"Dein Name sei Harbinger"

Tatort-Kritik: Darum hat sich das Einschalten gelohnt

von Wilfried Geldner
Wir stellen Ihnen im Folgenden die Teams der ARD-Krimireihe "Tatort" vor.
BILDERGALERIE
Wir stellen Ihnen im Folgenden die Teams der ARD-Krimireihe "Tatort" vor.  Fotoquelle: WDR/Markus Tedeskino

Sechster Fall für die Berliner Kommissare Rubin und Karow (Meret Becker und Mark Waschke). Im Untergrund wütet ein Psychopath, und in einer Kinderwunschklinik werden fremde Eizellen befruchtet. Nicht ganz realistisch, aber durchwegs spannend.

Ein Psychopath treibt sein Unwesen im Berliner Untergrund. Die Ermittlungen führen allesamt in eine Kinderwunschklinik. Ein seltsamer Fall für die Hauptstadtkommissare Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker). Aber auch ein mitreißender. Wir verraten, warum sich das Einschalten gelohnt hat.

Was war los?

Ein Mensch namens Harbinger (Christoph Bach) betrieb im U-Bahn-Untergrund einen seltsamen Schlüsseldienst. Harbinger führte penibel Namenslisten, die offensichtlich seine Opfer bezeichnen. Künftige Opfer spürte er aus, beschrieb ihre Lebensgewohnheiten, ihr Aussehen. Er glaubte, im Auftrag eines Außerirdischen zu handeln. Ein Psychopath, der das Zeug zum Serienmörder hat! Zeitgleich wurde eine verkohlte Leiche in einem ausgebrannten Transporter entdeckt. Man fand heraus, dass es bereits drei ähnliche Fälle gab. Alle Opfer wurden in einer Kinderwunschklinik künstlich erzeugt. Und: Harbinger, ein religiöser Eiferer, hatte vor jahren einen Bombenanschlag auf die Leiterin der Klinik verübt.

Wie realistisch ging es zu?

Unschwer zu erraten, dass der Schwerpunkt hier nicht in der äußersten Realitätsnähe lag. Künstliche Befruchtungen sind bekanntlich in Deutschland erlaubt, allerdings sind Eizellentransplantate unbekannter Spenderinnen nach wie vor verboten. Zwei lesbische Frauen, die Direktorin der Kinderwunschklinik und deren Laborantin, setzten sich darüber hinweg, spendeten eigene gesunde Eizellen und wurden so angeblich zu Ikonen der Frauenemanzipation. Ein Grund zum Serienmord ist das allerdings kaum, auch wenn der Sohn der Lesben, gleichfalls im Reagenzglas gezeugt und jetzt Leiter der Klinik, keine Replikanten oder "Halbbrüder" neben sich dulden wollte.

Ergab die Story Sinn?

Leider nur zum Teil. Dass zwei Frauen, Ärztin und Laborantin, auf illegalem Wege unfruchtbaren Frauen durch die Implantation eigener Eizellen Patientinnen zur Erfüllung ihres Kinderwusches verhelfen, mag befremdlich sein, wenn die betreffenden Frauen ahnungslos sind. Doch im Zuge der Gleichberechtigung ist eine Gleichstellung von Samen- und Eizellenspendern fällig. Der Satz: "Sie haben lieber Gott gespielt", den die Kommissarin Rubin an zentraler Stelle formuliert, ist vor allem dem Thrillerhaften dieses "Tatorts" geschuldet.

Wie waren die Ermittler in Form?

Langeweile war hier zweifellos ein Fremdwort. Meret Becker trug als Nina Rubin den ganzen Film über einen Cut über dem Auge. Der stand ihr gut und passte zu ihrem leicht verpeilten Wesen. Waschke begab sich als Kommissar Karow mit Absicht in die Hände des Wahnsinnigen, um ihn als Serienmörder zu überführen. Äußerst unwahrscheinlich, aber immer mitreißend. Und die zur Kommissarsanwärterin aufgerückte Anna Feil (Carolyn Genzkow) ist eine perfekte Ergänzung – schlau und schnell.

Der Täter war früh bekannt. Wie kam es, dass es trotzdem spannend blieb?

Christoph Bach spielte den Harbinger glaubhaft als gefährlichen Psychopathen. Mal machte er den guten Geist und half anderen ganz spontan, dann aber führte er seine Mordlisten penibel wie ein Beamter und hakte Namen ab. Stalker, Weltverbesserer und Agent eines Außerirdischen – sehr stark. Zudem war er, wie sich herausstellte, die Marionette in den Händen eines anderen.

Wie sehr spielte der Schauplatz Berlin in diesem "Tatort" mit?

Die Untergrund-Bilder und die ständigen Verfolgungsjagden waren vom Regisseur Florian Baxmeyer mitreißend inszeniert. Die Außenaufnahmen vom Alex bis zum "Bierpinsel" in Steglitz hätten für ein gutes Dutzend Berlin-Filme gereicht. Das Tempo war hoch, und wenn sich der Dialog mal vergriff oder die Handlung ins Schlingern kam, halfen die Breitwand-Optik, der gut gesetzte Sound und die zielgenau eingesetzte Musik.

Die beste Szene?

Als Waschke in einer großen, leeren Werkshalle in der Badewanne saß und der Verrückte ihn damit bedrohte, dass er nicht nur die ihm anhaftetende Elektronik im Laugenbad vernichten wolle, sondern am Ende auch ihn selbst – er müsse die Brühe trinken. Auch die Erkenntnis, dass Meret Becker in der Hocke über eine U-Bahn-Sperre springen kann, war schon erstaunlich.

Wie gut war der "Tatort"?

Einge gewisse Realitätsferne wurde wettgemacht durch fabelhaften Thrill, beherztes Schauspiel und bebende Berlin-Bilder. Wir vergeben eine glatte Zwei.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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