Gabriel bei Illner

"Scholz stimmt die Entscheidungen mit dem Weißen Haus ab"

22.04.2022, 07.36 Uhr
von Lena Rittmann
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel.
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel.  Fotoquelle: picture alliance / AA | Muhammed Enes Yildirim

Der Krieg in der Ukraine und die Rolle Deutschlands in diesem Konflikt sind am Donnerstag erneut Thema bei Maybrit Illner. Zum Streitpunkt werden nicht nur die Machbarkeit der Waffenlieferungen – auch die Frage "wird es einen Gewinner geben?" spaltet die Gäste.

Maybrit Illner begrüßt den ehemaligen Vize-Kanzler und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband, Verteidigungsexpertin Claudia Major sowie Erich Vad, ehemaliger militärische Berater von Angela Merkel.

Wo bleibt die von SPD-Kanzler Olaf Scholz versprochene Zeitenwende? Das möchte Maybrit Illner zu Beginn der Sendung wissen. Deutschland liefert immer noch keine schweren Waffen in die Kriegsgebiete der Ukraine, obwohl das Land – so sehen es ebenfalls viele Nato-Bündnispartner – diese Waffen dringend zur Verteidigung der russischen Angriffe benötige.

Erich Vad ist Brigadegeneral a. D. und ehemaliger militärischer Berater der Altkanzlerin Angela Merkel. Als "Militärexperte" hält er wenig von den lautstarken Forderungen nach Lieferungen von Kampf- oder Schützenpanzer. Waffen, die in dieser Form auch von anderen Bündnispartnern nicht geliefert werden. Dieser Schritt sei zu dem aktuellen Zeitpunkt auch nicht logisch, findet der Militärexperte. Das Fehlen einer grundlegenden Infrastruktur und Logistik führe dazu, dass diese Panzer die Ostukraine niemals erreichen würden. "Es hat keinerlei militärisch operative Relevanz für die nächsten Wochen und Monate", so Vad. Ebenfalls widerspricht er den Stimmen, die behaupten, dass alle ukrainischen Soldaten mit den westlichen Waffen umgehen können. Die Ausbildungsprozesse seien, nach Beurteilung des Militärexperten, nicht in wenigen Tagen zu schaffen. Dies sei weder verantwortungsvoll noch möglich.

Als die deutsch-ukrainische Publizistin Weisband und Verteidigungsexpertin Major davon sprechen, wie wichtig es sei, dass die Ukraine diesen Krieg "gewinnt" und dass Deutschland – Bundeskanzler Scholz vorweg – dies auch betonen sollte, übt Vad scharfe Kritik: "Militärische Lösungen als ultimatives Ziel dazustellen, das ist doch verrückt! Das Ziel muss Waffenstillstand sein und den Krieg zu beenden – und nicht auf Sieg zu setzen." Der Militärexperte weist auf Russland als Nuklearmacht hin. Es gehe also um einen möglichst schnellen Ausstieg aus dem Konflikt. Daher rät der Militärexperte dringend von der "Kriegsrhetorik" ab, vor allem wenn es um einen Sieg von einer Seite geht: "Das ist ein Fehler!".

"Wenn wir Glück haben, wird das ein Waffenstillstand – kein Frieden"

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter ist weder hinsichtlich der Waffenlieferungen noch der, in Vads Augen, nicht angemessenen Kriegsrhetorik einer Meinung. Er finde es sogar "fatal", wenn davon gesprochen wird, dass die Ukraine nicht militärisch gewinnen soll: "Dieser Krieg kann nur militärisch gewonnen werden. Ich glaube der Atomkrieg ist wahrscheinlicher, wenn wir der Ukraine nicht helfen." Der CDU-Politiker widerspricht weiter: "Es geht nicht darum, Russland zu besiegen – aber die Ukraine muss gewinnen."

Der ehemalige Vize-Kanzler Sigmar Gabriel rechnet noch lange nicht mit dem Ende des Krieges: "Wenn wir Glück haben, wird das ein Waffenstillstand – kein Frieden." Die Ukraine werde noch lange Unterstützung vom Westen brauchen. Die Hoffnung von Weisband, das Völkerrecht stärker hinzuzuziehen, zerschlägt Gabriel nüchtern: "Der Blick ins Gesetzbuch hilft uns gar nicht. Hier entscheidet nicht das Völkerrecht, sondern Putin. Er ist ein Barbar." Zu den Vorwürfen gegen Deutschland, als einziges Land die benötigten Waffen nicht zu liefern, wiederholt sich der Ex-Außenminister am Abend mehrmals: "Scholz stimmt die Entscheidungen mit dem Weißen Haus ab. Alles, was die Vereinigten Staaten und die Nato machen, das machen wir auch – und was nicht, das nicht." Gleichzeitig zeigt er sich enttäuscht über den kürzlichen Umgang der Ukraine mit Deutschland. "Dies ist nicht angemessen für das, was Deutschland nicht nur jetzt sondern seit 2014 für die Ukraine getan hat", so Gabriel.

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