ARD-Film

"Was wir wussten – Risiko Pille": Drama beruht auf realem Skandal

von Eric Leimann

2009 brachten Pharmakonzerne eine neue Anti-Baby-Pille auf den Markt, ohne im Beipackzettel vor dem deutlich erhöhten Thrombose-Risiko zu warnen. Das Drama "Was wir wussten – Risiko Pille" beruht auf diesem realen Skandal.

ARD
Was wir wussten – Risiko Pille
Drama • 23.10.2019 • 20:15 Uhr

"Wie kommen Risiko-Präparate auf den Markt, und was geht in denen Leuten vor, die für die Markteinführung verantwortlich sind?" Diese Frage stellten sich das unter anderem mit dem Grimmepreis ausgezeichnete Drehbuch-Ehepaar Eva und Volker A. Zahn ("Mobbing", "Das Leben danach"). Ihr neues Pharma-Drama erzählt einen etwa zehn Jahre alten Skandal um eine neuartige Anti-Babypille, die als Lifestyle-Produkt verkauft wurde, aber ein signifikant erhöhtes Thrombose-Risiko aufwies. Es erzählt die Zeit direkt vor dessen Markteinführung aus dem inneren Zirkel seiner Entwickler und Vermarkter heraus.

Der Arzt Carsten (Stephan Kampwirth) hat sich bei der Pharma-Industrie verdingt. Gerade arbeitet er mit einer Gruppe unter Chefin Sabine (Nina Kronjäger) an der fieberhaften Einführung des Produktes, das sich mit "Nebenwirkungen" wie schöner Haut, schlanker Figur und größeren Brüsten an eine sehr junge Zielgruppe wendet. Mit Sabine, einem eiskalten Business-Engel, verbindet Carsten seit längerem eine Affäre. Drei weitere Mitarbeiter hat die Task Force zu bieten: Junge-Leute-Versteher Karim (Cem-Ali Gültekin), Marketing-Spezialistin Nadine (Luise Wolfram) und den aufgeschwemmt unglücklichen Nebenwirkungs-Experten Heiko (Oliver Fleischer). Sie alle dienen unter dem skrupellosen Pillen-Obermufti Holger Schmitz-Wessel (Thomas Heinze).

Die stressige Einführung der neuen Pille wird zusätzlich von Turbulenzen in Carstens Privatleben belastet. Als seine Frau (Valery Tscheplanowa) den Vater zweier halbwüchsiger Töchter zur Rede stellt, kommt es zur Trennung. Carsten muss Werte und Gefühlsleben neu sortieren. Als er mit Sabine auf einem Kongress in Kopenhagen erfährt, dass ihre Pillen der neuen Generation zu schweren Gesundheitsschäden führen könnten, will er zum Schutze der Patienten das Präparat neu überprüfen. Doch die Task Force, eine Art Hateful-Five der Pharmaindustrie, kennt keine Gnade: Das Produkt muss unbedingt und möglichst schnell auf den Markt. Nun muss sich Carsten entscheiden: Schwimmt er mit im Flusse der Verdammnis, oder gibt er den Helden und hält das gefährliche Treiben auf?

Ein kluger Kniff des Drehbuchs: Um die sehr junge Zielgruppe zu erreichen, will Mitarbeiter Karim reichweitenstarke Influencer mit ins Kampagnen-Boot holen. Gespielt werden die Zwillinge Mimi und Maja von den echten Social Media-Schwestern Lisa und Lena Mantler, die mit Videos auf der Teen-Plattform musical.ly (heute TikTok) groß wurden und heute bei Instagram aktiv sind – was über 14 Millionen Abonnenten interessiert. Für die aufgeweckten 17-Jährigen aus der schwäbischen Provinz ist es die erste Filmrolle, weitere sollen folgen.

"Was wir wussten – Risiko Pille" ist dagegen ein bisweilen arg konventionell gestricktes Skandal-Drama, das seine Geschichte und Botschaft etwas zu sehr mit dem Holzhammer unter die Leute bringt. Allerdings sensibilisiert der Film von Regisseurin Isa Prahl ("1000 Arten, Regen zu beschreiben") weiter für die Erkenntnis, dass globaler Kommerz wenig Raum für Ethik lässt, was sich im Falle gefährlicher Medikamente besonders perfide auswirkt. Die wahren Pharma-Drahtzieher hinter den gefährlichen Produkten wirken privat wahrscheinlich weitaus "netter" oder zumindest ambivalenter als die bösen Fünf im ARD-Film. Könnte man das Böse so leicht zu dechiffrieren wie im Drehbuch dieses ARD-Mittwochsfilms, wäre die Welt ein weitaus einfacher zu begreifender Ort – und somit wahrscheinlich sicherer.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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