Amy Mußul im Interview

"Ich bin noch so jung und habe nicht vor, zu verbrennen"

von Andreas Fischer

Ihre ersten Einsätze hat sie zwar schon hinter sich, aber jetzt geht es für Amy Mußul (28) bei der "SOKO Leipzig" erst richtig los. Die Berliner Schauspielerin spielt die neue Kommissarin im Team und hat vor, lange zu bleiben, wie sie im Interview fröhlich verrät.

Amy Mußul kommt zu spät. Dafür kann sie aber nichts: Die Dreharbeiten für die neuen Folgen der ZDF-Serie "SOKO Leipzig" haben sich verzögert. Es wird immer später am Abend, doch von schlechter Laune ist bei der 28-Jährigen keine Spur. Im Gegenteil: Etwas geschafft, aber gut gelaunt und äußerst redselig kommt die Berliner Schauspielerin in eine Leipziger Kneipe. Amy Mußul ist als Kriminalkommissarin Kim Nowak die Neue im Team des Krimi-Dauerbrenners. Dass sie mit den neuen Folgen, die ab Freitag, 18. Oktober (21.15 Uhr), im ZDF zu sehen sind, groß rauskommt, ist ihr relativ egal: Sie freut sich noch mehr über viele andere Dinge, die der Job mit sich bringt. Eine ganze Menge Bildung etwa und ein Schießtraining mit ihrem Freund Rick Okon, der im Dortmunder "Tatort" auch einen Ermittler spielt.

prisma: Mit der neuen Staffel starten Sie jetzt richtig durch bei der "SOKO Leipzig": Die ersten Folgen mit Ihrer Figur Kim Nowak wurden allerdings bereits ausgestrahlt.

Amy Mußul: Stimmt. Vor allem die Einstiegsfolge war relativ aufregend für meine Figur: Das Bewerbungsgespräch lief für Kim nicht so gut, doch sie konnte sich bei einer Geiselnahme beweisen. Nach drei weiteren Folgen ging es dann schon in die Ausstrahlungssommerpause, die dieses Mal relativ lang war. Ich drehe bereits seit Mai 2018 für die SOKO, da wir aber nicht chronologisch drehen, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht genau, wie viele Folgen mit Kim Nowak schon im Kasten sind. (Mehr als 30, laut Produktionsfirma, d.Red.)

prisma: Sie machen beim Dreh also Episodenhopping?

Mußul: Wir drehen parallel meistens um die vier Folgen, was erstens ein gewaltiger logistischer Aufwand ist und zweitens die Arbeit recht anspruchsvoll macht. Ich muss immerzu überlegen, wo meine Figur gerade ist, wie der Ermittlungsstand gerade ist und welche Informationen sie schon hat.

prisma: Hand aufs Herz: Haben Sie Lampenfieber vor dem Staffelstart?

Mußul: Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Ich arbeite gefühlt seit Ewigkeiten, aber es sind erst vier Folgen gelaufen. Die Zuschauer haben mich noch gar nicht auf dem Zettel. Das geht jetzt erst richtig los. Ich freue mich sehr darauf, aber die Arbeit ist ehrlich gesagt viel spannender als die Ausstrahlung. Für mich ist es wichtiger, dass ich mich freue, zur Arbeit zu gehen und die Leute zu sehen. Anders könnte ich gar nicht arbeiten, nicht dauerhaft zumindest.

prisma: Zuletzt waren Sie mit dem "Traumschiff" oder bei der "Kreuzfahrt ins Glück" eher sporadisch unterwegs: Wie schwer fiel Ihnen die Umstellung auf ein "festeres" Engagement, das im Prinzip ihre ganze Arbeitszeit in Anspruch nimmt?

Mußul: Das war gar nicht so schlimm. Bei "Kreuzfahrt ins Glück" war ich für beide Filme auch drei Monate unterwegs. Und ich habe die restliche Zeit des Jahres ja auch nicht nichts gemacht, sondern an anderen Projekten gearbeitet und auch viel moderiert. Die Umstellung war nicht groß: Ich arbeite halt viel, aber das habe ich immer schon gemacht.

prisma: Für die Rolle sind Sie sogar umgezogen.

Mußul: Ich liebe Berlin total und bin dort fest verankert, aber ich habe mir tatsächlich eine Zweitwohnung in Leipzig genommen. Vor allem an langen Tagen hilft es mir sehr, dass ich nicht pendeln muss. Obwohl das ja recht schnell geht mit der Bahn. Ich will nicht nur zum Arbeiten hier sein, sondern mich wohl und verbunden fühlen. Die SOKO ermöglicht mir also in vielerlei Hinsicht, meinen Horizont zu erweitern.

prisma: Inwiefern?

Mußul: Die SOKO greift auch gesellschaftlich relevante Themen auf. Gerade haben wir zum Beispiel eine Folge gedreht, in der es um Zwangsadoptionen in der ehemaligen DDR geht: Für mich war es komplett neu, dass Eltern, die das System infrage stellten, ihre Kinder weggenommen wurden, damit diese von linientreuen Paaren adoptiert werden konnten. Ich lerne also auch noch privat dazu.

prisma: Ein bisschen Bildung schadet in einem Unterhaltungsformat nicht.

Mußul: So ist es. Am besten natürlich, wenn sie nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt und in der Serie verschiedenen Haltungen repräsentiert sind: Im SOKO-Team sind die Kommissare durchaus verschiedener Meinung zu wichtigen Themen. Aber sie diskutieren darüber und lassen auch andere Argumente zu. Das ist nicht unwichtig in unseren Zeiten.

prisma: Marco Girnth und Melanie Marschke gehören zum Inventar der Serie und haben schon so manchen Kollegen kommen und gehen sehen. Sagen die den "Frischlingen", wo es langgeht?

Mußul: Die beiden gehen jetzt in ihr 20. SOKO-Jahr! Das ist schon verrückt! Umso bemerkenswerter, dass sie das nie heraushängen lassen. Sie haben mich hier sofort mit ganzem Herzen und als gleichwertiges Teammitglied aufgenommen. Ich brauchte überhaupt keine Zeit, um warmzuwerden.

prisma: Planen Sie denn, auch so lange dabei zu bleiben wie Marco Girnth und Melanie Marschke?

Mußul: Ich gehe die Sache entspannt an: Arbeitszeit ist für mich Lebenszeit. Daher finde ich es wichtig, dass die Harmonie im Team stimmt. Solange ich mich wohlfühle, bleibe ich da.

prisma: Haben Sie eigentlich Angst, dass Sie sich in der Rolle "festspielen"?

Mußul: Dieses Phänomen gibt es natürlich. Doch darüber mache ich mir keine großen Gedanken. Für mich ist die Rolle im Moment ein großes Geschenk: Ich kann jeden Tag spielen. Darauf hatte ich große Lust. Gerade auch, weil es eine gewisse Alltäglichkeit bedeutet, die erfordert, dass man zum Beispiel auch an Tagen spielen muss, an denen man vielleicht mal nicht gut drauf oder müde ist. Ich finde in der Arbeit genug Inspiration, dass mir nicht langweilig wird. Ich bin noch so jung und habe nicht vor, zu verbrennen. Im Gegenteil: Ich bin noch "on fire" (lacht).

prisma: "On fire" sind Sie seit geraumer Zeit: Sie haben früh angefangen mit der Schauspielerei, oder?

Mußul: Ich wurde mit sechs Jahren bei IKEA von zwei Agentinnen angesprochen. Zunächst kamen ein paar kleinere Sachen, dann mit elf Jahren eine Hauptrolle in einem ARD-Spielfilm... Es ergab sich alles nach und nach, aber ich wusste sofort, dass ich meine Bestimmung gefunden hatte. Ein Bürojob wäre definitiv nichts für mich. Natürlich wird man teilweise auch belächelt, wenn man als Sechsjährige sagt: "Ich will Schauspielerin werden." Aber mich hat es immer schon in die künstlerische Richtung gezogen. Meine Mama war Tänzerin, und ich stand auch schon früh auf der Bühne des Friedrichstadtpalastes.

prisma: Das ist eine Riesenbühne: Waren Sie davon nicht eingeschüchtert?

Mußul: Überhaupt nicht. Ich mochte den Trubel, diese immer neuen Erfahrungen, die Dynamik, gemeinsam etwas Kreatives zu erschaffen. Und dass dann präsentieren zu dürfen, das hat mir einfach Spaß gemacht.

prisma: Spielte da auch eine gewisse Lust an der Bewunderung eine Rolle?

Mußul: Darüber habe ich vor Kurzem erst nachgedacht: Sicher hat es in gewissen Entwicklungsphasen als Kind eine Rolle gespielt. Aber ich habe relativ schnell begriffen, dass die Bewunderung nicht der Grund sein sollte, den Beruf zu wählen. Im Gegenteil! Für mich ist die Schauspielerei der schönste Beruf, aber es ist definitiv auch einer, in dem man ab und an mit Selbstzweifeln zu kämpfen hat.

prisma: Es gibt ja auch noch Fans, die Autogramme und Selfies wollen.

Mußul: Das ist eine Art von Bewunderung, die ich persönlich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich mache doch nur meinen Job. Aber diese Starkultur ist in Deutschland auch gar nicht so ausgeprägt.

prisma: Dafür wird hier gerne kritisiert: Wie gehen Sie mit Kritik um?

Mußul: Die Meckerkultur macht mich traurig, weil ich weiß, wie viel Herzblut die Menschen in ihre künstlerische Arbeit stecken. Äußerungen von Kritik sollten immer differenziert sein und nicht pauschal alles vernichten. In meinem Beruf ist man der Kritik aber immer unmittelbar ausgesetzt, jeder bildet sich sofort eine Meinung, die sich in den sozialen Netzwerken dann verbreitet. Das ist teilweise extrem. Außerdem verstehe ich nicht, wie man so viel Energie mit Meckereien verschwenden kann.

prisma: Haben Sie schon schlechte Erfahrungen gemacht?

Mußul: Gott sei Dank noch nicht. Aber ich stelle mich darauf ein, dass es Kritik geben wird. Ich kann nicht immer allen gefallen und es jedem recht machen.

prisma: Wie haben Sie sich denn auf die Rolle vorbereitet?

Mußul: Ich habe unter anderem eine Polizeischulung und ein Schießtraining absolviert und zum Beispiel gelernt, wie man eine Waffe richtig hält – den Finger nie am Abzug, der ist nämlich sehr leichtgängig – und wie sich Polizisten im Raum verhalten. Das fand ich wichtig: Ich will mich ja nicht zum Deppen machen. Aber natürlich gibt es auch Situationen, die von echten Polizisten kritisiert werden: Ganz ehrlich, beim Dreh spielt oftmals der Coolness-Faktor eine Rolle. Es soll ja auch gut aussehen auf dem Bildschirm (lacht). Da gilt es also immer, einen Kompromiss zu finden.

prisma: War Ihnen eigentlich bewusst, dass Ihr Rollenname Kim Nowak einer berühmten Hitchcock-Schauspielerin, die allerdings "Novak" geschrieben wird, gehört?

Mußul: Das war ein Zufall. Ich hatte beim Casting einen merkwürdigen Rollennamen, der wirklich sehr unpassend klang. Ich habe dann einfach mal Kim als Vornamen vorgeschlagen, weil ich den Namen immer schon mochte. Dann musste noch ein neuer Nachname her: Irgendwie kam ich auf Nowak. Also landete Kim Nowak in den Drehbüchern. Erst viel später sagte mir jemand, dass es eine Schauspielerin gab, die so hieß. Ich wusste das gar nicht, aber der Name ist geblieben, und wir haben die Hitchcock-Referenz auch in die Serie eingebaut.

prisma: Wie geht's denn in der neuen "SOKO Leipzig"-Staffel mit Kim Nowak weiter?

Mußul: Es wird auf jeden Fall ziemlich aufwühlend für Kim. Nachdem eine große Lebenslüge auffliegt, wird Kims Welt komplett auf den Kopf und das SOKO-Team auf eine harte Probe gestellt. Aber mehr verraten kann ich noch nicht. Was ich sehr mag: Kim hat keine lange Findungsphase, sie ist da, zieht ihr Ding durch und muss sich nicht erst lange beweisen.

prisma: Das ist in Serien keine Selbstverständlichkeit: Ihr Freund Rick Okon hatte es im Dortmunder "Tatort" als neues Teammitglied zunächst schwer. Tauschen Sie sich über die Rollen eigentlich aus?

Mußul: Natürlich tauscht man sich aus, fragt sich Text ab und gibt sich gegenseitig Ratschläge. Wir haben ja sogar als Figuren denselben Beruf und sogar das Schießtraining zusammen absolviert. (lacht)

prisma: Sie machen die Stunts selber: Stimmt es, dass Sie eine Tür eingetreten haben und dann feststeckten?

Mußul: (lacht) Woher haben Sie das denn?

prisma: Internet!

Mußul: Habe ich das schon mal erzählt? Das war echt witzig. Aber wirklich viele krasse und gefährliche Stunts machen wir ja nicht. Letztens hatte ich mal eine Szene an einer Kletterwand, bei der ich einige Meter im freien Fall war: Solche Sachen mache ich am liebsten selbst, weil ich Lust auf diese Adrenalinkicks habe.

prisma: Sie lenken ab von der Tür und Ihrem Fuß!

Mußul: Okay, es gab da eine Situation, in der ich eine Tür eintreten sollte. Die war präpariert, damit sie leichter einzutreten ist. Allerdings war es nur eine leichte Papptür, ich aber dachte, etwas mehr Wumms zu brauchen, um sie zu "öffnen". Also habe ich voll durchgezogen und ziemlich hoch – weil das ja cooler aussieht – dagegen getreten. Und dann steckte mein Fuß in der Tat fest. (lacht)

prisma: Ganz so ernsthaft, wie es am Ende aussieht, ist der Job als TV-Kommissarin dann offensichtlich doch nicht.

Mußul: Es gibt durchaus Slapstickmomente. Die bekommt man natürlich bei der Ausstrahlung nicht mit. Da sieht man nur, dass wir sehr ernst- und gewissenhaft unsere Ermittlungen führen. Einige dieser Outtakes landen mittlerweile in den Social-Media-Kanälen. Die Zuschauer und Zuschauerinnen wollen heute auch die privaten Momente erleben. Deswegen ist auch jemand am Set, der sich explizit darum kümmert.

prisma: Ist der zusätzliche Aufwand eine Belastung, oder gehört er mittlerweile einfach dazu?

Mußul: Es ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits bietet Social Media viele Möglichkeiten, sich von einer anderen Seite zu präsentieren. Das ist schon spannend, auch wegen des Feedbacks. Negativ ist, dass man sich noch mehr mit dem Smartphone beschäftigen muss und die Welt nur durch die Kamera sieht, anstatt im Moment zu sein und ihn zu genießen.

prisma: Machen Sie das denn auch privat?

Mußul: Die sozialen Medien sind jedenfalls nicht in meinen Alltag übergegangen. Ich muss mich eher dazu zwingen, etwas zu posten, wenn ich feststelle, dass ich schon lange nichts mehr gemacht habe. Als ich neulich mein Handy verloren hatte und einen Monat lang mit einer alten Krücke unterwegs war, habe ich das jedenfalls ziemlich genossen.

prisma: Für welche andere Serie hätten Sie das Rollenangebot bei der "SOKO Leipzig" ausgeschlagen?

Mußul: Ich finde, man sollte realistisch bleiben. Klar gibt es viele Serien, die richtig gut sind. Zuletzt fand ich "Haus des Geldes" cool. Auch "Das Boot" fand ich super: Aber ich weiß auch, dass ich nicht mit der männlichen Besatzung im U-Boot rumschippern werde (lacht). Die "SOKO Leipzig" muss sich nicht verstecken. Was das Team leistet, muss man erst mal wuppen: Bei dem Pensum eine gut erzählte und gut gefilmte Serie hinzustellen, sollte man auch positiv anerkennen dürfen. Das gilt übrigens für viele Serien, nicht zu vergessen für Daily Soaps.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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