Francis Fulton-Smith

"Ich würde nicht mein eigener Patient sein wollen"

von Anke Waschneck

Francis Fulton-Smith verrät nicht nur, was die Fans in der 100. Folge von "Familie Dr. Kleist" erwartet, sondern auch seine Einschätzung, warum die Zuschauer immer noch an der Serie interessiert sind.

Kurz bleibt es still, doch dann weiß Francis Fulton-Smith genau, was er sagen möchte. So bedacht und sortiert er auf Fragen zum Gesundheitssystem und Arztfälle antwortet, so locker plaudert der Schauspieler über den morgendlichen Kaffee und seine Social-Media Präsenz. Genau wie seine Figur des Christian Kleist, die er seit 2004 in der ARD-Serie "Familie Dr. Kleist" spielt, ist der Star im Gespräch nahbar und sympathisch. In der achten Staffel, die am 23. Oktober startet (dienstags, 18.50 Uhr, in der ARD) feiert der Schauspieler mit der Serie sogar ein Jubiläum: Dann ist die 100. Folge ist am Dienstag, 6. November, zu sehen. Der 52-Jährige verrät, was den Zuschauer Besonderes erwartet und warum die Gesellschaft das Gesundheitssystem dringend überdenken sollte.

prisma: Die achte Staffel von "Familie Dr. Kleist" steht vor der Tür. Was erwartet die Zuschauer?

Francis Fulton-Smith: Wir haben wieder eine Menge spannender Arztgeschichten auf Lager, die sich um die wunderbare Chaos-Familie Kleist drehen. Auch tolle Gaststars konnten wir für die Staffel gewinnen. Die Kleist'schen Kinder sind jetzt in der Pubertät, und wie man so schön sagt: kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen. (lacht) Es wird viele schöne Irrungen und Wirrungen geben, und man sieht, wie die Eltern mal mehr und mal weniger souverän mit den Anwandlungen ihrer Sprösslinge umgehen.

prisma: Können Sie schon etwas zur 100. Folge verraten?

Fulton-Smith: Wir haben uns etwas ganz Besonderes einfallen lassen, und die Dreharbeiten waren extrem spannend. Es wird zu einem Busunglück kommen. So eine Ausnahmesituation gab es bei "Familie Dr. Kleist" noch nicht. Wir können mit Recht stolz darauf sein, in einem Format mitzuwirken, das die 100. Folge erlebt. Es gibt nicht viele Serien, die das geschafft haben. Insofern ist das ein ganz wunderbarere Beweis dafür, dass wir eins der Flaggschiffe im Ersten sind.

prisma: Wie erklären Sie sich das anhaltende Interesse?

Fulton-Smith: Wie der Titel schon sagt, ist unsere Serie eine Mischung aus Familiengeschichten und Arztfällen. Das Ganze ist auf einem hohen Niveau umgesetzt. Außerdem ist es ein Gegensatz zu den Krimireihen, wo es naturgemäß rauer zugeht. Ich höre immer wieder von ganz unterschiedlichen Menschen, dass es ihnen guttut, nach Hause zu kommen und die heile Welt zu sehen – denn die ist bei uns programmtechnisch gefordert. Es muss immer die Sonne scheinen, und wir haben am Ende auch immer ein positives Lebenskonzept trotz aller Höhen und Tiefen.

prisma: Machen Sie sich auch privat Gedanken über die Arztfälle?

Fulton-Smith: Sie meinen als Dr. Kleist? Ja, das passiert oft, weil die Fälle sich meist jenseits eines Schnupfens bewegen. Dann kann man in der Reflexion bei sich selbst oder der Familie drei Kreuze machen und dankbar sein, dass es einem gut geht. Es war eine Neuerung in den letzten beiden Staffeln, dass wir zwei oder drei Fälle parallel erzählen. Das macht es spannender und bunter. Das Interessante ist, herauszufinden, wie Dr. Kleist und seine Mitstreiter die Lösung erspüren und erarbeiten. Manchmal hadern sie, manchmal scheitern sie beinahe.

prisma: Könnten Sie sich vorstellen, wirklich als Arzt zu arbeiten?

Fulton-Smith: Nein. Ich habe größten Respekt vor den Einsatzkräften, vor den Polizisten, den Ärzten und dem Technischen Hilfswerk. Ich würde an der Stelle auch nicht mein eigener Patient sein wollen. Es ist fantastisch, dass man Menschen auf der Straße hat, die selbstlos arbeiten und Menschen retten. Jeder, der in eine Notsituation kommt, wünscht sich kompetentes Fachpersonal.

prisma: Dr. Kleist hat viel Zeit für seine Patienten. Ist das etwas, das in unserem Gesundheitssystem fehlt?

Fulton-Smith: Es ist schön, dass Christian Kleist so viel Zeit hat, aber die Serie ist leider nicht immer ein Abbild der Realität. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft darüber nachdenkt, wie man mit dem Gesundheitssystem umgeht. Ich sehe es als große Gefahr, dass Personal abgebaut wird und weniger Zeit für den Patienten bleibt. Neulich habe ich erfahren, dass das Reinigungspersonal im Krankenhaus theoretisch nur 30 Sekunden Zeit hat, ein Zimmer zu säubern. Das wird natürlich überschritten. Vielleicht sollte man auch mal ein solches kritisches Thema bei "Familie Dr. Kleist" ansprechen.

prisma: Ist Eisenach denn schon eine zweite Heimat für Sie?

Fulton-Smith: Es wäre fatal, das zu verneinen (lacht). Ich verbringe sehr viel Zeit dort und habe auch schon sehr wertvolle Freundschaften gewonnen. Mein Lebensmittelpunkt ist trotzdem in München.

prisma: Jeder verändert sich über die Jahre. Hat sich Ihre Rolle mit Ihnen gewandelt?

Fulton-Smith: Ja. Es gibt immer einen regen Austausch mit den Produzenten und Drehbuchautoren. Wir geben uns größte Mühe, mit der Zeit zu gehen, modern zu sein und zeitgemäße Konflikte zu thematisieren. Wenn die Menschen, die in den Rollen stecken, älter werden, verändern sich auch ihre Sichtweisen. Das versuchen wir einfließen zu lassen. Gleichwohl gibt es bestimmte Parameter an der Figur Kleist, die einfach immer gleich sein müssen. Darauf verlassen sich die Zuschauer.

prisma: Sie spielen Christian Kleist nun schon seit 2004. Wie schafft man es, dass eine Rolle so lange spannend bleibt?

Fulton-Smith: Für den Zuschauer sieht es so aus, als würde ich zu 90 Prozent der Zeit "Familie Dr. Kleist" drehen, weil wir so oft wiederholt werden. Aber ich habe sehr wohl Zeit für andere Drehprojekte. Es ist wichtig, auch andere Farben, Rollen und Blickwinkel zu entdecken. Wenn ich dann wieder Christian Kleist spiele, ist es eher, als würde man einen alten Bekannten begrüßen und nach Hause kommen. Aber für die Zuschauer ist es interessant, ihre Lieblingsschauspieler auch in anderen Rollen zu sehen.

prisma: Finden Sie es gut, dass die Serie so oft wiederholt wird?

Fulton-Smith: Das ist eine große Diskussion, zu der wir die richtige Antwort noch nicht wissen. Einige sagen, es ist gut, wenn man so präsent ist im Fernsehen. Ich persönlich weiß nicht, ob das stimmt. Vor allem vor einem Neustart könnte man meiner Meinung nach eine Pause einlegen, dann wäre es spannender.

prisma: Wären Sie einer Großfamilie wie der von Christian Kleist gewachsen?

Fulton-Smith: Als ich klein war, hat meine Urgroßmutter noch gelebt. Ich komme aus einem Familienverband. So etwas gibt es aber heute nicht mehr oft. Während der ersten Staffeln habe ich immer gesagt, die Familie sei die Keimzelle und die kleinste Zelle der Gesellschaft. Inzwischen hat sich die Familie so entwickelt, dass es öfter Patchwork gibt. Dieses Modell macht Großfamilie wieder denkbar, machbar und lebbar. Wichtig ist, dass man Werte vermittelt. Und das ist keine Einbahnstraße, das gilt für die Kinder genauso wie die älteren Menschen, und so lange das möglich ist, wird sich die Gesellschaft produktiv und positiv entwickeln.

prisma: Schauen Ihre Kinder schon die Serien und Filme an?

Fulton-Smith: Selbstverständlich. Zwar in Maßen, aber "Familie Dr. Kleist" gefällt ihnen sehr gut. Die kleinen Kinder der Kleist'schen Familie, und ihre Probleme finden bei meinen Kindern große Resonanz. Meine Mutter würde dann wieder eine andere Figur finden, mit der sie sich identifizieren kann. Ich glaube, das ist das Geheimnis, um spannend und ansprechend zu bleiben. Wir haben so viele unterschiedliche Sichtweisen, und für jedes Alter ist etwas dabei.

prisma: Inge gibt bei "Familie Dr. Kleist" Social-Media-Kurse. Können Sie noch ohne Facebook und Co.?

Fulton-Smith: Ganz ohne geht es natürlich nicht mehr, aber ich bin auch kein Freund davon, sich zum Büttel der Sozialen Medien zu machen. Wie man sie nutzt, hängt immer davon ab, was man sich davon erwartet. Bei mir schwankt es sehr, ob ich viel poste oder ob ich wenig poste. Gerade, wenn man ein Projekt promoten möchte, finde ich es sehr sinnvoll, sich auf Sozialen Netzwerken zu betätigen, weil es dafür einfach eine gute Plattform ist.

prisma: Gibt es Tage, an denen Sie auf der Straße lieber nicht erkannt werden wollen?

Fulton-Smith: Wenn man mit Öffentlichkeit ein Problem hat, sollte man vielleicht auch nicht rausgehen. Gerade, wenn man zu Festen geht oder an öffentliche Orte und erkannt wird, muss man damit rechnen, dass man sich Zeit für die Leute nehmen muss. Das kann auch sehr erfrischend sein, und man bekommt auf eine sehr direkte Weise Feedback der Zuschauer.


Quelle: teleschau – der Mediendienst