle noch heute vertuschen möchte. Elisabeth Lanz, bekannt als ARD-"Tierärztin Dr. Mertens", spielt die von einer verpfuschten Kindheit gezeichnete Familienrichterin Sabine. In ihrer Wahlheimat Wien erreicht sie eine Einladung zum Klassentreffen. Sabine kehrt an den Ort zurück, den sie einst verließ, weil sie wie andere Mädchen Missbrauchsopfer des Studienrats Dr. Körbler wurde.

Wiener Schmäh dank Peter Weck

Kaum ist sie angekommen, verschwindet die Tochter ihrer verflossenen Jugendliebe (Heio von Stetten), und der Verdacht fällt auf den lüsternen Alten. Weil dieser Dr. Körbler aber sehr wohlhabend und beliebt im Dorf ist und überdies Vorsitzender des Feuerwehrvereins, genießt er praktisch Immunität. Sabine will mit ihrem Trauma endlich aufräumen, verfängt sich aber in Filz und Vetternwirtschaft der Dorfgemeinschaft.

Es sind die stärksten Szenen eines oft zu künstlich emotionalisierten Films, in denen die, die was zu sagen haben, mit zynischer Unverblümtheit die Gesetze des Zusammenlebens diktieren. Heimlicher Star dieses Dramas ist aber trotz überschaubarer Bildschirmpräsenz Peter Weck. Wie der mittlerweile 92-jährige Wiener seinen wohlbekannten Schmäh in den Dienst einer so gar nicht sympathieträchtigen Rolle stellt, verdient allen Respekt.

Die Mutprobe – Mi. 26.07. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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