TV-Koch im Interview

Frank Rosin: "Wir arbeiten mit einer brutalen Ehrlichkeit"

von Eric Leimann

In "Rosins Restaurants" hilft er Gastronomen, die in Schwierigkeiten geraten sind, wieder in die Spur. Im Interview betont Frank Rosin, dass das für ihn mehr ist als ein Fernsehjob – und kritisiert die Gastronomie in Deuschland.

Seit zehn Jahren hilft "Rosins Restaurants" Gastronomen in Not. Anfang wurde die kabel eins-Sendung als Plagiat von "Rach, der Restauranttester" belächelt. Doch während der anfangs feinsinniger wirkende Christian Rach sich irgendwann müde gerettet hatte, scheint Frank Rosin nach einer Dekade Erfolgs-TV vor Tatendrang nur so zu strotzen. Auch der Vorwurf, er sei eine eher grobschlächtige Natur, kann nach einem Gespräch mit dem 53-Jährigen kaum aufrechterhalten werden. Am Donnerstag, 1. August, 20.15 Uhr, beginnt die zwölfte Staffel "Rosins Restaurants". Der 53-Jährige ist mit zwei Michelin-Sternen und 16 Punkten im Gault-Millau Deutschlands "höchstausgezeichneter" TV-Koch. Was treibt ihn an?

prisma: Im November sind Sie mit "Rosins Restaurants" zehn Jahre lang auf Sendung. Was ist heute anders als damals?

Frank Rosin: Ich ärgere mich nicht mehr über den lange schwelenden Vorwurf, wir würden etwas inszenieren. Was übrigens nie der Fall war. Wenn wir vor der Tür stehen, sind unsere Protagonisten komplett überrascht. Aber danach beginnt sofort die Arbeit.

prisma: Unterscheidet sich Ihre Arbeit nach zehn Jahren Berufserfahrung von der Herangehensweise der ersten Staffel?

Rosin: Ja. Wir entscheiden inzwischen rein aus der Erfahrung heraus. Wir wissen längst, dass fast alle unsere Protagonisten viel mehr Probleme haben, als nur ein Restaurant, das schlecht läuft. Jeder, der Geldprobleme hat, bringt auch soziale Probleme mit. Dann hakt es mit der Familie, mit Freunden und man kann gut gemeinte Versprechen nicht einhalten. Zur finanziellen kommt bei den Leuten meist auch eine soziale Insolvenz hinzu.

prisma: Sie stechen oft in ein Wespennest von Problemen. Haben Sie Angst vor der Größe der Aufgabe?

Rosin: Die Aufgabe ist tatsächlich nur in der Gruppe zu stemmen. Wir haben zum Glück ein Team, das sich fast unverändert seit 13 oder 14 Jahren kennt. Es bin ja nicht nur ich, der versucht zu helfen. Das geht auch gar nicht. Jeder, der im Raum steht, muss mitmachen. Zum Beispiel mein Kameramann. Er ist zehn Jahre dabei, war bei jedem Fall hinter der Linse. Auch er sieht seinen Job in einer Doppelfunktion. Er denkt und fühlt bei jedem Szenario mit, ebenso wie die Redakteure.

prisma: An welchem Punkt holen Sie andere Fachleute zur Hilfe?

Rosin: Die Produktionsfirma stellt uns Anwälte, Steuerberater und Psychologen. Sie werden immer eingesetzt, wenn es nötig ist. Sie arbeiten im Hintergrund.

prisma: Es gibt doch sicher Fälle, bei denen es ratsam wäre, etwas ausführlicher dabeizubleiben. Wie lange können die Restaurantbetreiber Sie anrufen?

Rosin: Wir haben ein Jahr lang Kontakt zu den Protagonisten. Das bieten wir auf jeden Fall an. Wir reagieren aber auch auf Menschen, mit denen wir vor zwei Jahren gedreht haben.

prisma: Wie viele Restaurants haben Sie in den zehn Jahren gerettet?

Rosin: Das ist nach zehn Jahren schwer nachzuvollziehen. Aber in der vergangenen Staffel hatten wir eine Erfolgsquote von knapp 69 Prozent. Das ist ein Wert, mit dem ich sehr zufrieden bin.

prisma: Welche Herangehensweise an die Probleme der schlingernden Gastronomen hilft am besten?

Rosin: Ehrlichkeit! Wir arbeiten mittlerweile mit einer brutalen Ehrlichkeit. Alles wird gnadenlos angesprochen. Wenn uns die Leute etwas verheimlichen, auch weil sie sich schämen, dann können wir nichts für sie tun. Alles muss auf den Tisch, erst dann können die Probleme angegangen werden. Wenn der Turnover tatsächlich gelingt und die Menschen begreifen, dass sie es schaffen können, sind sie so euphorisch und glücklich, als wenn sie von einer schweren Krankheit geheilt worden wären. Das ist immer noch ein grandioser Moment.

prisma: Zehn Jahre sind für ein Fernsehformat eine lange Zeit. Hand aufs Herz – sind Sie immer noch genauso motiviert, wie bei Ihren ersten Berater-Jobs?

Rosin: Auf jeden Fall. Das ist für mich lange schon viel mehr als ein Fernsehjob. Es ist eine richtige Lebensaufgabe, nämlich Nächstenliebe. Ich bin auch privat jemand, der lieber im direkten Umfeld hilft, als dass ich in der Kirche eine Kerze anzünde.

prisma: Sie sind Restaurantbesitzer, stehen diversen Fernsehshows vor, leiten eine Firmengruppe. Kochen Sie überhaupt noch?

Rosin: Spielt Jürgen Klopp noch Mittelstürmer? Die falsche Betrachtung der Gastronomie, auch durch die Medien, die den Küchenchef immer am Herd sehen wollen, ist ein Grund, warum Spitzengastronomie wirtschaftlich nicht funktioniert.

prisma: Das müssen Sie erklären ...

Rosin: Wenn der Küchenchef jeden Tag selbst am Herd steht, kann er die Dynamik des Unternehmens nicht nutzen, um an anderer Stelle Geld zu verdienen. Mit einem Spitzenrestaurant geht das nicht. Dafür sind Aufwand und Kosten zu hoch. Man muss auch an anderer Stelle Geld verdienen, um ein Sterne-Restaurant quer zu finanzieren. Ein Küchenchef, der nur kocht, ist ökonomisch dumm.

prisma: Sie haben gerade wieder einmal den Hotel- und Gaststättenverband scharf kritisiert, da das Ausbildungsniveau dem Anspruch unserer Zeit nicht Folge leisten würde. Was passt Ihnen nicht?

Rosin: Wir haben über eine Million Gastronomie-Betrieben in Deutschland. Gastronomie ist ein Kulturgut, es ist Teil der Freizeitgestaltung. Dazu ist es etwas, das die Menschen fast täglich nutzen. Und so etwas hängt am seidenen Faden, weil unser Land sich nicht befähigt fühlt, ein Konzept zu verabschieden, dass Gastronomen auch ausgebildete Gastronomen sein müssen.

prisma: Sie haben vor zehn Jahren schon ähnlich argumentiert. Warum ist es so schwierig, den Schritt einer klaren Ausbildungs- und Anforderungsregelung für die Gastronomie zu gehen?

Rosin: Weil Restaurants, Imbisse und Cafés ein leicht erwirtschafteter Teil des Bruttosozialproduktes sind. Es ist der Teil der Wirtschaft, bei dem jeder sofort mitmachen, Geld verdienen und Steuern zahlen kann. So etwas will man sich nicht durch Regelungen und Qualitätssicherung kaputt machen. Dieses Denken ist aber auch verantwortlich für die teils erschreckenden Dinge, die da im Namen des gastronomischen Angebots passieren.

prisma: Kritisieren Sie auch die geregelte Ausbildung an sich?

Rosin: Auch da würde ich mehr verlangen. Sie müssen sich mal vorstellen, dass ein Koch in der Gesellenprüfung ein Menü kocht, das er vier Wochen vor der Prüfung schon genannt bekommt. Das ist genauso, als würde der Abiturient vier Wochen vor dem Abi bereits die Prüfungsfragen erhalten.

prisma: Was müsste sich also ändern?

Rosin: Die Ausbildung zum Koch ist in Deutschland noch weitgehend so wie in den 60er-Jahren. Ich glaube nicht, dass es allzu viele Berufe gibt, bei denen das so ist. Es besteht dringender Reformbedarf. Aber es müsste ein Generationswechsel in der Führung des Verbandes stattfinden, damit diese Reformen auch tatsächlich angegangen werden.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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