Der kulturphilosophische Roadtrip des Dokumentarfilmers Eugene Jarecki verknüpft Aufstieg und Fall Elvis Presleys mit einer Kulturgeschichte Amerikas.
Die Idee Eugene Jareckis für "The King – Elvis und der amerikanische Traum" ist eigentlich simpel: In einem Rolls Royce, früher reiste Elvis damit, fährt der Dokumentarfilmer die Lebens- und Karriere-Stationen des Kings ab: vom Geburtshaus in einem Armenviertel Tupelos, Mississippi, über Memphis, Nashville, Bad Nauheim, New York, Hollywood und Las Vegas. Musikalische Gäste, die Elvis-Songs covern, steigen zu und wieder aus. Ebenso wie Gesprächspartner, die den King, seine Zeit und den Bezug zum Heute analysieren: Rapper Chuck D, Elvis-Biografen, politische Denker und reflektierende Schauspieler wie Presley-Fan Ethan Hawke, Schauspieler und Donald-Trump-Parodist Alec Baldwin, Mike Myers oder Folk-Ikone Emmylou Harris. Parallel zum Aufstieg und Fall des Kings wird – etwas kühn, aber durchaus faszinierend – dessen Leben auf die Geschichte Amerikas übertragen. Der Bayerische Rundfunk wiederholt den sehenswerten Dokumentarfilm von 2017 nun zu später Stunde.
Visuell und akustisch brillant erzählt Jarecki ("Why We Fight", "The House I Live In") gleichzeitig die Story eines jungen, unbändigen Landes und die des atemberaubenden Musikrebellen aus den Armenvierteln Mississippis. Jareckis Reise findet während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 statt, den überraschend der autokratische Milliardär Donald Trump für sich entscheidet. Eine Steilvorlage für jenen Blues, den Jarecki – und viele seiner Fahrgäste – über Amerika anstimmen: ein verfettetes Land auf Drogen, das Freiheit und Demokratie stets an den Höchstbietenden verhökerte.
Auch Elvis war nie ein politischer oder gesellschaftlich ambitionierter Sänger. Der größte Star von allen wollte sich im Gegensatz zu Zeitgenossen wie Muhammad Ali, Harry Belafonte oder so manchem Hollywoodstar nie zugunsten der schwarzen Bürgerrechtsbewegung oder gegen Vietnam äußern. Stattdessen suchte der wilde, hochbegabte Junge mit dem perfekten Körper und einem Naturereignis als Stimme stets den besten Deal für die nächste Zeit und noch schöneren Luxus. Eine Tragödie.
Die coolen Backseat-Konzerte von John Hiatt, Emi Sunshine and the Rain, Immortal Technique, M. Ward, Mary Gautier und anderen Musikern, die Elvis-Stücke covern, sind wie die schönen Landschaftsbilder von Kameramanns Tom Bergmann bitter nötig: "The King – Elvis und der amerikanische Traum" braucht diese kurzen Phasen des Verschnaufens auf einer kulturphilosophischen Tour de Force, die der Film von seinem Betrachter verlangt.
Sicher kein klassisches Wohlfühl-Musik-Movie der Marke "Buena Vista Social Club", das den Zuschauer zum Schwelgen und Genießen einlädt. Dennoch fasziniert Jareckis Abgesang auf Amerika, der erst vor Kurzem in einigen Programmkinos Premiere feierte. "Donald Trump wird niemals diese Wahlen gewinnen – keine Chance", sagt Schauspieler Alec Baldwin darin, während er lässig einigen Fans aus Elvis' Rolls Royce heraus winkt. Natürlich stammt diese Szene aus der Zeit kurz vor der US-Wahl im November 2016. Wie alle wissen, täuschte sich Baldwin. Ebenso wie Elvis, der dem amerikanischen Traum nachjagte und 1977 42-jährig mit Drogen vollgepumpt auf einer Toilette verstarb.
Quelle: teleschau – der Mediendienst