Bei "Markus Lanz"

SPD-Politiker verteidigt Ampel-Pläne gegen Journalistin: "Dann hätten wir Anarchie"

11.01.2024, 09.46 Uhr
von Natascha Wittmann

Der Druck auf die Bundesregierung wächst, sowohl Landwarte als auch Bahnmitarbeiter gehen auf die Barrikaden.  Während Journalistin Dorothea Siems harte Kritik an der Ampel übte, hielt SPD-Politiker Ralf Stegner dagegen.

Bundesweite Bauernproteste, streikende Lokführer – und eine Einigung ist in beiden Fällen noch nicht in Sicht, auch wenn die Wut und der Druck auf die Ampel immer weiter steigt. Bei "Markus Lanz" äußerte sich SPD-Politiker Ralf Stegner am Mittwochabend unter anderem offen zur Kritik an der Regierung.

Zunächst machte Stegner deutlich, dass er "für beide Verständnis" habe, "dass man demonstriert und protestiert gegen Dinge, die man nicht richtig findet". Dennoch warnte er vor einer "Belastungsprobe für die Gesellschaft" und äußerte daher seine Hoffnung, "dass man sich am Verhandlungstisch einigt – und zwar möglichst bald".

Markus Lanz fragte bei Dorothea Siems, Chefökonomin der "Welt", im Namen des Publikums nach, was die Lokführer eigentlich genau fordern. Sie antwortete mit strengem Blick: "Mindestens 550 Euro mehr und dann eben eine volle Inflationsprämie von 3.000 Euro zusätzlich und (...) sie wollen eine Arbeitszeitverkürzung durchsetzen." Die Arbeitszeit solle laut Siems von 38 auf 35 Stunden verkürzt und künftig in eine "Vier-Tage-Woche" umgewandelt werden. Eine Forderung, bei der Markus Lanz in schallendes Gelächter ausbrach.

Ralf Stegner: "Manche Dinge werden auch nur über lange Streiks erkämpft"

"Es ist ein ganz schwieriges Paket", gab auch Dorothea Siems zu. Sie ergänzte: "Was mich aber vor allem ärgert: Wie schnell hier gestreikt wird. Wir hatten Warnstreiks schon (...) im Dezember." Die Journalistin wetterte weiter: "Das ist für die Bürger eigentlich nicht zu tolerieren, die am Ende ja auch für die Mehrkosten aufkommen sollen." Laut Siems seien bereits Millionen Bürger "von der Bahn hochgradig genervt", da sie "ständig zu spät" komme. Das sei "nicht zumutbar". Für die Wirtschaftsexpertin sei daher ein möglicher Lösungsansatz die Reformierung des Streikrechts.

Ein Vorschlag, der bei Ralf Stegner für Entsetzen sorgte: "Bei allem, was uns ärgern mag daran, aber das Streikrecht ist in der Verfassung. Und ich muss ehrlich sagen, manche Dinge werden auch nur über lange Streiks erkämpft. (...) Das ist ein Fortschritt, dass wir das Streikrecht haben. Ich möchte nicht, dass es eingeschränkt wird."

Siems hakte prompt nach: "Und das Anrecht darauf, dass wir eine Bahn haben?" Ralf Stegner reagierte wütend: "Sie tun so, als ob die Arbeitnehmerrechte zu stark wären. Sie sind zu schwach!" Die Wirtschaftsjournalistin machte daraufhin deutlich, dass sie "aufseiten der Bürger und auch der Wirtschaft" sei. Sie kritisierte weiter: "Das hat was von einem Selbstbedienungsladen bei der Bahn. Die Boni, die gezahlt werden. Dann, dass man streiken kann ohne jedes Arbeitsplatzrisiko (...). Also das ist mir zu heftig, was da an Folgen inzwischen ertragen werden muss!" SPD-Politiker Stegner wollte dies nicht unkommentiert lassen und konterte: "Ich bin froh, dass Sie nicht entscheiden, wer streiken darf. Das ist gut so!"

Christian Lohmeyer: "Wir werden mittlerweile dazu verpflichtet, vier Prozent unserer Ackerböden stillzulegen"

Ähnlich hitzig ging es weiter, als Landwirt Christian Lohmeyer über die Bauernproteste sprach und klarstellte: "Wir schlucken immer mehr Kröten, diese Regierung hat das Fass zum Überlaufen gebracht." Der Bauer, der etwas mehr als 200 Hektar bewirtschaftet, spüre mittlerweile in seiner Arbeit eine Perspektivlosigkeit und erklärte ernst: "Ohne die Agrarsubventionen und mit den jetzt geplanten Maßnahmen würde nichts überbleiben." Zumal es sich um "eine Subventionierung von günstigen Lebensmitteln" handle, "wie es nie in der Menschheitsgeschichte der Fall war". Das sei bisher noch nicht in der öffentlichen Debatte angekommen, verdeutlichte der Landwirt weiter.

Obendrein machte Lohmeyer deutlich, welch hohe Gegenleistungen sein Berufsstand für Subventionen erbringen müsse: "Wir werden mittlerweile dazu verpflichtet, vier Prozent unserer Ackerböden stillzulegen. In einer Welt in der immer noch Menschen hungern, ist das zynisch und verwerflich." Lohmeyer ergänzte: "Das ist etwas, was jeden Landwirten schmerzt!" Auch Dorothea Siems kritisierte die Agrarpolitik der Regierung und erklärte, dass es eine extreme Abhängigkeit von Subventionen gebe. Lohmeyer nickte und fügte hinzu, dass es dadurch zu einer "Erpressbarkeit" komme: "Über einzelne Subventionen kann man vielleicht streiten. Das größte Problem ist die unglaubliche Sprunghaftigkeit dieser Regierung."

Die Kritik an der Ampel wollte Ralf Stegner nur zum Teil annehmen und sagte: "Ich akzeptiere die Kritik, aber ich finde das Übermaß, zu sagen, 'Das ist alles Mist, der Staat funktioniert nicht mehr', wird dem nicht gerecht, welche Schwierigkeiten momentan gelöst werden. (...) Es ist nicht so, das alles schlecht ist." Darauf konterte Dorothea Siems: "Wir dümpeln seit Jahren herum! (...) Herr Stegner, es läuft nicht gut!"

Die Journalistin forderte daher "weniger Regeln, die einfacher sind". Ein Vorschlag, der dem SPD-Mann nicht gefallen zu schien. Geradezu empört entgegnete er: "Ihre Behauptung, (...) die Dinge wären besser, wenn die Leute das alles alleine regeln würden, dann hätten wir Anarchie!" Siems wiegelte jedoch ab: "Nein, das ist nicht Anarchie. Einfachere Regeln und weniger Subventionen und mehr Berechenbarkeit waren eigentlich mal das deutsche Wirtschaftsmodell, was uns stark gemacht hat."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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