Mel Gibson lässt einen pazifistischen US-Soldaten Heldentaten vollbringen – in derlei eindrücklichen Bildern, dass die christlich-patriotischen Anklänge in den Hintergrund geraten.
Desmond Doss ist ein realer amerikanischer Held, der die "Medal of Honor" erhielt, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben. Dem 2006 Verstorbenen setzt Mel Gibson mit "Hacksaw Ridge – Die Entscheidung" (2016) ein Denkmal. Jener Doss, eindringlich verkörpert von Ex-"Spider-Man" Andrew Garfield, schwor nach einem bedrohlichen Zwischenfall in seiner Familie, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. Alles kein Problem, sogar in den US-Südstaaten der 40er-Jahre – würden nicht just zu jener Zeit die Japaner Pearl Harbor überfallen und in Doss den heimattreuen Patrioten wecken. Als solcher meldet sich der junge Mann bei der US-Army, um in Asien für sein Land zu kämpfen. RTL zeigt das Kriegs-Drama nun als Free-TV-Premiere.
Doss weigert sich weiterhin, zu schießen, ja das Gewehr auch nur zu berühren. Fortan macht man ihm in der Grundausbildung das Leben schwer: Seine Vorgesetzten Captain Glover (Sam Worthington) und Sgt. Howell (Vince Vaughn) drängen ihn zu gehen; Kameraden wie Smitty (Luke Bracey) schlagen, beleidigen und mobben ihn. Antikriegsfilme wie "Apocalypse Now" (1979) lassen grüßen. Allein: Obrigkeitskritisch ist Mel Gibsons fünfte Regiearbeit sicher nicht. Denn Doss will kämpfen, will die Japaner besiegen, will für sein Land patriotisch auf dem Schlachtfeld sterben. Nur eben ohne Waffe in der Hand.
Bevor sich das ambivalente Vorspiel im Gewäsch verliert, darf Desmond als Sanitäter doch noch an die Front. Und er beweist an der berüchtigten titelgebenden Riesenklippe im Pazifik, dass er aufopferungsbereit zur Rettung seiner Kameraden über sich hinauswächst. Anstatt Leben zu nehmen, rettet er in der berühmten Schlacht von Okinawa Hunderte. Diese beeindruckenden historischen Geschehnisse – wenn auch vollends pathetisch – in Szene zu setzen, ist das erste Verdienst Gibsons. Das zweite ist eines, das den Zuschauer die öden Gebete und Motivationssprüche sowie die markige Inszenierung der "Du kannst alles schaffen"-Ideologie schnell vergessen lässt: So eindrucksvoll war der Schrecken des Krieges seit "Der Soldat James Ryan" nicht mehr auf der Leinwand zu sehen.
"Hacksaw Ridge" schmeißt den Zuschauer mitten in grausige Schlachten; in schnittlosen Fahrten blickt die Kamera auf eine blutgetränkte Szenerie, in der tabu- und erbarmungslos draufgehalten wird: herausfallende Gedärme, spritzendes Hirn, durch die Luft wirbelnde Gliedmaßen, dazu markerschütternde Schreie und quälend lange Todeskämpfe. Mittendrin der schlaksige Held, der das Unmögliche versucht. Die Inszenierung wirkt teilweise unerträglich, beängstigend, würderaubend und entblößend. Und zugleich unendlich beeindruckend, mitreißend und ästhetisch kompromisslos.