ARD-Drama mit Iris Berben

"Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster": Was man vom Tod fürs Leben lernen kann

07.04.2023, 08.20 Uhr
von Eric Leimann

Das ARD-Drama "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" hat kein leichtes Thema, dennoch geht der Film mit dem Tod auf eine besondere, lehrreiche und unterhaltsame Weise um. Iris Berben schlüpft in die Rolle der Fotografin Karla, die nur noch wenige Monate zu leben hat. Der ehrenamtliche Sterbehelfer Fred (Godehard Giese) bekommt in der beeindruckenden Frau seinen ersten "Fall" zugewiesen.

ARD
Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
Drama • 07.04.2023 • 20:15 Uhr

Mittsechzigerin Karla (Iris Berben) hat ihr Leben ohne Kompromisse gelebt. In ihrer großzügigen Berliner Wohnung finden sich an den Wänden ihre Porträtbilder diverser Rockgrößen, die sie auf Tour begleitete oder anderswo ablichtete. Heute bleiben der allein lebenden Karla nur noch die alten Songs des 70er- und 80er-Rock-Kanons, zu dem sie ausgelassen oder mit Kopfhörern in sich gekehrt ausdrucksvoll tanzt. Doch Karla, die offenbar keine Angehörigen hat, weiß, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hat. Der Krebs ist weit fortgeschritten, eine Heilung ausgeschlossen. Also erhält der alleinerziehende Verkehrsplaner Fred (Godehard Giese) im ARD-Drama "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" seinen ersten Auftrag als Sterbebegleiter.

Zwei Künstlerseelen treffen aufeinander

Karla hat bei Freds wohl konfessioneller Organisation nach einem solchen gefragt. Also geht es für ihn von der Supervisionsgruppe im Kirchenstuhlkreis direkt in die Praxis. Und der eher "uncoole" Fred hat ganz schön die Hosen voll, als er der unkonventionellen Karla zum ersten Mal gegenübersitzt.

Dass die beiden ein Traumpaar werden, scheint in der ersten Hälfte des Films (Drehbuch: Astrid Ruppert, Regie: Till Endemann) ausgeschlossen. Allerdings bauen Karla und Freds halbwüchsiger Sohn Phil (Claude Heinrich, der kindliche Udo Lindenberg in "Lindenberg! Mach dein Ding") eine besondere Beziehung auf: Weil Karla ihr Fotoarchiv digitalisieren will, stellt sie den von Poesie besessenen Teenager als "Archivar" ein. Haben sich hier zwei Künstlerseelen getroffen? Zwei Nebenfiguren gesellen sich zum Hauptdarstellertrio des für den "Endlich Freitag im Ersten" ungewöhnlich melancholischen Films: Axel Werner spielt den hemdsärmelig proletarischen Hausmeister Klaffki in Karlas Berliner Altbau-Wohnung, und Zoë Valks ist Rona, ein – eventuell – "leichtes Mädchen", das im gleichen Haus ein und aus geht und die heimliche Liebe des jugendlichen Phil darstellt. Dass der Film mit dem Tod Karlas enden wird, scheint festzustehen. Doch was könnte das Figurenensemble auf dem Weg zu diesem Ende hin lernen?

Spielfilm überzeugt durch grandiose Besetzung

"Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans der 1957 geborenen Autorin Susann Pásztor ("Ein fabelhafter Lügner"). Sie stammt aus der Lüneburger Heide, lebt aber wie ihre Figuren in Berlin und arbeitet dort tatsächlich auch als Sterbebegleiterin. Insofern weiß die Frau, wovon sie spricht, und der Film von Till Endemannn ("Im Schatten der Angst") bleibt dieser Vorlage weitgehend treu. Grandios ist die Besetzung der drei Hauptrollen: Iris Berben spielt ungeheuer präzise und angenehm zurückgenommen bis sperrig. Auch Godehard Giese gibt den Jedermann-Spießer und alleinerziehenden Vater mit gewohnter Extra-Klasse. Eine echte Entdeckung, auch wenn er nicht mehr ganz "neu" im Geschäft, ist der mittlerweile 17-jährige Berliner Claude Heinrich als sensibler Teenager und Poetry-Nerd. Von diesem jungen Mann mit unfassbar viel Schauspieltalent dürfte man in Zukunft noch viel hören.

Auch wenn hier und da humoristische Grundtöne eingebaut werden, bleibt "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" ein melancholisches Drama über das Loslassen des Lebens, das Gehenlassen von Menschen und jene Lektionen, die "Lebende" aller Altersstufen von Sterbenden lernen können. Dies alles fängt der Film angenehm "unbelastet" von zwanghaftem Humor und Skurrilitäten ein.

Für den sonst meist deutlich "leichter" bestückten "Endlich Freitag im Ersten"-Sendeplatz ist das sicher nicht zufällig auf dem Karfreitag-Termin gelandete Drama schon ein ziemliches Brett. Dennoch eines, dass das "Bohren" in eigenen Wunden wie Zukunfts- und Verlustängste durchaus lohnt.

Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster – Fr. 07.04. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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