Der WDR feiert seinen Kultermittler: Vor 40 Jahren überrollte die Figur "Schimanski" den bundesdeutschen Mief. Dreharbeiten im Ruhrpott verliefen, als wären die Beatles zu Gast. Ab dem 7. Dezember laufen im WDR restaurierte Folgen und eine Doku.
Am 28. Juni 1981 flimmerte mit "Duisburg – Ruhrort" der erste "Tatort" mit Götz George als Horst Schimanski durch bundesdeutsche Wohnzimmer. Gut zehn Jahre und 29 Filme sollte der damals ob seiner Modernität gefeierte aber auch angefeindete Krimi mit dem ersten deutschen "Scheiße"-Kommissar auf den Buckel bekommen. Schimanski war liederlich gekleidet, er war aufbrausend und unberechenbar, seine Sprache vulgär. Dazu sahen die Fälle erschreckend nach echtem Schmutz und 80er-Ruhrgebiets-Tristese aus. Während sich die "Bild"-Zeitung und andere konservative Medien empörten und mitzählten, wie oft pro Krimi das Wort "Scheiße" benutzt wurde, fanden immer mehr Zuschauer das Programm besser als alles andere, was das deutsche Fernsehen zu bieten.
Die Einschaltquoten toppten alles bisher im "Tatort" Dagewesene. Georges Abschied mit "Die Akte Schimanski" wollten 1991 knapp 17 Millionen Deutsche sehen. Später kehrten die Figur und ihr Schauspieler als eigene Reihe "Schimanski" für 13 weitere Fälle zurück – von 1997 bis 2013. Drei Jahre später starb Götz George im Alter von 77 Jahren.
Schon im letzten Jahr lieferte der WDR digital bearbeitete Versionen alter Schimanski-"Tatorte". Die erste Folge in HD ("Duisburg-Ruhrort") war am 4. September 2020 im Ersten zu sehen. Weitere zehn Folgen zeigte das WDR-Fernsehen dienstags bis zum 10. November 2020. Nun dürfen sich Schimanski-Fans und Ruhrpott-Nostalgiker auf weitere Zeitdokumente freuen: Am 7. Dezember, um 22.15 Uhr, läuft die Folge "Doppelspiel". An den darauffolgenden Dienstagen gibt es zur gleichen Sendezeit jeweils einen weiteren Film: am 14.12. "Der Tausch", am 21.12. "Freunde" sowie am 28.12. "Spielverderber". Wirklich empfehlenswert ist zudem die 30-minütige Dokumentation "Die Akte Schimanski", in der die Macher der frühen Jahre – Autoren, Regisseure, Produzenten – über die Anfänge des Kultkrimis erzählen.
Schimanski-Hype kam unerwartet
"Schimanski war größer als das Fernsehen", erzählt einer der heute teilweise hochbetagten Kreativen von einst mit leuchtenden Augen der Kamera. Die Schimanski-Erfinder von einst dürfen sich zu Recht als wichtigen Teil der deutschen Fernsehgeschichte feiern lassen: Bernd Schwamm (Autor & Produzent), Günter Rohrbach (Produzent), Hajo Gies (Regie), Martin Gies (Autor & Produzent), Ilse Hofmann (erste "Tatort"-Regisseurin überhaupt), Axel Block (Kameramann) und Krimi-Professor Dominik Graf (Regie) sind die prominenten Gesprächspartner des Doku-Programms. Viele von ihnen hatten vor 40 Jahren selbst nicht daran geglaubt, dass Schimanski eine wirklich erfolgreiche Figur werden könnte. Viel zu rau und "undergroundig" erschien der Alte-Jacken-Träger im Vergleich zu den damals üblichen Schlips-und-Kragen-Ermittlern mit gutbürgerlichen Manieren.
Doch die Zeit war 1981 offenbar bereit für Neues. "Das Fernsehen bildete die bundesdeutsche Wirklichkeit damals gar nicht ab", erzählt einer der Kreativen und betont, bei allen deutschen Dreharbeiten damals sei sehr viel öfter "scheiße" gesagt worden, als im derbsten aller Schimanski-Krimi. Das Publikum goutierte die tristgraue und gleichermaßen realistische Ruhrpott-Charme-Offensive mit echtem Fan-Enthusiasmus. Einer, der bei Dreharbeiten damals dabei war, erinnert sich, dass man Außendrehs regelmäßig unterbrechen musste, weil "Schimmi"-Rufe aus hunderten Fankehlen ertönten. Ein Umstand, mit dem die Produktionen mit zunehmendem Kultfaktor des Formats zu kämpfen hatten. Meistens half Götz George dann selbst, indem er zu den Menschen sprach: "Hört mal, wir drehen jetzt noch ein bisschen. Seid bitte leise, dann sind wir schnell fertig und kommen dann raus." Es waren anderen Zeiten – beim Fernsehen und in Deutschland.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH