30 Jahre Mauerfall: Wie tief ist der Riss noch heute?
Stephan Lamby traf Joachim Gauck zu einer sehr persönlichen Spurensuche zwischen Ost und West. Der preisgekrönte Filmemacher entlockte dem früheren Bundespräsidenten auch einige sehr private Bekenntnisse.
Es sind nicht nur die immer noch pastoralen Züge des früheren Pfarrers und ehemaligen Bundespräsidenten. Es ist auch eine tief reichende Mitmenschlichkeit, die bei Joachim Gauck nie aufgesetzt wirkt, die dieses sehr persönliche Filmporträt so sehenswert macht. "30 Jahre Mauerfall – Joachim Gaucks Suche nach der Einheit" ist eine Langzeitbetrachtung des mehrfach preisgekrönten Filmemachers Stephan Lamby. Lamby, der eben mit der Goldenen Kamera für den Film "Im Labyrinth der Macht" ausgezeichnet wurde, hat schon Helmut Kohl, Angela Merkel, ja sogar Fidel Castro vor der Kamera erstaunliche private Geständnisse entlockt. Und auch bei Gauck, dem Weltpolitiker und Familienvater, gelang Lamby das.
Eine der Schlüsselszenen im 45-Minuten-Beitrag und ein TV-Moment, der auch hartgesottene Gegner von Gauck – und von denen gab und gibt es vor allem in Ostdeutschland nicht wenig – tief bewegen dürfte, ist ein sehr privater Moment: Drei von vier Kindern der Familie Gauck hatten noch vor der Wende die DDR verlassen. Damals bedeutete das ein Abschiednehmen ohne realistische Chance auf ein Wiedersehen. 30 Jahre nach diesem Moment treffen Vater Gauck und sein Sohn Christian sich ausgerechnet am Ort der damaligen Trennung wieder – im Bahnhof von Rostock. Ihre Tränen beim Erinnern an den harten Moment des Abschiedsnehmens von damals können beide kaum zurückhalten.
Aber natürlich geht es in der Dokumentation auch ums "große Ganze", für das ein ehemaliger Bundespräsident stehen muss, der auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt noch verbindend wirken möchte: Zusammen mit dem ZDF-Filmteam reiste Joachim Gauck, der im Wendejahr 1989/1990 Pastor in Rostock, dann Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde und später Politiker war, durch ein innerlich noch immer nicht wirklich "vereintes" Land.
Er setzte sich mit Gesprächspartnern wie Wolfgang Schäuble, einem der frühen Architekten der Wiedervereinigung, aber auch mit der früheren Bürgerrechtlerin Marianne Birthler zusammen. Und in der Auseinandersetzung mit der früheren AfD-Politikerin Frauke Petry und dem Pegida-Mitgründer René Jahn merkt man, dass auch ein eher ausgleichender Charakter wie Gauck nicht alle Meinungen tolerieren und schon gar nicht teilen kann. Ein Mann wie Gauck will sie aber wenigstens anhören. Es sind auch solche komplizierten Momente, die diese Doku so sehenswert machen. Schließlich gehört auch das zum anhaltenden Prozess der schleppenden Annäherung zwischen Ost und West.
Quelle: teleschau – der Mediendienst