Genre-Zwitter im Ersten

"Teufelsmoor": Ein Riss, der Generationen übergreift

von Wilfried Geldner

Der Film "Teufelsmoor" (Regie: Brigitte Maria Bertele) sehe aus wie ein Spreewaldkrimi, schrieb im Vorfeld ein Blogger. Womit er nicht ganz unrecht hat. Es gibt Familiengeheimnisse darin, die dunkler gar nicht sein könnten, es gibt finstere Dorfbewohner, die alles wegbeißen, was sich ihnen in den Weg stellen will. Gute Seelen haben es hier schwer. So schwer, dass man in den Raunächten Lichter in die Fenster stellt, um sie zu schützen. Und zuletzt wird auch noch eine Teufelspuppe verbrannt, was wirklich wie eine Hexenverbrennung aus früheren Zeiten wirkt.

ARD
Teufelsmoor
Drama • 17.01.2018 • 20:15 Uhr

Inga (Silke Bodenbender) ist mit ihrem sechsjährigen Sohn ins Dorf ihrer Kindheit zurückgekehrt. Ihr Vater ist gestorben, sie ist gekommen, um ihn zu beerdigen. Bei seinem Tod kehren schreckliche Erinnerungen in Inga zurück – vor 30 Jahren verschwanden zwei Menschen im nahen Teufelsmoor: ein Kind und ein junger Mann.

Inga, Übersetzerin aus dem Norwegischen im Verlag ihres Mannes, ist mit den Nerven am Ende. Sie trägt schwer an einer unbekannten Last, mit ihrem Sohn Max kommt sie nicht zurecht. Max leidet an Asthma, und man fürchtet, die merkwürdigen Ängste hätten sich womöglich auf das Kind übertragen. Inga, die Mutter, ängstigt sich jedenfalls auf übertriebene Weise um ihr Kind. Vom Vater, dem gestressten Verlagsmanager, fühlt sie sich allein gelassen. Zur Beerdigung ihres Vaters ist er nicht mitgekommen.

Verdrängung, die in die Verzweiflung führt

Wie schön, dass es da Anna, die Nachbarin (Bibiana Beglau), gibt. Sie wurde vor 30 Jahren von Ingas Eltern aufgenommen, nachdem ihr älterer Bruder verschollen war – zusammen mit dem damals (wie Max heute) sechsjährigen Bruder Ingas übrigens. "Pass auf den Magnus auf!" hatte die Mutter damals Inga, die etwas ältere Schwester, gewarnt beim gemeinsamen Spielen im offensichtlich gutsnahen Moor im Norden (in Vorpommern wurde der Film gedreht). Das Spiel endete in einer Katastrophe, an die sich Inga nicht erinnern kann oder will. Eine Verdrängung, die Inga in die Verzweiflung führt.

Was ist wirklich damals geschehen? Das ist die Frage, die hinter allem steht. Und gerne würde man wissen, warum sich die Nachbarin gar so selbstsicher zeigt. Sie glaubt sehr genau zu wissen, dass der verschollene Magnus, genau wie ihr Bruder, nicht mehr lebt. Manchmal steht Anna einfach so rum und sieht selbst in verzweifelten Situationen Inga teilnahmslos zu. Auch dann, wenn diese in ihrer Angstwut ein Bild ihres kleinen Bruders zerstört oder einfach nicht mehr aus und ein weiß mit ihrem Kind.

Steht sie Annas Psychosen machtlos gegenüber, weiß sie mehr und hüllt sich deshalb in Schweigen? All das wird im Film nicht erklärt. Wie sich der Film überhaupt nicht recht zwischen dem Porträt einer psychisch Kranken und einem gewöhnlichen Thriller mit allerlei Spukmomenten in den Räumen eines alten Hauses – samt ewig verschlossenem Kinderzimmer – nicht entscheiden kann. Wenn der kleine Max (Cai Cohrs) die eigene Mutter mit seinem Maskenspiel schockiert, bekommt auch der Zuschauer die gewünschte Angst. Und eine Mutter fürchtet sich vor ihrem entfremdeten Kind.

Genre-Zwitter

Die Lösung all dessen wird zuletzt sehr drastisch serviert – ein Kriminalfall, der alle vorherigen Angstzustände sehr begreiflich werden lässt. Mit vielen Rückblenden, teils in fahlem Licht und weich gezeichnet, war das Unglück von Beginn an angedeutet worden: der Riss, der durch eine Familie geht und dabei Generationen übergreift. Letztlich werden aber weder Thriller- noch tiefenpsychologische Ansprüche hinreichend erfüllt. "Teufelsmoor" (Drehbuch: Corinna Vogelsang) ist ein Zwitter, der zwischen den Genres Psychodrama und Thriller steckenbleibt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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