Film bei TVNOW und RTL

"Die Wircard Story": Ein fulminantes TV-Stück über die Gier

von Eric Leimann

Der größte deutsche Finanzskandal aller Zeiten, inszeniert als Doku-Drama: Christoph Maria Herbst und Franz Hartwig spielen die "Wirecard"-Verantwortlichen Markus Braun und Jan Marsalek – ab 31. März bei TVNOW und am 22.4. als "Wirecard"-Themenabend bei RTL.

Natürlich geht es auch einem Film über Wirecard nicht besser als jenen Beiträgen über die Finanzkrise von 2008. Die Handlung ist kompliziert, um nicht zu sagen: sehr kompliziert. Was in der Natur der Sache betrügerischer "Finanzdienstleistungen" liegt. Schließlich werden sie von ihren Protagonisten ja möglichst derart undurchschaubar angelegt, dass sie nicht entdeckt werden. Entsprechend müssen Filme wie "The Big Short", immerhin Drehbuch-Oscar-Gewinner des Jahres 2016, damit umgehen, dass ihrem Publikum das Hirn raucht ob der komplexen Täuschungen, Verstrickungen und Recherchen der Film-Protagonisten. Deutschland, in der globalen Finanzkrise noch eher als Geschädigter denn als Bösewicht wahrgenommen, hat seit Juni 2020 nun ebenfalls seine Super-GAU als Finanzplatz.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), renommierte Wirtschaftsprüfer und verantwortliche Politiker bekamen angeblich nicht mit, wie abenteuerlich – und verbrecherisch – die Wirecard AG wirtschaftete, deren Börsenkurs zwischenzeitlich höher anzusiedeln war als jener der Deutschen Bank. "In Wirklichkeit war den Beschuldigten seit 2015 klar, dass mit den tatsächlichen Geschäften insgesamt Verluste erzielt werden", stellte die Staatsanwaltschaft München bereits im Juni 2020 fest, als der Skandal um Wirecard aufflog.

Also hat man, um immer mehr Investoren zu überzeugen und den Börsenkurs weiter nach oben zu polieren, einfach ein paar Milliarden Umsätze dazu erfunden und sie auf ominösen philippinischen Konten versteckt. Das Geschäftsmodell des einstigen deutschen Fintech-Stars, der von Politik, Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfern offenbar mehr hofiert als analysiert wurde, war ebenso einfach wie schwer zu überprüfen.

Ende der Neunziger erkannten die Wirecard-Gründer das Potenzial im zunehmenden Handel über das Internet. Immer wenn dort jemand etwas mit einer Kredit- oder EC-Karte kaufte, musste ein "Treuhänder" das Geld zwischen Kunde und Verkäufer zwischenlagern – bis das Geschäft in trockenen Tüchern war. Mit dieser Idee machte sich das Start-up schnell einen guten Namen, auch wenn man gerade zu Beginn vor allem in Porno- und Glücksspiel-Dienstleistungen investiert hatte, was sich seriöse Anbieter nicht so recht trauten. Durch wagemutige Manöver verdienten der Vorstandsvorsitzende Markus Braun und Vertriebschef Jan Marsalek viel Geld, was die Gier nach Wachstum und noch mehr Reichtum aber wie so oft nicht dauerhaft befriedigte.

Filmszenen und echte Interviews

Der renommierte Dokudrama-Spezialist Raymond Ley ("Eine mörderische Entscheidung") hat die Wirecard-Story nun für den Streamingdienst TVNOW in gut anderthalb Filmstunden gegossen. Christoph Maria Herbst ("Stromberg") spielt das erratische Finanz-Superhirn Markus Braun (heute in Haft), der Bösewicht-erfahrene Franz Hartwig ("Der Pass") seinen Hybris-überdrehten "Mann fürs Grobe/Wahnsinnige", Vertriebschef Jan Marsalek (heute flüchtig).

Neben fiktiven oder rekonstruierten Spielszenen, die durchaus spannend inszeniert sind – gute Schauspieler wie Nina Kunzendorf als Investigativ-Journalistin oder Götz Schubert als Aufsichtsrats-Vorsitzender tragen dazu bei -, kommen im Film auch Interviewpartner zu Wort: ehemalige Mitarbeiter, Investoren, Finanzexperten. Das oberste Regal, zum Beispiel aus der deutschen Politik, ist nicht dabei – was aber auch verständlich ist. Schließlich hat sich beim Wirecard-Absturz, der in der Insolvenz endete und Gläubigerforderungen in Höhe von zwölf Milliarden Euro hinterließ, niemand mit Ruhm bekleckert. Ex-Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg warb als Lobbyist für das Unternehmen bei der Bundesregierung. Finanzminister Olaf Scholz steht in der Kritik, weil er schon am 19. Februar 2019 von der Bafin über Ungereimtheiten beim Börsenstar Wirecard informiert worden sein soll.

"Der große Fake – Die Wircard Story", ab 31. März auf TVNOW zu sehen und am Donnerstag, 22. April gar als Themenabend-Flaggschiff zum Finanzskandal in der RTL-Primetime um 20.15 Uhr, kann ebenso wie andere Filme zum Thema Finanzwelt psychologisch zwar nichts weiter herausarbeiten, als dass der Kapitalismus zynisch, sein Personal gnadenlos, entrückt und spielsüchtig ist – und doch weiß der Film als spannendes Stück über das Wesen großer Finanztäuschungen zu überzeugen. Wie hochintelligente Finanzanalytiker und Wirtschaftsprüfer den Wald vor lauter Bäumen nicht sahen, als es darum ging, einen Börsenstar als kriminell zu enttarnen, wird in vielen abenteuerlich authentischen Szenen herausgearbeitet. Ist Deutschland letztlich doch eine Bananenrepublik des Finanzwesens? "Der große Fake – Die Wirecard Story" inszeniert diesen Verdacht als traurige Gewissheit.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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