"Menschen ändern sich erst, wenn es wehtut"
Frank Zander, selbsternanntes "Urgestein", betrauert das Verschwinden echter Typen und rechnet auf seinem neuen Album humoristisch mit Veganern ab. "Wenn man das überbewertet, ist das nicht mein Problem", erklärt der 77-Jährige seinen künstlerischen Ansatz im Interview.
Er steht seit mehr als fünf Jahrzehnten auf der Bühne und gehört zu den erfolgreichsten deutschen Comedy-Sängern: Frank Zander (77) ist das, was man einen alten Showhasen nennt. In den 70er-Jahren stieg der gelernte Grafiker und Maler als Sänger, Moderator und Entertainer zum Star auf. Zander mischte die Musikwelt mit seinen humoristischen Songs auf und schlüpfte dafür immer wieder in verschiedene Rollen. "Ja, wenn wir alle Englein wären (Der Ententanz)" von 1981 war sein größter Hit. Zanders Markenzeichen ist bis heute die raue Stimme, die er einer nicht auskurierten Mandelentzündung verdankt. Aber Frank Zander ist auch dafür bekannt, dass er das Herz am rechten Fleck hat: In diesem Jahr feiert er an Weihnachten zum 25. Mal sein Obdachlosenfest in Berlin, bei dem er traditionell von zahlreichen Promi-Freunden unterstützt wird. Goldene Schallplatten von ihm und einigen Kollegen säumen die Wände der Büroräume des Labels in Berlin, das von seinem Sohn Marcus Zander geführt wird. Zum Interview werden Kekse serviert, und auch sonst geht es sehr familiär zu, während das "Urgestein" Frank Zander von seinem neuen Album, seiner Lust am Schrillen und Bunten und seinen Anfängen erzählt.
prisma: Herr Zander, ältere Semester kennen Sie unter anderem aus der Musik- und Comedyshow "Plattenküche", die Sie bis 1980 mit Helga Feddersen präsentierten, sowie aus der Musiksendung "Bananas", bei der Sie bis Ende 1981 dabei waren, und natürlich dem "Ententanz". Wie erinnern Sie diese Phase Ihrer Karriere aus heutiger Sicht?
Frank Zander: Das war eine bunte, verrückte Zeit! Sendungen wie "Bananas" oder "Plattenküche" hatten 25 Millionen Zuschauer! Das war noch eine ganz andere Nummer als heute, wo sich der Fernsehmarkt in tausend Splitter teilt. Man muss viel mehr arbeiten, um wahrgenommen zu werden. Und wenn du nicht bei einer großen Plattenfirma bist, findest du im Fernsehen gar nicht mehr statt.
prisma: Wie erklären Sie sich, dass Sie trotzdem nie vergessen wurden?
Zander: Unsere Obdachlosen-Feier trägt mich durch die Jahre. Ich habe wirklich so viele Sendungen hinter mir, so viel Kokolores und Verrücktes – aber das bleibt. Und dadurch wissen die Leute: Der ist noch da! Denn heute muss man einiges anstellen, um in die Zeitungen zu kommen. Ich möchte aber nun mal keine Dinge machen, die mir unangenehm sind.
prisma: Fühlen Sie sich manchmal einsam auf weiter Flur?
Zander: Ich sehe Kollegen verschwinden, bei denen ich denke: Mensch Meier, die Leute, die den Löffel abgeben, werden deutlich mehr. Das ist schon sehr traurig, wenn man das alles so mitkriegt. Es gibt nur noch ganz wenige von den Urgesteinen.
prisma: Deshalb haben Sie Ihr neues Album "Urgestein" genannt?
Zander: Man ist eins, oder man ist es nicht! In diesem Falle ist das Urgestein wirklich aus Stein gemeißelt: Das Weihnachtsessen für Obdachlose gibt es seit 25 Jahren. Meine Hymne für Hertha BSC ("Nur nach Hause", Anm. d. red.) ist 26 Jahre alt. Ich habe auch darum gekämpft, dass die bleibt, wo sie ist – nämlich im Stadion in Berlin. Das sind zwei Traditionen, durch die ich mir den Titel als Berliner Urgestein wirklich verdient habe.
prisma: Ende 2017 machten Sie Ihre Prostatakrebs-Erkrankung öffentlich. Wie geht es Ihnen heute?
Zander: Ich hatte eine Prostata-Operation, und im Frühjahr kam noch eine Hüftoperation dazu. Aber ich habe mich wieder aufgerappelt und viel Physiotherapie gemacht. Ich mache damit weiter und bin jetzt guter Dinge. Noch so ein Grund, warum "Urgestein" der richtige Titel ist.
prisma: Gunter Gabriel, einer Ihrer frühen Wegbegleiter in den 70ern, weilt indes nicht mehr unter uns.
Zander: In diesen Räumen hier, in der Wittelsbacherstraße 18, wo früher die Plattenfirma Hansa untergebracht war, entstanden die großen Hits – von Gunter Gabriel bis Boney M. Das ist schon beachtlich. Der erste Titel, den Gunter und ich zusammen schrieben, war der "Nick-Nack-Man", danach kam "Ich trink auf dein Wohl, Marie". Gunter war manchmal auch schwierig, wenn er etwas getrunken hatte. Er startete dann eine eigene Musikkarriere, und ich habe alles mögliche gemacht: die Hamster-Lieder, "Alles Gute zum Geburtstag", "Der Ententanz" – ein Hit folgte auf den anderen. Damals ging irgendwie alles.
prisma: Sie sprachen von den Urgesteinen, die verschwinden. Welcher Verlust hat sie jenseits Gunter Gabriels besonders hart getroffen?
Zander: Der Tod von Costa Cordalis zum Beispiel. Mit Karel Gott ist es natürlich auch traurig – der hat ja wunderbare Sachen geschrieben. Aber viele von denen, die noch leben, leben auch nur noch in und von der Vergangenheit. Deswegen machen wir weiter mit neuen Titeln, aber eben bei einer kleineren Plattenfirma, bei der alles sehr familiär zugeht.
prisma: Gab es denn auch noch einmal die Möglichkeit, mit einem Major-Label zusammenzuarbeiten?
Zander: Ja, klar, aber ich möchte nicht dauernd gefragt werden: "Hast du nicht was Neues? Mach doch am besten mal das hier." Oder: "Demnächst schicken wir dich dorthin." Das habe ich alles hinter mir. Ich möchte es jetzt ruhiger angehen lassen. Wenn ich zum Rundfunk eingeladen werde, möchte ich den Abend noch verleben und nicht gleich weiter zum nächsten Termin müssen. Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich sage: So durchgetaktete Tage will ich nicht mehr.
prisma: Viele Texte auf Ihrer neuen Platte sind Mutmacher-Texte wie zum Beispiel der Titel "Kopf oben". Wen adressieren Sie mit diesen Songs?
Zander: Das sind Stücke für die weniger Privilegierten der Gesellschaft; für die Leute, die zu unserem Weihnachtsessen kommen. Und das Schöne ist, ich werde immer geduzt von allen. Für die bin ich der Frankie.
prisma: Auf Ihrer neuen Platte zeigen sie sich gesellschaftskritisch und meinungsstark.
Zander: Ich bin Sternzeichen Wassermann und immer der Zukunft verbunden. Und ich weiß auch, dass Menschen sich nicht ändern, bevor es wehtut. Das ist leider so. Deswegen wird Hamburg irgendwann mal unter Wasser sein, wenn wir so weitermachen. Aber bis es so weit ist, hau ich noch einmal ordentlich rein in jede Kerbe, die sich mir bietet.
prisma: Glauben Sie, dass man den Klimawandel noch aufhalten kann?
Zander: Das wird schwer. Als Wassermann fühle ich das alles. Wir sind einfach zu viele. Wir wollen alle zu viele Dinge: Jeder will ein Auto haben. Wir wollen verreisen auf großen Schiffen. Und in der Zeit, in der wir alles haben wollen, schmilzt das Eis am Nordpol schneller, als wir glauben. Wir sind alle schuld. Wir sind nun mal gierig. Und wenn man die Typen sieht, die an der Macht sind, passiert viel zu wenig.
prisma: Trotzdem machen Sie sich in "Vegan Vampire", einem der neuen Songs, über Veganer lustig. Ist das nicht ein Widerspruch?
Zander: Nein, in keinster Weise. "Vegan Vampire" sind die, die nur Pflanzen essen und genauso viel anrichten wie alle anderen. Es geht darum, dass wir so oder so alles kaputtmachen – mit oder ohne vegan. Weil der Mensch ein Arschloch ist. Aber allein am Titel merkt man schon, dass es eine Spielwiese ist: ein lustiger Song, zu dem man auch gut tanzen kann. Er steht für meine Lust an bunten, schrillen Dingen.
prisma: Und wenn Sie einen Veganer-Shitstorm ernten?
Zander: Das macht mir aber so was von nichts aus! Ich brachte mal eine Platte heraus, die hieß "Das Ende des Deutschen Schlagers". Das haben einige sehr ernst genommen und mich verteufelt. Aber ich habe nun mal eine Ader für schwarzen Humor. Da ist ein bisschen Monty Python mit drin. Wenn man das überbewertet, ist das nicht mein Problem.
Quelle: teleschau – der Mediendienst