"We want Sex"

Eigentlich geht's gar nicht um Sex

von Annekatrin Liebisch

Erst nach Mitternacht zeigt die ARD den Film "We Want Sex". Schlüpfrig geht es darin aber nicht zu. Stattdessen verbirgt sich hinter dem irreführenden Titel eine herrlich natürliche Sozialkomödie, die nur aus Großbritannien stammen kann.

ARD
We Want Sex
Komödie • 29.07.2019 • 00:25 Uhr

Sehnsüchtige Teenager, die endlich zum Zug kommen wollen? Unersättliche Männer, die Vergnügen suchen? Unzufriedene Frauen, die ihre Fantasien ausleben wollen? Wie irreführend der Titel von Nigel Coles dramatischer Komödie "We Want Sex" (2010) doch ist! Denn obwohl die Variante mit den frustrierten Frauen gar nicht so weit daneben ist, geht es in dem Film des "Kalender Girls"-Regisseurs nicht außerordentlich sexy zu: Soziale Ungerechtigkeit ist es, die die Arbeiterinnen – mit kunstvoll toupierten Föhnfrisuren – im englischen Dagenham 1968 auf die Barrikaden treibt. Nun zeigt das Erste den Film erneut.

"We want sexual equality" lautet die eigentliche Forderung, die auf dem vollständig ausgerollten Spruchband der protestierenden Frauen prangt. Denn als sie trotz anspruchsvoller Tätigkeit für die Gehaltsabrechnung nur als ungelernte Arbeiterinnen eingestuft werden sollen, reagieren die Näherinnen des Fordwerkes in Dagenham empört – zumal es in ihrer unklimatisierten Werkshalle im Sommer so unerträglich warm wird, dass sie in Unterwäsche arbeiten müssen. So viel zum schlüpfrigen Teil des Films, den der britische Regisseur mit alten Werbespots ein- und Interviews mit den historischen Vorbildern seiner Figuren ausklingen lässt.

Vertreten von der Näherin Rita (Sally Hawkins, "Happy-Go-Lucky") und dem verständnisvollen Gewerkschaftsvertreter Albert (Bob Hoskins) versuchen sich die Arbeiterinnen bei der (männlichen) Firmenleitung Gehör zu verschaffen – und treffen natürlich auf taube Ohren. Aufgebracht von dieser Ungerechtigkeit wächst die sanftmütige Rita über sich hinaus: Sie entdeckt ihr Kämpferherz und die ungekannte Fähigkeit, ihre Entrüstung über ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in ehrliche, aufrüttelnde Worte zu verpacken, mit denen sie Mitstreiterinnen, Gewerkschaftsbosse und Zuschauer auf ihre Seite zieht. Kurzerhand ruft sie zum ersten Frauenstreik des Landes auf, der vom lokalen Problem bald zur politischen Grundsatzfrage wird.

Die bunt gemusterten Kostüme, die helle, leicht verwaschene Gesamtoptik, der stimmungsvolle Soundtrack – Nigel Cole versteht es glänzend, das Flair der 60er-Jahre heraufzubeschwören, jedoch ohne dabei deplatzierte Nostalgie zu wecken. Schließlich wurden zu Zeiten der Blumenkinder Schulkinder noch mit dem Rohrstock gezüchtigt. So stellt der Regisseur zu keinem Zeitpunkt die Ernsthaftigkeit des historischen Konflikts infrage, geschweige denn dessen Bedeutung. Das Augenzwinkern des Briten bleibt dennoch unverkennbar.

Denn dank ihrer ungekünstelten Art ist es einmal mehr nahezu unmöglich, Coles Heldinnen nicht ins Herz zu schließen. Sie sind normale Frauen, keine Hollywood-Hochglanzweiber. Very british, eben: mit einigen Schrullen, aber nachvollziehbaren Sorgen und einem erfrischend bodenständigen Humor. Diese einnehmende Natürlichkeit ist es, die in "Made in Dagenham" – so der Originaltitel – überzeugt.

Sally Hawkins brillierte in ihrer Rolle als Rita O'Grady. Für die Schauspielerin ging es nach "We Want Sex" steil bergauf. So spielte sie in "Godzilla" (2014) oder "Paddington" (2014) und übernahm in der Filmbiografie "Maudie" (2016) über die Malerin Maud Lewis und in dem mit vier Oscars ausgezeichneten Spielfilm "Shape of Water – Das Flüstern des Wassers" (2017) die Hauptrollen. Zuletzt war sie in "Godzilla II: King of the Monsters" zu sehen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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