Lisa Maria Potthoff im Interview

"Eine Frau, die sich brutal schlägt, irritiert natürlich"

von Eric Leimann

Lisa Maria Potthoff, 40, ist der eigentliche Star eines Extrem-Krimis mit dem leider etwas albernen Namen "Carneval: Der Clown bringt den Tod" (Samstag, 15.09., 20.15 Uhr, ARD). Doch das Anschauen lohnt sich – für Hartgesottene.

Selten sah man in einer deutschen Fernsehproduktion so viel brutale Nacktheit, so viel Mut einer Schauspielerin, ihren Körper auf irritierende, nicht unbedingt klassisch ästhetische Weise einzubringen. Lisa Maria Potthoff, Mutter zweier Töchter, über ihre Lust, angeschrien zu werden, über das härteste Kampftraining der Welt und das Emanzipatorische an harten Frauen-Charakteren in Film.

prisma: In "Carneval – Der Clown bringt den Tod" spielen Sie eine Hardcore-Rolle. Sie sind öfter nackt. Dazu gibt es lange, extrem brutale Kampfszenen. Wie geht es Ihnen damit?

Lisa Maria Potthoff: Bei unserer Krimireihe nach Romanen von Craig Russell war es immer eine Herausforderung, die FSK 12-Freigabe zu bekommen. Sie ist notwendig, damit man um 20.15 Uhr senden darf. Die Szenen, die Sie ansprechen, gab das Drehbuch vor. Darin lasse ich mich auf eine Beziehung mit einem brutalen Unterwelt-Typen ein. Dazu gehören Szenen harter körperlicher Auseinandersetzung.

prisma: Man kann solche Szenen unterschiedlich drastisch inszenieren. In Ihrem Film wirkt selbst die einvernehmliche Sexualität wie Gewalt. Das wirkt recht verstörend, was ja auch ein Lob für den Film ist ...

Lisa Maria Potthoff: Ich wollte meine Figur so gestalten, dass an dieser Frau nichts Sinnliches mehr ist. Es geht um ihre Rachefantasien und eine selbstbestimmte Mission der Vergeltung. Dem ordnet sie alles unter, dafür hat sie trainiert. Auch Kampftechniken. Für mich war es ein guter Anlass, meine Grenzen zu erforschen. Ich habe für diesen Film drei Monate lang einen extremen Kampfsport trainiert. Außerdem stellte ich meine Ernährung so um, dass ich ganz mager wurde. Es hat mir, so merkwürdig es klingt, große Freude gemacht (lacht).

prisma: Was hat Ihnen daran so gut gefallen?

Lisa Maria Potthoff: Es ist toll, so arbeiten zu dürfen. Die Produktionsfirma trug diesen Weg auch finanziell mit. Das ist alles andere als selbstverständlich. Ich bin keine, die ans Set kommt und fragt: Na, was drehen wir denn heute? Schauspielerischer Dienst nach Vorschrift ist nicht mein Ding. Insofern klingt das Programm hart – aber als berufliche und persönliche Erfahrung war es ein sehr wertvolles Projekt.

prisma: Fällt Ihre traumatisierte Frau auf Rachemission deshalb auf, weil wir uns an eher mediokre Figuren im TV-Krimi gewöhnt haben?

Lisa Maria Potthoff: Vielleicht. Es ist aber nicht nur ein kreatives Problem, sondern – wie angedeutet – vor allem ein finanzielles. Man muss sich die intensive Vorbereitung auf eine Rolle auch leisten können und wollen.

prisma: Die körperliche Schlüsselszene des Films ist eine sehr ausgedehnte, brutale Kampfszene mit wenig Textil.

Lisa Maria Potthoff: Ja, im fertigen Film dauert sie etwa drei Minuten. Es ist absolut ungewöhnlich, dass man als Frau eine solche Szene zum Spielen bekommt.

prisma: Welche Art von Kampfsport trainierten Sie?

Lisa Maria Potthoff: Er heißt Krav Maga, kommt aus Israel und wird unter anderem vom Geheimdienst Mossad praktiziert. Es ist eine Kombination verschiedener Techniken, mit dem Ziel, dem Gegner möglichst effektiv wehzutun und ihn auszuschalten.

prisma: Ist da nicht jedes Training nach drei Minuten zu Ende, weil einer schwer verletzt auf dem Boden liegt?

Lisa Maria Potthoff: Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Es gibt verschiedene Schutzmaßnahmen. Wir reden zwar schon von einem Vollkontakt-Training, allerdings ist man mit Helm, Brustpanzer, Knie- und Ellbogenschonern geschützt. Dennoch ist Krav Maga sehr brutal. Ich hatte noch nie im Leben so viele blaue Flecken wie in dieser Zeit. Mir hat sogar mal jemand tief in die Augen geblickt und mich gefragt, ob ich nicht doch zugeben will, dass ich häuslicher Gewalt ausgesetzt bin (lacht).

prisma: Wie oft haben Sie trainiert?

Lisa Maria Potthoff: Während der Vorbereitungen auf "Carneval" fünfmal die Woche. Zwei Tage bekam die Muskulatur zur Erholung. Aber – ich bin dem Sport treu geblieben. Wenn ich jetzt wieder drehe, dann trainiere ich natürlich weniger. Wenn ich – wie jetzt gerade – drehfreie Wochen habe, dann gehe ich aber immerhin etwa dreimal pro Woche zum Training.

prisma: Gibt Ihnen das Antizipieren des Schlags einen Kick? Ist es eine Art Sucht nach der Gefahr, dass man gleich einen brutalen Schlag abbekommt?

Lisa Maria Potthoff: Nein, das ist es bei mir nicht. Der Kick ist eher beruflicher Natur. Ich kann jetzt viele Stunt-Szenen selber drehen, die ich mir früher nicht zugetraut hätte. Für die ZDF-Reihe "Sarah Kohr", die ja auch recht Action-betont ist, kann ich das Gelernte ebenfalls gut einsetzen. Ich bin als Schauspielerin ziemlich perfektionistisch. Deshalb ist die Möglichkeit, körperlicher spielen zu können, sehr befriedigend. Darüber hinaus fühle ich mich einfach energiegeladener.

prisma: Waren Sie schon immer ein sportlicher Typ? Oder ist dieser Reiz der Körperlichkeit eine Neuentdeckung für Sie?

Lisa Maria Potthoff: Es war eine Neuentdeckung, die mit Ende 30 ja auch nicht selbstverständlich war. Eigentlich lebt in mir ein recht großer innerer Schweinehund. Wenn du aber im Krav Maga an deine Grenzen gerätst, steht der Trainer vor dir und brüllt dich an: Mach weiter! Offenbar brauche ich das (lacht). Denn ich merke, dass ich danach tatsächlich noch eine Weile weitermachen kann.

prisma: Brauchen wir mehr weibliche Action-Helden? Empfinden Sie das als emanzipatorisch wünschenswert?

Lisa Maria Potthoff: Es wäre zumindest schauspielerisch reizvoll. Wobei ich bei "Carneval" den Begriff Action-Heldin unangebracht finde. Wir sehen da eine Frau, die sich ein extremes Ziel setzt und sich dafür prostituiert. Auf die ZDF-Reihe "Sarah Kohr" trifft der Begriff eher zu. Das ist eine Frau, die traditionell männliche Attribute aufweist. Sie ist wortkarg, eine Einzelkämpferin und sie haut zu – ob es moralisch vertretbar ist oder nicht. Klar, ein Stück weit hat das schon mit Emanzipation zu tun.

prisma: Worin besteht die Emanzipation genau?

Lisa Maria Potthoff: Ich finde es gut, wenn Frauen abseits ihres geschlechtlichen Rollenklischees gezeigt werden. Frauen, vor allem die im Fernsehen, sind meistens adrett. Oft sind sie auch diejenigen, die moralischer handeln. Ein Mann kann schon mal unmoralisch sein oder unmotiviert durch die Gegend schießen. Eine Frau, die sich brutal schlägt, irritiert natürlich. Und das ist eine gute Sache.

prisma: Nervt es Sie, wenn man sie als Krimi Spezialistin bezeichnet? Neben den Craig Russell-Filmen sieht man Sie noch in "Sarah Kohr", im "Usedom-Krimi" und den bayerischen Provinzkrimis mit Sebastian Bezzel ...

Lisa Maria Potthoff: Das mit dem Usedom-Krimi ist vorbei. Mein letzter Fall, in dem ich verabschiedet werde, läuft jetzt irgendwann im Herbst. Ich habe diese Rolle drei Jahre gerne gespielt. Im Kern war das Ganze für mich immer eine Mutter-Tochter-Geschichte. Diesen Aspekt empfand ich nun als auserzählt, weshalb ich auf Usedom freiwillig die Segel strich. Die anderen Rollen, von denen Sie sprechen, sind sehr unterschiedlich. "Carneval" ist ein Thriller, "Sarah Kohr" die Reise einer einsamen Heldin und die Filme mit Sebastian Bezzel sind lakonische Provinzkomödien. Gerade läuft ja unser "Sauerkrautkoma" in den bayerischen Kinos.

prisma: Sie versuchen also nicht, vom Krimi-Image wegzukommen?

Lisa Maria Potthoff: Nein, dieser Ansatz ist mir zu krampfig. Ich versuche, interessante Rollen zu finden und zu spielen. Allein das zählt. Natürlich gibt es sehr viele Krimis in Deutschland, aber ich bin nicht wie andere Kollegen frustriert darüber. Man hat innerhalb des Genres mehr Gestaltungsmöglichkeiten, als es auf den ersten Blick scheint.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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