Zweiter Teil der Reihe

"Kaltes Blut – Julia Durant ermittelt": zerfahrene Handlung, brillante Ästhetik

von Markus Schu

In ihrem zweiten TV-Fall will Julia Durant zwei vermisste Mädchen aufspüren – und wird dabei mit allerlei düsteren Geheimnissen in einem vermeintlichen Bilderbuch-Dorf konfrontiert. SAT.1 zeigt die Adaption von Regisseur Nicolai Rohde in einer Erstausstrahlung.

SAT.1
Kaltes Blut – Julia Durant ermittelt
Krimi • 14.10.2019 • 20:15 Uhr

Von außen betrachtet, scheint das beschauliche Ortkriftl in der Nähe von Frankfurt am Main ein waschechtes Bilderbuch-Dorf zu sein – doch hinter der idyllischen Fassade verbergen sich Sünden, Geheimnisse und Verbrechen. Als in der Gemeinde ein junges Mädchen verschwindet, nimmt die Profilerin Julia Durant (Sandra Borgmann) gemeinsam mit ihrem Team die Ermittlungen auf. Dabei stößt sie auf Ungeheuerliches. Denn schon vor einigen Monaten ist ein Mädchen spurlos verschwunden – die Tat eines Psychopathen? Der zweite TV-Einsatz Durants nach den gleichnamigen Bestsellern des 2011 verstorbenen Erfolgsautoren Andreas Franz bietet Krimi-Unterhaltung auf hohem Niveau – vor allem in ästhetischer Hinsicht. 

Selina Kautz (Katharina Gieron) ist wie vom Erdboden verschluckt. Es muss sich um eine Entführung handeln, davon sind ihre Eltern felsenfest überzeugt. Ob die Teenagerin denn Geheimnisse gehabt haben könnte, möchte Durant bei der Befragung der Erziehungsberechtigten wissen. Niemals – man hatte nichts voreinander zu verbergen! Doch so einfach ist das nicht, wie sich bald herausstellt. Denn jeder und jede in Ortkriftl hütet Geheimnisse – und manche sind dunkler als andere. Weitaus dunkler.

Der Zuschauer erfährt recht schnell, dass Selina noch lebt. Doch sie wird irgendwo gefangengehalten und mit Ketamin betäubt. Ebenjene Substanz, die normalerweise als Narkosemittel für Tiere verwendet wird, führt Durant und ihre Kollegen dann auf eine erste Spur – denn auf dem Reiterhof der Gemeinde geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Auch der Witwer Rolf Grumack (Michael Sideris) ist sich sicher, wer in das Verbrechen involviert ist: Er hat den Dorfarzt im Verdacht. Wie schon bei seiner ebenfalls verschwundenen Tochter Kerstin (Nadine Schmidt). Und das nicht ohne Grund: Denn dem Mediziner wurde einst sexuelle Belästigung gegenüber einer Minderjährigen vorgeworfen. Obendrein ist der Arzt mit der Besitzerin des Reiterhofs verheiratet. Ein klarer Fall also? Mitnichten ...

Im zweiten Einsatz von Julia Durant ist ganz schön viel los. Ständig werden neue Geheimnisse enthüllt, permanent erfährt man von verbotenen Dingen, die sich hinter der vermeintlichen Bilderbuch-Kulisse abspielen. Und ein Killer mischt auch noch mit – weil er offenbar die "heile Welt" der Gemeinde um jeden Preis bewahren will. Entführungen, Morde, Affären und Pädophilie – vielleicht stecken letztendlich doch zu viele Themen in diesem neuen 90-Minüter. Denn man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, dass das Krimi-Drama erzählerisch zu sehr mäandert. Alleine die zahlreichen Konflikte mit familiärem Bezug hätten locker einen ganzen Spielfilm getragen. Ein klarer Fokus hätte der Geschichte vielleicht gutgetan.

Vergleichbare Reihen und Formate sind mitunter stringenter und spannender erzählt, doch oftmals mangelt es ihnen dafür an inszenatorischem Anspruch und ästhetischem Pfiff. Bei "Kaltes Blut – Julia Durant ermittelt" ist es nun genau umgekehrt: Der Plot hätte noch ein wenig Feinschliff vertragen können. Doch in formaler Hinsicht sticht der TV-Krimi aus dem audiovisuell eher biederen Fernseh-Einheitsbrei hervor. Clevere Musikuntermalung, tolle Schnitte, pointiert gesetzte Zeitlupen und eine hervorragende Bildgestaltung fügen sich zu einem ästhetisch ansprechenden Ganzen, das die erzählerischen Schwächen kompensiert. Man könnte fast sagen: Fincher fürs Fernsehen – zumindest in optischer Hinsicht. Narrativ darf aber zukünftig gerne noch eine Schippe draufgelegt werden.

Ein dritter Teil ist bereits abgedreht: "Mörderische Tage" wird noch im Herbst seine TV-Premiere feiern. Von der "Julia Durant"-Reihe kann man noch viel erwarten.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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