Zweite Staffel der Erfolgsserie

"Charité": Wird der Mut belohnt?

von Eric Leimann

"Charité"-Staffel eins schwang sich im Frühjahr 2017 zur erfolgreichsten ARD-Serie seit 25 Jahren auf. Trotzdem wagt das Erste in Runde zwei eine mutige Veränderung.

ARD
Charité
Serie • 19.02.2019 • 20:15 Uhr

Berlin, 1943: Der Krieg ist längst in der deutschen Hauptstadt angekommen. Trotzdem operiert der weltberühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch (Ulrich Noethen) weiter. Entweder – durchaus zu Propagandazwecken – vor den Kameras der Wochenschau oder eben während der Bombenangriffe im Luftschutzbunker. Dem genialen, aber auch eitel aufbrausenden Mediziner assistiert die hochschwangere Medizin-Examenskandidatin Anni Waldhausen (Mala Emde). Deren Mann Artur (Artjom Gilz) betreibt "kriegswichtige Forschung". Dass die Versuchspersonen des Oberarztes behinderte Kinder sind, damit muss das junge Paar – und auch der Zuschauer – leben. In der durchaus anspruchsvolleren zweiten Staffel der Historienserie "Charité" haben sich die Macher für komplexere Charaktere und düstere Erzählstränge entschieden. Die Ausstrahlung beginnt mit einer Doppelfolge. Ab Episode drei ist die historische Krankenhaus- und Medizinserie in Einzelfolgen immer dienstags, um 20.15 Uhr, im Ersten zu sehen.

Im Frühjahr 2017 sorgte Staffel eins der historischen Krankenhausserie "Charité" für den größten ARD-Serienerfolg seit 25 Jahren. Mehr als acht Millionen schauten im Schnitt die sechs Folgen um eine medizinbegeisterte junge Frau (Allica von Rittberg), die aus einfachen Verhältnissen kam.

Im Renommierkrankenhaus des deutschen Kaiserreichs lernte sie 1888 die späteren Nobelpreisträger Robert Koch, Emil Behring und Paul Ehrlich kennen. Angesichts des Erfolgs ist es erstaunlich – aber auch künstlerisch konsequent – dass die Charité-Autorinnen Dorothee Schön und Sabine Thor-Wiedemann ihre Geschichte mit völlig neuem Personal in einer neuen Epoche fortsetzen.

Auch Star-Regisseur Sönke Wortmann ist nicht mehr an Bord. Die neuen Folgen verantwortet Anno Saul ("Nord Nord Mord", "München Mord"), dessen Bilder weniger opulent, sondern eher nüchtern und mitunter klaustrophobisch sind. Angesichts des Settings, das bombardierte Berlin im "Herbst" des Zweiten Weltkriegs, macht dies inhaltlich durchaus Sinn.

Die gravierendste Veränderung gegenüber Staffel eins stellt jedoch die stärker herausgearbeitete Ambivalenz der Charaktere dar. In "Charité II" gibt es keine strahlende, unbefleckte junge Heldin mehr. Alicia von Rittbergs Pendant als "Ida" ist nun Mala Emde in der Rolle der Jung-Medizinerin Anni Waldhausen. Sie und ihr fescher Mann Artur (Artjom Gilz, Hauptdarsteller der VOX-Serie "Milk & Honey") sind ein an sich linientreues Nazi-Pärchen, mit dem sich der Zuschauer dennoch identifizieren soll – denn die beiden haben im Kern auch etwas Gutes. Ebenso schwierig verhält es sich mit der zweiten Hauptfigur Ferdinand Sauerbruch, den der fantastische Ulrich Noethen einmal mehr mit großer Schauspielkunst zum Leben erweckt. Sauerbruchs Auftritte schwanken zwischen Genie und Choleriker, zwischen Eitelkeit und Humanismus.

Insgesamt muss man feststellen: "Charité II" ist die inhaltlich und künstlerisch anspruchsvollere Staffel. Statt medizinischem Heldentum und Opulenz des Kaiserreichs gibt es nun deutlich mehr Schmutz, Komplexität und historisches Zwielicht. Sollte die Zuschauerresonanz ebenso positiv ausfallen wie bei Staffel eins, wäre dieser Erfolg noch höher einzuschätzen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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