Schauspielerin im Interview

Laura de Boer über "Winterherz": "Eigentlich sind im Film alle schuldig"

von Erik Brandt-Höge

Nach Fahrerflucht stirbt ein Jugendlicher an inneren Blutungen. Laura de Boer spielt im ZDF-Film "Winterherz" die Frau des Fahrers, die selbst mit starken Schuldgefühlen umgehen muss. 

Eine Extremsituation folgt der anderen: Im ZDF-Drama "Winterherz" (Montag, 2. Dezember, 20.15 Uhr) spielt die gebürtige Niederländerin Laura de Boer eine Frau, die mit ihren Schuldgefühlen klarkommen muss. In einer eisigen Nacht sitzt sie mit im Auto, als ihr Mann einen Teenager anfährt und an einer Bushaltestelle zurücklässt. Der Junge stirbt an seinen Verletzungen. Ein Gespräch mit der 36-jährigen Schauspielerin über den Dreh, der auch eine brisante Sexszene für sie bereithielt, Spaß und Anstrengung bei der Arbeit und ihr Pendeln zwischen dem niederländischen und dem deutschen Filmgeschäft.

prisma: Laura de Boer, was war das größte Opfer, das Sie bisher für Ihre Schauspielkarriere gebracht haben?

Laura de Boer: Ich sehe nicht wirklich etwas, das ich für meine Karriere opfern musste. Ich habe nebenher irgendwie immer auch leben können. Vielleicht fühlt sich auch nichts als Opfer an, weil ich das, was ich mache, so sehr liebe. Klar, ich habe mal einen Vortrag verpasst, auch mal eine Hochzeit. Aber so richtige Opfer waren das letztlich nicht.

prisma: Was genau lieben Sie denn besonders: die Arbeit an sich? Den Lebensstil, den Sie als Schauspielerin pflegen? Beides?

de Boer: Der Lebensstil ist nichts, was ich liebe. Ich meine: Man ist viel unterwegs, kann schlecht planen, und mit der Familie lässt sich der Job auch nicht so gut vereinbaren. Was ich liebe, ist tatsächlich die Arbeit an sich.

prisma: Sind Sie auch besonders ehrgeizig, was Ihre Arbeit angeht?

de Boer: Ich würde meinen Ehrgeiz als sehr gesund beschreiben. Ich habe zwei Kinder, für die ich sorge, und allein das bewirkt bei mir eine grundsätzliche Bodenständigkeit. Ich sage auch, wenn mir etwas nicht gefällt. Ich nehme nur die Rollen an, die ich wirklich interessant finde und bei denen ich das Gefühl habe, eine Geschichte erzählen zu können, die wichtig ist. So wie "Winterherz".

prisma: In "Winterherz" geht es um einen 17-Jährigen, der von einem angehenden Richter nach einem Disco-Besuch angefahren wird und verstirbt. Sie spielen die Frau des Richters, die genau wie einige andere Figuren in dieser Geschichte irgendwie mit ihrer Schuld klarkommen muss. Welche Gefühle hatten Sie beim ersten Lesen des Drehbuchs?

de Boer: Das Buch hat mich sofort gefesselt. Was ich daran besonders mochte, war, dass jede Figur kämpft – weil sie etwas zu verlieren hat. Oder schon etwas verloren hat. Außerdem ist die Schuldfrage im Film nicht eindeutig zu klären, eigentlich sind alle schuldig. Ich war sofort drin in der Geschichte und in der Not, in der sich alle Figuren befinden. Ihre Not macht ihr Handeln auch so verständlich.

prisma: Für ihren Mann und seinen Job opfert die Frau, die Sie spielen, viel. Für Sie nachvollziehbar?

de Boer: Ich habe schon erst mal gedacht: Was macht sie denn da? Sie braucht ja auch sehr lange, um sich zu entscheiden, das Gute zu tun. Wobei es natürlich nicht nur falsch ist, ihrem Ehemann gegenüber loyal und mit ihm zusammen zu bleiben. Schließlich macht sie das aber krank, weil sie nicht ihrem Gewissen klarkommt. Sie kriegt irgendwann keine Luft mehr, buchstäblich. Nachdem wir diese Szene gedreht haben, hatte ich tatsächlich selbst Atemnot (lacht).

prisma: Was genau haben Sie denn durch "Winterherz" gelernt?

de Boer: Ich war während der Arbeit sehr bei mir. Das lag auch am Regisseur Johannes Fabrick, er lässt es gar nicht anders zu (lacht). Und das Bei-mir-Sein habe ich im Nachhinein auch ein bisschen beibehalten können.

prisma: Sie spielen in "Winteherz" gleich mehrere Extremsituationen, auch eine spezielle Sexszene, in der es nicht nur um den körperlichen Akt geht, sondern auch um eben diesen Kampf der einzelnen Sexpartner. War das für Sie eine Szene wie jede andere?

de Boer: Nein, es war schon krass, das zu spielen. Solche körperlichen Szenen bringen einfach noch mal eine ganz andere Eben mit sich. Sie haben es aber richtig beschrieben: Es geht hier nicht nur um Sex, sondern auch um Schuld und wie man sich davon erlöst. Wir haben versucht, die Sex-Szene genauso in die Erzählung einzubauen wie alle anderen Szenen und damit zu fragen: Warum müssen diese beiden jetzt miteinander schlafen? Die Gedanken, wie sie sich von ihren schlechten Gefühlen befreien könnten, hingen ja schon wie ein Schwert über den beiden.

prisma: Machen solche extremen Szene auch Spaß – oder sind sie einfach nur anstrengend?

de Boer: Beides. Wobei sie mir vor allem Spaß machen. Und ich lerne sehr viel dabei, weil ich mich ja in die Figuren sehr genau hineinversetzen muss, und das macht etwas mit mir.

prisma: Bei all der intensiven Arbeit brauchen Sie sicherlich einen Ausgleich. Es heißt, Ihr Lieblingsurlaubsort sei Ihre Badewanne – stimmt das?

de Boer: (lacht) Das habe ich mal gesagt, ja. Was die Zeit zwischen den Drehs angeht, benötige ich immer eine Vor- und eine Nachbereitung. Ich finde es wichtig, dass ich die Arbeit und die verschiedenen Rollen auch reflektiere. Und ja, da ist die Badewanne ein guter Ort, auch die Sauna. Wobei ich mittlerweile eigentlich lieber Wandern gehe als Ausgleich. Nach "Winterherz" habe ich in den Niederlanden einen genauso intensiven Film gedreht, mit einer genauso krassen Rolle, und danach bin ich zum Wandern nach Portugal gefahren. Ich fand es enorm angenehm, einfach mal in der Natur unterwegs zu sein.

prisma: Sie leben in Berlin, aber dieses Pendeln zwischen dem niederländischen und dem deutschen Filmgeschäft praktizieren Sie schon lange. Ist das nicht auch anstrengend?

de Boer: Nein, das ist vor allem wahnsinnig schön und ein echtes Privileg. Vor "Winterherz" hatte ich eine Weile nichts in meiner Muttersprache gespielt. Ich konnte mich voll auf die deutsche Sprache einlassen und hatte auch das Gefühl, ganz in Deutschland angenommen zu werden. Irgendwann hatte ich aber das große Bedürfnis, wieder auf Niederländisch zu drehen. Ich glaube, ab und zu muss man zu Hause sein, um den Boden wieder zu spüren. Danach kann es dann ja wieder anderswo weitergehen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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