ZDF-Talkrunde

"Religion der Festanstellung": Sascha Lobo bei "Lanz" über die Arbeitswelt von morgen

04.05.2023, 07.03 Uhr

In der ZDF-Talkrunde von Markus Lanz kamen am Mittwochabend einige Themen zusammen: Mindestlohn, KI, 4-Tage-Woche und wie funktioniert die Arbeitswelt von morgen? Digitalexperte Sascha Lobo sah bei "Markus Lanz" eine "Religion der Festanstellung". Journalistin Sonja Álvarez kritisierte: "Wir leben in Analogistan." Und Hubertus Heil setzte auf mehr Tarifverträge.

Passend zum jüngst vergangenen Tag der Arbeit am 1. Mai drehte sich in der Mittwochsausgabe von "Markus Lanz" alles ums Thema Arbeit. Zu Beginn der Sendung stand aber noch ein anderes Thema auf der Tagesordnung. Seit seiner Entführung 2020 sitzt der deutsche Aktivist Jamshid Sharmahd in Iran in Haft. Kürzlich wurde das Todesurteil vom obersten Gerichtshof des Iran bestätigt.

Bei "Markus Lanz" forderte Tochter Gazelle Sharmahd erneut entschiedene Maßnahmen der Bundesregierung: "Ich sehe nicht, dass wir alle unsere Möglichkeiten ausgeschöpft haben." Sharmahd kritisierte vor allem die Aufrechterhaltung der Wirtschaftsbeziehungen: "Dieses Regime versteht nur Druck." Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte Gazelle Sharmahd persönlich getroffen und mit dem Kanzler und der Außenministerin über das Thema gesprochen. Er versprach: "Ich will deutlich sagen, es ist uns nicht egal. Wir kämpfen."

Heil für mehr Tarifverträge

Dann aber führte Gastgaber Markus Lanz rasch zum Hauptthema der Sendung über: die Arbeitswelt der Gegenwart und der Zukunft: Im Juni entscheidet die Mindestlohnkommission über eine Anpassung der Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2024. Für Arbeitsminister Heil war klar: "Menschen, die hart arbeiten, müssen auch von dieser Arbeit leben können." Er rechnete mit einer weiteren Erhöhung des Mindestlohns im kommenden Jahr.

Sonja Álvarez, Journalistin von der Wirtschaftswoche, sah das kritisch: "Wir haben mit einem Spargelbauern gesprochen, der sagt, wenn der Mindestlohn weiter steigt, kann ich mir Spargelanbau in Deutschland nicht mehr leisten." Der SPD-Politiker widersprach: "Das Untergangsgenörgel über die schädlichen Wirkungen des Mindestlohns auf dem Arbeitsmarkt ist statistisch widerlegt. Wir haben mit dem Mindestlohn den höchsten Stand der Erwerbstätigkeit, den wir in Deutschland je hatten."

Dennoch wollte Heil auch an anderen Schrauben drehen. Der Mindestlohn sei ja lediglich eine Lohnuntergrenze. Er forderte wieder mehr Tarifverträge in Deutschland und wollte dafür Anreize schaffen: "Ich werde dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge des Staates des Bundes nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen."

Journalistin über KI in Deutschland: "Wir leben in Analogistan"

Auch die 4-Tage-Woche war Thema der Diskussion bei "Markus Lanz". Sascha Lobo war klar dafür: "Ich würde hoffen, dass die Religion der Festanstellung durch die 4-Tage-Woche abgemildert wird." Für Sonja Álvarez war das in Krisenzeiten keine Option: "Wir können es uns gerade nicht leisten, uns in die Chill-Out-Area zu begeben." Lobo kritisierte diese Darstellung: "Ich finde das ein bisschen herablassend." Hubertus Heil bezeichnete die 4-Tage-Woche "keine Schablone für alle". Erwerbsarbeit sei nicht alles, aber: "Dieses Land darf zur Erwerbsarbeit auch kein gebrochenes Verhältnis entwickeln."

Einig waren sich die Gäste des Abends derweil bei der Tatsache, dass Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitswelt verändern werde. Sascha Lobo warnte vor den Herausforderungen durch die KI: "Ganz viele Arbeiten, die bis eben noch als absolut sicher galten, sind nicht sicher." Der Digitalexperte befürchtete: "Überqualifziert und unterbezahlt: Das wird eines der großen Probleme in einer KI-Arbeitsgesellschaft werden." Hubertus Heil sah deswegen die Politik in der Pflicht: "Wir werden mithelfen müssen, dass die Menschen von heute die Arbeit von morgen machen können." Sonja Álvarez befürchtete, dass das nicht ausreicht. Deutschland sei in Sachen KI und Digitalisierung bereits abgehängt: "Es sind erst elf Prozent der Unternehmen, die in Deutschland KI einsetzen, das ist ein dramatischer Rückstand."

Weiter machte Álvarez deutlich: "Wir leben immer noch in einer Faxrepublik. Wir leben in Analogistan." Lobo stimmte zu: "Es ist so, dass wir hier eine Bürokratie entwickelt haben, die durch Regulierung und Bremsung auffällt." Heil sah es ähnlich, fügte aber säuerlich hinzu: "Ich bin Pragmatiker, und ich will, dass sich Dinge ändern, und Sie bejammern eine Situation." Der SPD-Politiker differenzierte: "Arbeit ist für die meisten Menschen Broterwerb, aber nicht nur." Arbeit habe auch etwas Sinnstiftendes. Deshalb sei die Frage nach der Arbeit von morgen, trotz aller technischen Herausforderungen, auch und vor allem eine soziale Frage.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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