Schauspieler im Interview

Jesse Eisenberg: "Genau zur richtigen Zeit geboren"

von Markus Schu

Kein Held wie alle anderen: Jesse Eisenberg sieht mit seiner schmächtigen Statur nicht wie jeder x-beliebige Hollywood-Star aus. Und doch hat er schon in so mancher Actionkomödie bewiesen, was in ihm steckt. Auch in der Satire "The Art of Self-Defense" sagt er maskulinen Klischees den Kampf an.

Wie ein typischer Hollwoodstar sieht Jesse Eisenberg wahrlich nicht aus. Eher wie der Normalo von Nebenan. Und genau so gibt er sich auch im Interview: sympathisch, zurückhaltend, fast schon schüchtern – von Allüren keine Spur. Dabei kann der 36-jährige New Yorker bereits auf eine eindrucksvolle Filmkarriere zurückblicken: Mit "Adventureland" und "Zombieland" gelang ihm im Jahr 2009 der Durchbruch in der "Traumfabrik". Anschließend verkörperte er den Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg in David Finchers Meisterwerk "The Social Network" (2010) als nerdigen Außenseiter – dafür wurde er völlig zu Recht für den Oscar nominiert. Im Blockbuster "Batman V Superman: Dawn of Justice" (2016) bewies er dann, dass er auch anders kann: Dort gab er eine grandiose Performance als Supermans Erzfeind Lex Luthor. Nun ist Eisenberg in der schwarzhumorigen Satire "The Art of Self-Defense" (ab 4. November digital bei verschiedenen Diensten) zu sehen. Dort spielt er einen Loser, der sich als Karate-Schüler neues Selbstvertrauen aneignen will. Im Interview erklärt Eisenberg, warum er mit seichten Komödien nichts anfangen kann und weswegen er auf Selbstdarstellung im Internet verzichtet.

prisma: In "The Art of Self-Defense" machen Sie Karate, außerdem sprechen Sie Deutsch und Französisch. Wie schwierig war es für Sie, diese Dinge zu erlernen?

Jesse Eisenberg: Deutsch fällt mir wirklich sehr schwer – ich weiß gar nicht warum. Denn Deutsch ist sehr ähnlich zu Englisch und Jiddisch, beides Sprachen, mit denen ich aufgewachsen bin. Karate ist auch echt schwierig, aber glücklicherweise ist mein Charakter nur ein Novize und muss eben noch kein Experte sein. Ich hatte drei Wochen lang Training vor den Dreharbeiten und lernte dabei ein ganz klein wenig Karate. Imogen Poots, die im Film die Anna verkörpert, wurde allerdings sehr versiert in der Kampfkunst. Sie ist eine ziemlich gute Athletin, machte einen großartigen Job und war hervorragend im Karate.

prisma: Der Film beschäftigt sich mit einigen der wichtigsten gesellschaftspolitischen Fragen der Stunde: toxische Männlichkeit, die MeToo-Debatte und so weiter. Ist es wichtig, diese Themen in einer Komödie anzusprechen?

Eisenberg: Ich glaube, das Drehbuch wurde schon geschrieben, bevor diese Themen zu solch wichtigen Debatten geführt haben. Aber weil der Film genau jetzt erscheint, wird er natürlich im Kontext dieser Debatten betrachtet. Daher sind wir uns dieser Themen natürlich viel mehr bewusst, auch wenn es nicht notwendigerweise beabsichtigt war, dass der Film einen expliziten Kommentar zu diesen Fragen darstellt. Aber, ja, es gibt eine große Verbindung zwischen der Komik des Films und dem sozialen Kommentar, weil die Charaktere in einer derart stumpfsinnigen und nichtssagenden Art und Weise über Männlichkeit sprechen, dass sie töricht und absurd dabei klingen. Aber ich glaube das hat sich eher zufällig so ergeben und ist kein kalkulierter Versuch, ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema anzusprechen.

prisma: Vielleicht ist das auch der Grund, weswegen sich der Film so "aus der Zeit gefallen" anfühlt. Man kann nicht genau sagen, wann die Handlung stattfindet ...

Eisenberg: Ganz genau. Die verwendete Technologie sieht aus, als entstamme sie den 1980-ern oder 1990-ern, manchmal ist sie aber auch modern. Daher fühlt sich der Film so an, als fände die Handlung in diesem ungewöhnlichen Universum statt, wo das einzig Gleichbleibende die Tatsache ist, dass mein Charakter in gewisser Weise ein Opfer darstellt.

prisma: Wurden Sie jemals selbst mit toxischer Männlichkeit konfrontiert? Hat jemand einmal behauptet, Sie seien nicht stark oder männlich genug, um diese oder jene Rolle zu spielen?

Eisenberg: Die einzige Situation, die mir dazu gerade einfällt, war mein Engagement beim Film "30 Minuten oder weniger". Dort spielte ich einen Pizzalieferanten, und der Produzent sagte mir, ich solle zum Friseur gehen, weil ich aussähe wie ein "Mathlete". In den USA benutzen wir den Begriff für Leute, die gut in Mathe sind. Da hatte ich das Gefühl, dass man mir sagte, ich solle etwas maskuliner aussehen. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass jemand wie ich genau zur richtigen Zeit geboren wurde, um in der Unterhaltungsindustrie zu arbeiten. Wenn man sich Filme aus den 1980-ern oder den 1990-ern anschaut, dann tendierten die Männer dazu, auszusehen wie Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone. Zu der Zeit, als ich mit der Schauspielerei begonnen habe, war es glücklicherweise schon eher akzeptiert, dass Filmcharaktere so aussehen wie ich.

prisma: Ihre Darstellung des Casey Davies in "The Art of Self-Defense" erinnert ein wenig an Robert De Niro in "Taxi Driver" – natürlich mit einem eher humorvollen Unterton. War der Film eine Art Inspirationsquelle für Sie?

Eisenberg: Darüber habe ich tatsächlich noch nie nachgedacht bis Sie es jetzt gesagt haben! (lacht) Aber ja, das stimmt in gewisser Weise, weil sich der Charakter nun mal radikalisiert. Aber Casey verhält sich eher wie ein fünfjähriger Junge, der versucht, ein harter Kerl zu werden, nur ohne wirkliche Überzeugung. Er tut das nur, weil es ihm gesagt wird. Ich liebte es, Casey zu spielen, weil er die Psychologie eines Kindes besitzt: Am Anfang macht er sich wegen allem Sorgen, und er hat vor allem und jedem Angst. Wenn er dann zum Alphatier wird, dann tut er das in einer ganz ähnlichen, völlig übertriebenen Art und Weise – es fühlt sich dadurch unecht und komisch an. Und ja, in diesem Punkt gibt es vielleicht humoristische Ähnlichkeiten zu "Taxi Driver", in dem Sinne, dass sich jemand, der sehr einsam ist, selbst radikalisiert.

prisma: Haben sich die Arbeit in Hollywood und die Situation in der Gesellschaft im Zuge der "MeToo"-Debatte bereits verbessert?

Eisenberg: Ja, absolut. Am ersten Filmset, an dem ich nach dem Aufkommen der "MeToo"-Bewegung gearbeitet hatte, wurde ein Schauspieler gefeuert, weil er etwas Beleidigendes gegenüber jemandem in der Kostümabteilung gesagt hatte. Das war gerade mal zwei Wochen, nachdem die Bewegung Fahrt aufgenommen hatte. Und seitdem habe ich wirklich viele Veränderungen wahrgenommen. Meine Kolleginnen berichten mir auch von einem Wandel in den Drehbüchern, die sie erhalten: Die Rollen sind nicht mehr so sexualisiert wie drei Jahre zuvor. Das sind alles wunderbare Entwicklungen, und ich hoffe, dass das auch so weitergeht.

prisma: "The Social Network" war sowohl an den Kinokassen als auch in der Filmkritik ein Riesenerfolg. Betrachten Sie Ihre oscarnominierte Darstellung des Mark Zuckerberg als Türöffner für Ihre anschließende Karriere?

Eisenberg: Ja, denn es erlaubte mir, andere Charaktere zu spielen. Weil die Figur so kompromisslos erscheint, wurden mir viele Rollen angeboten, die nicht wirklich sympathisch sind – und das habe ich geliebt! Tatsächlich wollte ich über einen gewissen Zeitraum nur fiese Figuren verkörpern, weil ich über so viele Jahre hinweg immer nur liebenswürdige Personen gespielt habe, wie auch in "The Art of Self-Defense". In "Batman v Superman: Dawn of Justice" spielte ich als Lex Luthor sogar einen Bösewicht – offensichtlich eine Figur, die ganz anders ist, als eine, die eine Website startet! Den Menschen wurde dadurch bewusst, dass es mir Spaß machte, solche Figuren zu verkörpern.

prisma: Sie haben im Laufe Ihrer Karriere in ziemlich vielen Actionkomödien mitgespielt. Woher stammt diese Vorliebe?

Eisenberg: Ich mag einfach keine seichten Komödien. Eine Actionkomödie hat hingegen den Reiz, dass sie ein lustiger Film ist, in dem es auch Platz für intensive Emotionen gibt, weil die Grundsituation nun mal so übertrieben ist. "30 Minuten oder weniger" ist beispielsweise eine sehr lustige Komödie, aber mein Charakter befindet sich darin in einer existenziellen Krise, in einer wirklich lebensbedrohlichen Lage. Das erlaubt mir dann als Schauspieler, zu 100 Prozent Gefühle zu zeigen. Ähnlich wie im Film "The Art of Self-Defense", der für mich die ideale Form einer Komödie darstellt: Es ist ein sehr lustiger Film, aber der Charakter kämpft während der Hälfte der Handlung um sein Leben. Das ist der ideale Ton: Ein komischer Film, aber mit einem emotional agierenden Charakter. Und die Figur ist ungewöhnlich genug, um mich kreativ zu inspirieren. Könnte ich bis an mein Lebensende nur noch solche Filme drehen, wäre das großartig. Aber diese Art von Filmen gibt es nur sehr selten, denn es ist sehr schwer, sie wirklich gut zu machen: etwas, das in einer fiktiven Welt stattfindet, aber für uns völlig nachempfindbar ist.

prisma: Trotz der Tatsache, dass Sie den Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg in "The Social Network" verkörpert haben, sind Sie in den Sozialen Medien nicht aktiv. Warum ist das so?

Eisenberg: Wäre ich kein Filmschauspieler, dann würde ich mit Sicherheit die Sozialen Medien nutzen. Aber weil mein Leben bereits öffentlicher ist, als es für jemanden gesund ist, habe ich kein Bedürfnis, mich außerhalb meiner Arbeit ins Rampenlicht zu stellen. Aber wie gesagt: Wäre ich nicht in der Filmindustrie tätig und würde keine Interviews wie dieses hier führen, dann wäre ich sicherlich sehr gerne online, um über mich selbst zu reden. Aber durch meinen Beruf stehe ich bereits so sehr in der Öffentlichkeit, dass es sich so anfühlt, als wüsste die Welt bereits zu viel über mich.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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