Krimi-Duell

„Tatort“ vs. „Polizeiruf 110“ – Welche Krimireihe ist beliebter?

19.09.2025, 09.25 Uhr
Tatort und Polizeiruf 110 sind seit Jahrzehnten feste Größen im deutschen Fernsehen. Doch welches Format bietet mehr Spannung, Drama und gesellschaftliche Relevanz? Ein Vergleich.

Sonntagabend, 20.15 Uhr: Ganz Deutschland hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht und die Snacks stehen bereit, denn jetzt heißt es wieder: Krimizeit! Doch worüber diskutieren die TV-Zuschauer eigentlich öfter – über den „Tatort“ oder über den „Polizeiruf 110“? Seit Jahrzehnten sind beide Krimireihen Kult. Aber welches Format ist nun wirklich das Bessere?

Krimi Ost vs. Krimi West

Im Jahr 1970 startete in Westdeutschland der „Tatort“. Die Krimi-Reihe wird von verschiedenen ARD-Sendern aus ganz Deutschland sowie deren Pendants in Österreich und der Schweiz produziert. Jedes Ermittlerteam hat einen eigenen lokalen Touch und regionale Eigenheiten.

Ein Jahr später, im Jahr 1971, startete in der DDR der „Polizeiruf 110“ als bewusst gewählte Antwort auf den „Tatort“. Die Reihe verfolgt das Ziel, Krimis speziell für den Osten anzubieten. Das heißt: weniger reißerische Aufmachung, mehr „alltägliche Vergehen“ und den Fokus auf gesellschaftliche Themen. „Polizeiruf 110“ unterscheidet sich stilistisch durch seine oftmals leisere Art: Die Ermittler werden nicht als kantige Helden inszeniert. Sie stellen vielmehr Menschen mit Verantwortungsgefühl, umso mehr polizeilicher Arbeit und weniger privaten Dramen dar. Der „Tatort“ bietet dagegen mehr Drama, mehr Charakterentwicklung und mehr Special Effects.

„Tatort“ oder „Polizeiruf 110“ – Was sagen die Zahlen?

Sehen wir uns die Quoten an, so bleibt „Tatort“ hier der König: In der Saison 2024/2025 lag der durchschnittliche lineare Erst-Auf-Dienst-Zuschauerwert bei etwa 8,15 Millionen. Allerdings hält sich der “Polizeiruf 110“ mit etwa 7,30 Millionen Zuschauern in derselben Periode erstaunlich stabil. Es zeichnet sich ein Schrumpfen des Abstands zwischen den beiden Formaten ab – „Tatort“ verliert leicht, „Polizeiruf 110“ bleibt beständig. Diese Zahlen unterstreichen, dass der „Polizeiruf 110“ seine Fans verlässlich bindet, auch wenn er weniger pompös daherkommt.



Vorteile und Schwächen – eine Gegenüberstellung

Ein Vergleich beider Krimireihen im Hinblick auf diverse kategorische Vorgaben könnte in etwa so aussehen:

Spektakel und hohe Spannungsbögen
Der „Tatort“ bietet großes Kino – mehr Action, verstörende Täter und oftmals drastischere Fälle. Beim „Polizeiruf 110“ geht es hingegen ruhiger zu. Der Aufbau ist eher gemächlich und die Fälle kommen gut ohne großes Spektakel aus.

Regionaler Bezug und Vielfalt
Der „Tatort“ lebt von seinen zahlreichen Ermittlerteams aus verschiedenen Städten. Hierdurch steht jede Folge für sich und keine gleicht der anderen. Der „Polizeiruf 110“ bietet ebenfalls regionale Teams, wenn auch nicht in gleich hoher Anzahl. Zudem finden pro Staffel insgesamt weniger Produktionen statt.

Sozialkritik und Tiefgang
Beides ist im „Tatort“ durchaus vorhanden – nur nicht in jeder Folge. Im Fokus stehen vorrangig die privaten Schicksale einzelner Charaktere. Der „Polizeiruf 110“ glänzt mit historischer Stärke in gesellschaftlichen Themen. Er beinhaltet weniger Täter-Dramen, dafür mehr Kontext.

Innovation und Experimentelles
„Tatort“ hat hier eindeutig mehr zu bieten – was nicht immer positiv gemeint ist. Alleine auf Grund des größeren Budgets bieten sich der Regie viel mehr Möglichkeiten, neue Ansätze und Ideen umzusetzen oder eigene Stilvarianten auszuprobieren. Wenn es um Experimente geht, ist der „Polizeiruf 110“ eher vorsichtig. Dennoch präsentieren insbesondere die neueren Fälle gelegentlich originelle Ansätze.

Und die Schwächen?
Im „Tatort“ können manche Folgen überkonstruiert oder übertrieben mit Charakterdramen beladen wirken. Schließlich freuen sich „Tatort“-Fans nicht nur auf jede Menge Spannung, sondern erwarten starke Persönlichkeiten, bzw. Serienidentifikationen. Dagegen kann das gemächliche Tempo im „Polizeiruf 110“ für den ein oder anderen Zuschauer zu einer Herausforderung werden. Wer Nervenkitzel und Action möchte, wendet sich eher dem „Tatort“ zu.

Welcher Krimi für wen?
„Tatort“ ist für Zuschauer, die pure Spannung, starke Figuren und teilweise heftige Kriminalfälle bevorzugen, die richtige Wahl. Auch Gelegenheitszuschauer, die einfach mal abschalten möchten, werden hier glücklich. Diejenigen, die Bodenständigkeit, moralische Themen und das Gefühl, einen „richtigen“ Krimi und keine Soap zu sehen, bevorzugen, treffen sich beim „Polizeiruf 110“. Er unterhält das „Sonntagsritual“-Publikum und bietet Kontinuität. Grob ausgedrückt: Wer es knallen lassen will, greift zum „Tatort“. Wer es nachfühlen möchte, ist beim „Polizeiruf 110“ besser aufgehoben.

Favoriten und Kuriositäten
Laut Umfragen liegen die Münchner „Tatort“-Kommissare Batic (Miroslav Nemec, 71) und Leitmayr (Udo Wachtveitl, 66) sowie das Wiener Duo Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, 65) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser, 66) weit vorne. Gefolgt von Ballauf (Klaus J. Behrendt, 65) und Schenk (Dietmar Bär, 64) aus Köln sowie Thiel (Axel Prahl, 65) und Börne (Jan Josef Liefers, 61) aus Münster. Beim „Polizeiruf 110“ ist das Team Bukow (Charly Hübner, 52) und König (Anneke Kim Sarnau, 53) aus Rostock sehr gefragt.

Mit über 1.200 Folgen seit dem Jahr 1970 ist der „Tatort“ ein echter Dauerbrenner. Ein Ende ist nicht in Sicht. Klein und fein ist hingegen der „Polizeiruf 110“ mit über 400 Folgen seit 1971.

Um so manche „Tatort“-Folge gab es Debatten wegen der Darstellung von Gewalt oder der experimentellen Machart – Stichwort „Meta-Tatorte“, die mehr einem Kunstfilm als einem Krimi ähnelten. Der „Polizeiruf 110“ lieferte dagegen legendäre Fälle mit absolut banalen Verbrechen. Ein Beispiel: Schon mal einen Krimi zum Thema Fahrraddiebstahl gesehen? Eben! Sehr Bodenständig, aber herrlich skurril.

Unser Fazit: Zwei Krimis, zwei Welten

Ob nun „Tatort“ oder „Polizeiruf 110“ – am Ende hängt es davon ab, was man von einem Sonntagskrimi erwartet. Nervenkitzel, Drama und große Figuren oder Bodenständigkeit, Moral und Glaubwürdigkeit. Der eine ist der Blockbuster, der andere der starke Stille. Das Beste daran: Deutschland hat das große Glück, sich nicht entscheiden zu müssen. Einfach Sonntag für Sonntag einschalten – und das Beste aus beiden Welten genießen.

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