Caroline Erikson

"SOKO Potsdam": Dieses Kommissarin ist anders

von Eric Leimann

Bisher kannten lediglich Berliner Hipster und Cineasten des Berliner Undergrounds die Schauspielerin Caroline Erikson. Nun darf sie ein Millionenpublikum am ZDF-Vorabend verführen.

Schon wieder eine neue SOKO? Gähn. Kaum ein Format steht so sehr für das Fernsehen von gestern wie die bräsigen Vorabendkrimis des ZDF. Weil trotzdem etwa vier Millionen Menschen zuschauen, werden die regionalen und doch so verwechselbaren Vorabendkrimis immer zahlreicher.

Ab Montag, 24. September, 18.00 Uhr, nimmt auch in Potsdam ein Ermittlungsteam die Arbeit auf. Doch, oh Wunder: Diese SOKO ist richtig gut. Ihre Fälle klug, die Dialoge spritzig-witzig und trotz der überschaubar kurzen 45 Minuten folgt man Ermittlern, die mehr einnehmen als die vieler Primetime-Krimis um 20.15 Uhr. Im Mittelpunkt der neuen Serie "SOKO Potsdam": die beiden jungen Schauspielerinnen Caroline Erikson und Katrin Jaehne als Kommissarinnen-Duo, das seit der Kindheit befreundet ist. Schauspielerin Caroline Erikson erklärt einen echten Fernseh-Coup und was er mit ihrem Leben gemacht hat.

Caroline Erikson ruft Hündin Luna zur Ordnung. Eigentlich ist der Vierbeiner, der so heißt wie Eriksons Kommissarin in der SOKO, ja ein braves Tier. Wenn Frauchen allerdings Interviews über Luna – die Rolle – gibt, dazu in einem vollbesetzten Hamburger Café, dann irritiert das den Vierbeiner verständlicherweise ein wenig.

"Der Hund war zuerst da", lacht die 30-jährige Schauspielerin und betont: "Ich ändere den Namen meines Hundes nicht mit jeder neuen Rollenanfrage. Der gleiche Name ist Zufall, sofern es Zufälle überhaupt gibt." Wahrscheinlich war die Luna-Dopplung ebenso unwahrscheinlich wie die Tatsache, dass "Underground"-Schauspielerin Caroline Erikson, die nur Hipster-Spezialisten aus der Berliner Impro-Filmszene kannten, ab sofort den Vorabend im ZDF bereichert. Doch wie kam es dazu?

Das ZDF, so erzählt es Caroline Erikson, wollte mal etwas anderes probieren und eine "Rock'n-Roll-SOKO" produzieren. Der Produzent des neuen Krimis aus Brandenburg hatte Caroline Erikson im Berliner Film-Underground entdeckt, wo sie mit lebensnahen Dramen und Tragikomödien wie "Beat Beat Heart" auffällig geworden war. Man organisierte zwei Casting-Runden für zwei zu besetzende Kommissarinnenrollen. Am Ende setzten sich Erikson und die gleichaltrige, kaum bekanntere Katrin Jaehne durch. Im Film spielt Jaehne die vernünftigere Sophie Pohlmann. Mit Mann und Kind lebt diese in einer stabilen Beziehung. Freundin Luna Kunath (Erikson) hingegen ist die lebensinstabilere, verrücktere, aber auch etwas mutigere der beiden ermittelnden Freundinnen.

Tatsächlich sei es in Wahrheit eher umgekehrt, sagt Erikson, die mit zwei älteren Schwestern, ihrer Mutter – einer Gymnasiallehrerin – und ihrem amerikanischen Vater vor den Toren Hamburgs aufwuchs. Jaehne lebt heute im umtriebigen Kreuzberg, Erikson zog es vor etlichen Jahren ins beschaulichere Weissensee. Die vierbeinige Luna wurde vor Jahren gemeinsam mit dem Exfreund angeschafft. Mittlerweile gibt es nur noch den Hund. "Ich gehe lieber ne Runde Gassi, als die ganze Nacht im Berghain abzufeiern. Ich tanze und feiere, wenn überhaupt, lieber im kleinen Kreis mit Freunden als in der Anonymität der Großstadtclubs", sagt sie.

Neugierig ist Caroline Erikson dennoch. Zugewandt und freundlich zudem – ihre amerikanische Seite sei das, sagt sie. Der Vater lebt seit langem wieder in Amerika, sie besucht ihn mindestens einmal pro Jahr. Auch über einen Umzug habe sie in jüngeren Jahren immer wieder nachgedacht, doch sie schätzt das verbindlichere, soziale Europa sehr. Das habe sie während ihrer längeren USA-Aufenthalte immer mehr festgestellt.

Die zunächst mal nur im Drehbuch behauptete Freundschaft zu ihrer Kollegin stellte sich – nachdem die Rollenbesetzung feststand – auch im wirklichen Leben schnell ein, erzählt Erikson. "Es ging alles rasend schnell. Unser beider Leben veränderte sich binnen kürzester Zeit. Zwei Wochen nach der Casting-Entscheidung begannen die Dreharbeiten. Wir mussten unser altes Leben umorganisieren. Da wir beide in Berlin leben, pendelten wir anfangs jeden Tag zusammen anderthalb Stunden nach Potsdam. Dabei sind wir uns schnell sehr nahe gekommen. Mittlerweile sind wir tatsächlich gute Freundinnen."

Tatsächlich machen es die Drehbücher des jungen, sehr beachtlichen Autorenteams Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad, die sich knuffig die "Haribos" nennen, den Schauspielerinnen leicht, ihre Rollen zu mögen. Sehr liebevoll und detailreich, vor allem wenn man die Kürze der einzelnen Episoden als Maßstab nimmt, wird das Ermittler-Team und seine Beziehungen gezeichnet. Sehr überrascht sieht man "echte Menschen" am Vorabend – auch wenn ihre Dialoge mit deutlich mehr Esprit als der Alltag daherkommen. Ein Esprit, der allerdings auch das Niveau sonstiger Vorabendprogramme und vieler Hauptabend-Filme deutlich toppt.

Andererseits, und das ist die hohe Kunst dieses Krimis, sind die meist mit Handkamera gedrehten Potsdam-Folgen nie so verstörend oder abgedreht, dass ein ans Klassische gewöhnte Publikum das Programm ablehnen könnte. Nach sechs ersten Folgen, die fertiggestellt wurden, könnte die Überraschungs-SOKO aus Potsdam also weitergehen.

Erste Rolle in "Die Pfefferkörner"

Für Caroline Erikson wäre dies ein weiterer, unerwarteter Wendepunkt in ihrem Leben, das lange eine uneindeutige Beziehung zur Schauspielerei aufwies. Mit elf Jahren spielte Erikson in der Serie "Die Pfefferkörner" ihre erste Kinderrolle. Die Geschichte dahinter ist durchaus rührend. Weil Erikson und ihre beiden Schwestern mitbekommen hatten, das die Eltern zeitweilige Geldsorgen plagten, hatten die Töchter den Plan entwickelt, heimlich ihr Taschengeld zusammenzulegen, mit dem Zug nach Hamburg zu fahren und sich bei einer Kinder-Schauspielagentur zu bewerben.

Der Plan wurde umgesetzt, doch nur Caroline, die jüngste der Schwestern, bekam eine Rolle. Aus ihr wurden bald regelmäßige Engagements, die das brünette Mädchen jedoch nicht glücklich machten: "Ich schämte mich in der Schule, wenn etwas von mir im Fernsehen lief. Ich erzählte es auch gar nicht, denn ich wollte keine Sonderstellung. Ich wollte nur dazugehören, nicht herausstechen. Die Dreharbeiten haben mir schon immer viel Spaß gemacht, aber die Lästereien, die damals mit der Ausstrahlung einhergingen, waren sehr hart für mich. Daher suchte ich nach der Schulzeit erstmal Abstand zum Schauspiel und entschied mich für ein Psychologiestudium."

Nach dem Abitur ging Caroline Erikson nach Afrika, absolvierte ein Praktikum in der Entwicklungshilfe, probierte anschließend das Leben bei ihrem Vater in Nord-Kalifornien aus und bewarb sich schließlich für ein Psychologiestudium in Deutschland. Über Hildesheim und Hamburg führte sie dieses nach Berlin. Hier lebte sie eine Weile zweigleisig – als Studentin und Schauspielerin. Beim Studium steht mittlerweile nur noch die Bachelor-Arbeit dem Abschluss entgegen. Durch die SOKO könnte er sich jedoch noch eine Weile hinziehen.

"Ich hätte wahrscheinlich in keine andere SOKO reingepasst", zieht Caroline Erikson ein erstes Fazit ihrer unerwarteten und überraschend hochwertigen Vorabendkarriere. "Mir ist es wichtig, dass Schauspiel mutig und authentisch ist, die Figuren sich nicht in eine Schublade stecken lassen, sondern etwas Unberechenbares behalten. Und ich glaube, dass so etwas auch im deutschen Fernsehen geht oder gehen muss." Jetzt muss Luna, der Hund, auch mal wieder Gassi. Lange genug hat er nun die Gespräche über Luna, die Kommissarin, verfolgt. Manche Zufälle sind tatsächlich seltsamer als das ausgedachte Leben im Fernsehen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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