Journalistin im Interview

Sandra Maischberger: "Ich bezeichne das manchmal als Hochleistungssport"

03.05.2022, 08.54 Uhr
von Stephan Braun
Sandra Maischberger geht ab Mai zweimal wöchentlich auf Sendung.
Sandra Maischberger geht ab Mai zweimal wöchentlich auf Sendung.  Fotoquelle: WDR/ Thomas Kierok

Ihre Karriere begann im Radio, als blutjunge Journalistin sammelte Sandra Maischberger dann u.a. an der Seite von Erich Böhme bei "Talk im Turm" erste TV-Erfahrung. Heute moderiert sie eine der erfolgreichsten Talkshows im deutschen Fernsehen. "Ich fühle mich wohler beim Fragenstellen als beim Antwortgeben", sagt sie. Für das große prisma-Interview hat Sandra Maischberger dennoch eine Ausnahme gemacht.

Sie möchten das Interview, das im Rahmen unseres prisma-Podcasts "Hallo!" entstanden ist, lieber hören als lesen? Kein Problem: überalls wo es Podcasts gibt oder unter prisma.de/podcast.

Sandra Maischberger im Gespräch mit prisma-Chefredakteur Stephan Braun:

Braun: Liebe Sandra Maischberger, ich bin gespannt, wie Sie sich unseren Lesern vorstellen.

Maischberger: Mein Name ist Sandra Maischberger, ich bin als Journalistin zufällig ins Fernsehen gekommen, und könnte mir keinen besseren Beruf vorstellen als den, den ich habe.

Braun: Es ist sehr interessant, dass Sie sich als Journalistin und nicht als Moderatorin betiteln.

Maischberger: Natürlich sehen die Leute, dass ich eine Fernsehsendung moderiere. Aber das wäre ohne meine journalistische Ausbildung ja gar nicht möglich. Ohne dieses Handwerk würde ich keine Frage geradeaus stellen können.

Braun: Arbeiten Sie eigentlich hart an sich?

Maischberger: Ich arbeite hart an dem, was ich tue. Natürlich versuchen mein Team und ich immer die Sendung bestmöglich zu besetzen, die bestmöglichen Fragen zu stellen und das bestmögliche Timing zu haben. Ich bezeichne das manchmal als Hochleistungssport, den wir da betreiben, mit dem Ziel, jede Woche die beste Sendung aller Zeiten auf die Beine zu stellen.

Braun: Wer ist Ihr größter Kritiker?

Maischberger: Wahrscheinlich ist meine Mutter meine größte Kritikerin.

Braun: Schaut sie Ihre Sendungen bis tief in die Nacht?

Maischberger: Ja, sie bleibt meistens wach, manchmal schaut sie meine Sendung aber auch in der ARD-Mediathek.

Braun: Und nochmal bitte zurück zur Kritik.

Maischberger: Mein ganzes Umfeld ist kritisch mit mir. Und das brauche ich auch. Ich habe niemanden um mich herum, der mir ein Kompliment ausspricht, nur weil er glaubt, mir damit einen Gefallen damit zu tun. Die meisten wissen auch, dass ich auf Komplimente eher allergisch reagiere. Deshalb schätze ich ihr kritisches Feedback.

Braun: Ihre journalistischen Anfänge hatten Sie Mitte der 80er im Radio. Mit Ihrem Podcast trauen Sie sich wieder an ein Audioformat. Was reizt Sie daran so sehr?

Maischberger: Am Radio und anderen Audioformaten gefällt mir besonders die Nähe zu den Gästen. Radio ist in gewisser Hinsicht viel intensiver, es fehlt dieser ganze Schnickschnack drumherum: keine Lichter, keine Bühne, kein Make-up – also alles das, was einen sozusagen etwas künstlicher machen könnte, gibt es da nicht. Das finde ich angenehm. Im Übrigen höre ich auch sehr viel Radio. Ohne den Deutschlandfunk würde ich z.B. überhaupt nicht wissen, wie die Welt tickt.

Braun: Nochmal zu Ihren Anfängen: Wie waren denn die ersten Momente damals beim Radio für Sie persönlich, als Sie ganz plötzlich "on Air" waren und jeder Sie hören konnte?

Maischberger: Sehr schräg. Da ist erst einmal die Konfrontation mit der eigenen Stimme. Ich erinnere genau, wie ich das erste Mal meine Stimme hörte und dachte: Ok, muss ich jetzt damit leben? Dann die ganze Technik – Plattenspieler, Mikrophon, Tonbandgeräte - heute kennen wir so etwas nur noch aus dem Museum. Wenn ich meinem Sohn das alles zeigen würde, würde er wohl hintenüberkippen. Wir haben ja damals tatsächlich Schallplatten aufgelegt und die Sendung "selbst gefahren". Natürlich war die Produktion damals noch um einiges aufwendiger als heute, aber es hat großen Spaß gemacht.

Braun: Und gelegentlich lief auch mal was schief.

Maischberger: Oh ja, permanent. Da waren Schallplatten, die runtergefallen sind oder Musik, die nicht gestartet ist. Sehr spannend fand ich die Morgenstrecke, also quasi die Prime Time des Radios von sechs bis neun Uhr morgens. Dann fahren die Leute zur Arbeit oder putzen sich gerade die Zähne und hören dabei eine Mischung aus Musik, Information und Nachrichten.

Braun: Hat Sie das mit Stolz erfüllt, dass man mit Ihnen quasi aufgewacht und zur Arbeit gefahren ist?

Maischberger: Da habe ich ehrlich gesagt gar nicht so drüber nachgedacht. Ich war eher darauf fokussiert, dass mir die Arbeit Spaß macht und habe mir weniger Gedanken darüber gemacht, wie es draußen ankommt. Aber wenn mein Heimatort Garching bei München in den Verkehrsnachrichten vorkam, habe ich das immer extra betont ausgesprochen – als Gruß nach Hause….

Braun: Ihr Podcast hat zurzeit Pause. Bislang war es da jedenfalls so, dass Sie ihren Gästen zu Beginn stets die gleichen drei Fragen stellen. Die letzte Staffel stand ganz im Zeichen der Macht. Meine nächste Frage sollte Ihnen also bekannt vorkommen: Wer ist die mächtigste Person in Ihrem Leben?

Maischberger: Das stimmt, Macht ist, wie ich finde, ein sehr spannendes Thema. Die mächtigsten Menschen in meinem Leben sind mein Mann und mein Sohn. Indem man sich auf eine Beziehung einlässt, hört man schon auf, nur den eigenen Kopf durchzusetzen und wenn man ein Kind bekommt, hört man auf, die eigenen 24 Stunden selbst zu gestalten.

Braun: Mit einem Podcast trauen Sie sich auch wieder an ein Audioformat. Back to the roots also?

Maischberger: Ja, so könnte man das tatsächlich sagen, ich mochte das Projekt sehr. Durch die Planung einer zweiten Fernsehsendung in der Woche bleibt leider momentan wenig Zeit für meinen Podcast. Einige Ideen für eine weitere Staffel haben wir aber auf jeden Fall.Kommt Zeit, kommt Podcast!

Braun: Interviewen Sie also lieber, als dass Sie interviewt werden?

Maischberger: Absolut, ich fühle mich wohler beim Fragenstellen als beim Antwortgeben. Als jemand, der sich regelmäßig mit Menschen trifft, die wirklich interessant sind, denke ich mir immer: Journalisten leben von dem, was man ihnen erzählt und wer ihnen gegenübersitzt. Vor allem trifft das auf uns Fernsehjournalisten zu, die aus einem Studio heraus arbeiten.

Braun: Nochmal zum Thema Macht: Genau das macht Sie aber auch mächtig, vor allem als jemand der die Kontroverse liebt. Es ist auch eine Art von Macht, zu bestimmen, wen Sie da abends im Fernsehen zeigen möchten.

Maischberger: Das stimmt. Ich habe eine Art Lautsprecher, und das ist unsere Fernsehsendung. Die Kontroverse ist dabei gar nicht so sehr das Ziel. Vielmehr geht es darum, dass man einen Sachverhalt von mehr als nur einer Seite sieht. Die eigentliche Macht und die eigentliche Verantwortung, die wir haben, liegt wohl in der Auswahl der Gäste und Themen. Welches Thema ist wichtiger als das andere? Wer hat wirklich etwas zu sagen? Das ist eine große Verantwortung und wir machen uns unfassbar viele Gedanken dazu.

Braun: Und aus diesem Grund haben Sie sich nun für einen zweiten Sendetermin in der Woche entschieden?

Maischberger: Genauso ist es. Das gibt uns Zeit für mehr Menschen und Geschichten.

Braun: Seit 2019 heißt Ihre Sendung "maischberger. die woche". In ihrem neuen Format ab Mai wird die Sendung dienstags und mittwochs um 22:50 in der ARD ausgestrahlt. Der Zusatz "Die Woche" fällt weg. Was wird sonst noch anders?

Maischberger: Richtig, mit der Neuerung wird die Sendung nur noch "maischberger" heißen. Bislang sind wir sehr erfolgreich mit unserem Konzept am Mittwoch. Unser Ziel ist es ja grundsätzlich, nicht nur ein großes Thema wie den Krieg oder Corona zu behandeln, also nicht nur monothematisch zu sein. Im Idealfall haben wir mehrere Themen und mehrere Formen dazu: ein Einzelgespräch, ein Duell oder Duett und unser Panel, bei dem ausdrücklich auch Kommentare erwünscht sind. Das kommt sehr gut an. Deshalb probieren wir das jetzt zweimal in der Woche.

Braun: Und wenn es an zwei Tagen nicht gelingt?

Maischberger: Dann passen wir es an. Aber der bisherige Baukasten mit unseren verschiedenen Gesprächsformen soll bleiben. Die Gewichtung der einzelnen Elemente müssen wir testen. Ich freue mich jetzt aber erstmal sehr darauf, an zwei Tagen senden zu können. Gerade in dieser Zeit, in der ja so viel passiert. Themen haben wir also mehr als genug.

Braun: Wie bereiten Sie ihre Sendungen vor?

Maischberger: Natürlich habe ich für meine Gespräche nur begrenzt Zeit, daher ist es wichtig, die Uhr nicht aus den Augen zu lassen und thematisch nicht abzudriften. Eine gute Struktur ist essenziell.

Braun: Das müssen Sie jetzt an zwei aufeinanderfolgenden Tagen für zwei Sendungen tun.

Maischberger: Das können wir und ich bin es auch gewohnt.

Braun: Ok, anders gefragt: Wie viel Sandra Maischberger steckt in Ihrer Sendung?

Maischberger: Wir sind ein total demokratisches Team. Grundsätzlich kann ich mir natürlich wünschen, was ich will. Ich muss es aber gut begründen. Wenn ich das kann, komme ich damit im Team auch durch, genauso wie jede und jeder andere aus dem Team aber auch. Vielleicht habe ich eine Art Veto, aber davon mache so gut wie nie Gebrauch. Ich lasse mich gerne überzeugen.

Braun: Ist Karl Lauterbach in der Statistik Ihrer häufigsten Gäste auch weit vorne?

Maischberger: Ja, das war er natürlich, weil er eine einzigartige Kombination aus Politiker und Epidemiologe ist. Er kann also die Corona-Krise von beiden Seiten beurteilen. Insofern ist er eine Art Meister seiner Klasse und war auch bei uns ein häufiger und gern gesehener Gast.

Braun: Lieben Sie es, wenn Ihre Gäste schwierige Themen oder komplexe Sachverhalte gut erklären können?

Maischberger: Ja, wir versuchen in unserer Gästeauswahl Menschen einzuladen, die nicht nur über ein Thema sehr gut Bescheid wissen, sondern auch in der Lage sind, es so zu erklären, dass man es versteht. Unsere Sendung läuft bis Mitternacht, da ist es auch wichtig, verständlich und packend zu erzählen.

Braun: In Ihrer Sendung stehen Zwiegespräche im Vordergrund. Hilft das, den roten Faden nicht so leicht zu verlieren?

Maischberger: Absolut, es kommt nicht so leicht zu einem Durcheinander. Wenn fünf Menschen gleichzeitig über ein Thema diskutieren, ist das oft ein vielstimmiger Chor, schlimmstenfalls ein vielstimmiges Chaos. Das haben wir nun schon länger nicht mehr und merken auch, dass die Resonanz sehr gut ist.

Braun: Die Gespräche, die Sie führen, müssen teilweise sehr aufwühlend sein. Wie gehen Sie damit um?

Maischberger: In unserer Redaktion gibt es die unausgesprochene Verabredung, nach einer Sendung nicht direkt über die Sendung zu reden. Häufig ist man kurz nach der Aufzeichnung doch noch zu sehr gefangen, um sich mit ihr auseinandersetzen zu können. Erst am Tag danach setzen mein Team und ich uns zusammen und ziehen Bilanz. Wenn ich etwas falsch gemacht habe, merke ich das aber oft auch selbst schon während der Sendung.

Braun: Neben ihrer Sendung produzieren Sie in ihrer eigenen Produktionsfirma ja auch Dokumentarfilme. Welche Vision hat die Unternehmerin Sandra Maischberger?

Maischberger: Ich glaube, ich bin eher eine mittelmäßige Unternehmerin aber eine gute Journalistin. Die Vision, die wir mit unserer Firma haben ist, besondere Filme und Dokumentationen zu entwickeln, über Themen, die uns wirklich alle interessieren, beispielsweise aktuell über die Stadt der Zukunft. Natürlich müssen wir dann auch einen Sender dafür begeistern. Die Möglichkeit, etwas selbst zu entwickeln und mit Kreativen daran zu arbeiten, das ist das Tolle daran. Wir sind klein und haben gute Ideen. Ich würde uns deshalb als eine Art Manufaktur betrachten.

Braun: Es sind also die guten Ideen, die Sie antreiben?

Maischberger: Ja!

Braun: Nicht die vielen Auszeichnungen oder Preise, die Sie schon bekommen haben, wie zum Beispiel Goldene Kameras, den Fernsehpreis oder das Bundesverdienstkreuz?

Maischberger: Nein, Preise sind etwas, auf das man nicht hinarbeiten kann. Es macht mich stolz, dass mein Team und ich eine gute Sendung auf die Beine stellen oder einen tollen Film aus dem Schneideraum präsentieren. Natürlich ist es schön, wenn dann auch jemand unsere Bemühungen auszeichnet.

Braun: Stolz kann Sie auch Ihr Verein Vincentino e.V. machen, der ehrenamtlich tolle Aktionen für und mit jungen Menschen auf die Beine stellt.

Maischberger: Das stimmt. Ich bin jedes Mal begeistert, welche Projekte die Kinder und Jugendlichen in die Tat umsetzen, beispielsweise zuletzt zum Thema jüdisches Leben in Berlin. Da haben die Kids mit jüdischen Bäckern gebacken oder haben mit jüdischen Künstlern gemeinsam Musik gemacht. Es macht mich schon stolz, die Ermöglicherin einer solchen Initiative zu sein. Ich bin ja nicht die Macherin, sondern ich helfe, das Geld einzusammeln für die Arbeit.

Braun: Was fördern Sie genau?

Maischberger: Projekte mit Kindern, Jugendlichen und Schulen in Verbindung mit Medien und Musik. Wir bauen zum Beispiel Instrumente, es gibt Musikunterricht und vieles mehr. Vor Kurzem gab es sogar eine Vincentino-Show. Dort wurden u.a. Filmclips gezeigt, die an der Albrecht-Dürer-Schule in Berlin gemacht wurden. Musik und alle Kulturformen sind ein tolles Tool, um Kreativität freizusetzen oder auch Teamwork zu ermöglichen. Davon müssten wir mehr haben.

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