Sonntag am Tatort

"Tatort: Dicker als Wasser" - Manchem schlägt die Stunde nie

19.04.2015, 08.00 Uhr
von Detlef Hartlap
Im "Tatort: Dicker als Wasser" bekommen es die Ermittler Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) unter anderem mit Ralf Trimborn (Armin Rohde) zu tun.
BILDERGALERIE
Im "Tatort: Dicker als Wasser" bekommen es die Ermittler Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) unter anderem mit Ralf Trimborn (Armin Rohde) zu tun.  Fotoquelle: WDR/Uwe Stratmann

Ein Mord, den man schnell vergisst. Ein Überfall, wie ihn Kinder sich beim Spielen ausdenken: Der neue Tatort mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär schmeckt wie ein schales Kölsch. Nur Armin Rohde ist wieder mal in Höchstform.

Die Frankfurter Allgemeine hat sie einfach schon mal abgesetzt: Die Kölner Fernsehkommissare Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär passten nicht mehr ins Gefüge der intelligent erzählten neuen Tatortfolgen (aus Weimar, Nürnberg etc.) und würden bald durch neue Kommissare ersetzt. Leider stand die Meldung am 1. April im Blatt.

Was läuft eigentlich falsch?

Aber die Frage, die hinter dem Scherz steckt, ist berechtigt: Was läuft eigentlich falsch mit den Figuren Ballauf und Schenk, die aus dem vorigen Jahrtausend stammen und immer so wirken, als würden sie am nächsten Morgen mit einem LTU-Ferienflieger nach Malle düsen und sich wochenlang auf die faule Haut legen.

Die LTU existiert nicht mehr. Ballauf, Schenk amtieren fort.

Ihren Dialogen muss man nicht folgen. Es ist gleichgültig, was sie sagen, auch wenn die Schauspieler Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär manchmal ein wenig künstliche Lebhaftigkeit auftragen, was ihnen schlecht steht. Rollen und Akteure sind eins geworden im Laufe der Zeit. Sie sind Figuren aus der immer gleichen Kölner Comic-Erzählung mit schlechtem Bürokaffee, dem Kölsch an der Würstchenbude und launigen Bemerkungen mit dem mehr oder weniger allwissenden Zuträger auf dem Kommissariat, der wie aus dem nichts die wichtigsten Informationen zaubert.

Behrendt und Bär kriegen die Kurve nicht

Lange Jahre war diese Position mit Tessa Mittelstaedt besetzt. Sie hat den Absprung geschafft, indem sie sich Anfang 2014 aus der Behrendt-Bär-Brüderschaft herausmorden ließ (ausgerechnet vom netten Hinnerk Schönemann), doch Behrendt und Bär kriegen die Kurve nicht. "Comical book characters never grow old", singt Elton John.

Das Peinliche an Ballauf und Schenk ist: Sie sind zu Comic-Figuren geworden und werden trotzdem alt.

Oder trägt der WDR an allem Schuld? Bestimmt ist schon mancher Drehbuch-Autor (der allgegenwärtige Jürgen Werner etwa) auf die Idee gekommen, das Problem zu lösen, indem ein Bösewicht auf den dicken Schenk in seinem völlig deplatzierten Amischlitten-Oldie schießt und tödlich verwundet. Das brächte ihm, dem Autor, eine Vorladung in die Redaktion ein, wo man ihm umständlich erklärte, warum dies lieber nicht geschehen solle, dass man an das Stammpublikum denken müsse sowie an vertragliche Vereinbarungen …     

Sind Behrendt/Bär unkündbar?

Ganz bestimmt sind sie ein Stück Nordrhein-Westfalen, das Land, das sie jüngst mit einem Verdienstorden schmückte. Behrendt und Bär erinnern schon vom Habitus her an jene Heerscharen von Sesselfurzern, die schon vor 1970 genau wussten, dass es mit Kohle und Stahl rapide bergab gehen würde, die aber jede Idee für eine Erneuerung, geschweige denn für eine folgenreiche Entscheidung bis weit in die Neunzigerjahre hinauszögerten. NRW ist das Land, das sich nicht wandeln will. Die Kölner Fernsehkommissare bleiben auf ewig sie selbst, nur grauer, behäbiger und ohne, dass ihre Geschichten noch einen erzählenswerten Kern aufwiesen.  

Die Folge Dicker als Wasser am Sonntag beginnt mit einem Mord, der nichts in Gang setzt und schnell vergessen wird, und endet auf einem Geldtransport-Überfall, wie ihn Kinder sich ausmalen, wenn sie im Garten Gangster spielen.

So sind es einzig die Gastschauspieler, die Leben in die Bude bringen, mitunter derart nachdrücklich, dass die Fallhöhe zu Behrendt und Bär schmerzlich wirkt.

Diesmal ist es Armin Rohde

In Der Fall Reinhardt spielten Susanne Wolff und Ben Becker die Kommissare an die Wand, diesmal ist es Armin Rohde. Er gibt einen kölschen Gemütsmenschen, der leider gerade neun Jahre Knast auf dem Buckel hat und jetzt zu knapp bei Kasse ist, um sein Häuschen zu erhalten.

Dat Jemüt schlägt bei ihm übergangslos in Jewalt um, worunter sein Sohn (Ludwig Trepte) und dessen Freundin (Alice Dwyer) zu leiden haben wie auch alle anderen Randfiguren, die das Pech hatten, mit diesem Typen in Berührung gekommen zu sein.

Erst vor sechs Wochen spielte Armin Rohde in Jochen Króls Frankfurter Abschiedstatort einen ganz ähnlichen Desperado, einen verzweifelten Vater, allein gegen alle, der nichts mehr zu verlieren hatte. In Köln wirkt er vielleicht noch überzeugender, weil er eine Spur von kölscher Mundart und reichlich falsche Zähne in sein Spiel einbringen kann.

Und Ballauf/Schenk? Sind oft im Bild, Comic-Helden in Großaufnahme, manchmal schreien sie sich auch an – aber eine Rolle spielen sie nicht.

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