"Der Tag, an dem die Erde stillstand": ein Außerirdischer als Erlöser
Bereits 1951 entstand "Der Tag, an dem die Erde stillstand" und prangerte politische Hexenjagden, Gewalt, Hass und Atomwahn an. Im Remake von 2008 sind Keanu Reeves und Jennifer Connelly in den Hauptrollen zu sehen.
Über Sinn und Unsinn von Remakes lässt sich trefflich streiten. Doch manche Themen sind im Kern so zeitlos, dass es Sinn ergibt, sie an veränderte Sehgewohnheiten anzupassen und zu modernisieren. "Der Tag, an dem die Erde stillstand" ist so ein Fall. Die Welt dreht sich zwar weiter, aber die Menschen werden nicht klüger. Also ist eine erneute Philosophiestunde über das Wesen der Menschheit durchaus angebracht. Mit großem Aufwand produziert und mit Keanu Reeves, Jennifer Connelly und Kathy Bates prominent besetzt, hat sie in der Version 2008 zudem Blockbuster-Qualitäten. Kabel eins zeigt den an Analogien auf die heutige Zeit nicht armen Film nun als Wiederholung zur besten Sendezeit.
Dass die Erde am Abgrund steht, ist zwar den meisten Menschen nicht klar, dafür aber einer außerirdischen Rasse, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Planeten zu schützen. Weil es im Universum nur eine Handvoll solcher Sterne gibt, die komplexes Leben ermöglichen, wie Klatuu (Reeves) begründet. Womit der Botschafter der Außerirdischen auch gleich einen großen Unterschied zum Original herausarbeitet: 1951 ging es um den atomaren Rüstungswahn, von dem sich auch Klatuu bedroht fühlte. 2008 geht es um die Erde selbst und den unverantwortlichen Umgang mit ihr.
Klatuus Ankunft auf der Erde verstärkt diesen Eindruck: Er wird nicht sehr freundlich, aber mit großem militärischen Aufwand begrüßt, sodass sein Leibwächter, ein riesiger Roboter, das schwer bewaffnete Willkommenskommando mit einem Blick aus seinem Strahlenauge lahmlegen muss. Lediglich die Wissenschaftlerin Helen (Jennifer Connelly) hat ein Herz für Klatuu. Sie hilft ihm dann auch zur Flucht aus dem Militärkomplex und wird den außerirdischen Vollstrecker am Ende überreden, Gnade walten zu lassen.
Doch Klatuu ist zunächst gnadenlos in seiner Mission, nicht mehr so lieb wie sein 1951er-Alter Ego. Verdenken kann man's ihm nicht: Ein Verhandlungsangebot verpufft, er wird gehetzt und gejagt wie ein Schwerverbrecher. Selbst Helens zehnjähriger Stiefsohn Jacob (Jaden Smith) will den Besucher aus dem All lieber abknallen. Nur zur Sicherheit, wie er sagt. Doch der Kleine wird es sein, der zusammen mit seiner alleinerziehenden Mutter in einer triefend kitschigen Szene Klatuus Herz erweicht. Weil die Menschen eben doch andere Seiten haben als nur die zerstörerischen.
Das mag glauben, wer will. Aber Regisseur Scott Derrickson legt nun mal den Fokus auf Liebe und Vergebung, in einem Film, der unnötigerweise mit jeder Menge religiösen Bezügen arbeitet: von der Arche, über die Sintflut und einen zerstörerischen Heuschreckenschwarm als Gottes Strafe. Die neo-konservative Interpretation des Stoffes ist nicht nur unnötig, sie negiert auch den klügsten Satz des Films. Der stammt von John Cleese in einem Auftritt als Wissenschaftler: "Die Menschheit kann sich nur dann verändern, wenn sie am Abgrund steht." Das setzt allerdings selbstbestimmtes Handeln voraus, was hier durch Gottes, oder eben Klatuus, Willen ersetzt wird.
Diese Ambiguität schlägt sich auch in den filmischen Mitteln nieder: Es ist schön und im CGI-Zeitalter erfreulich altmodisch, wenn bei der Landung Klatuus vor allem mit Licht, Schatten und Nebel gearbeitet wird – das sind immer noch die besten Stilmittel für einen SciFi-Film, in dem Außerirdische zu Besuch kommen. Doch dabei bleibt es natürlich nicht: "Der Tag, an dem die Erde stillstand" fährt irgendwann doch die gesamte Tricktechnik auf, die das moderne Kino zu bieten hat.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH