Woody Harrelson im Interview

"Amerika ist weder ein freies Land noch eine Demokratie"

von Margarete Richter

In "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" (Start. 25. Januar) mimt Woody Harrelson (56) den Sheriff eines Provinzkaffs, dem von einer trauernden Mutter (Frances McDormand) per Werbetafel vorgeworfen wird, zu wenig im Mordfall ihrer Tochter zu tun. Harrelson, der für seine Rolle als Bester Nebendarsteller für einen Oscar nominiert ist, spricht im Interview über die Vielschichtigkeit der Menschen im Film von Autor und Regisseur Martin McDonagh und schwärmt von der Leistung seiner Kollegen. Nicht überraschend, dass auch Frances McDormand und Sam Rockwell mit einer Nominierung bedacht wurden. Ein Gespräch über Politik, Marihuana und die Ölbranche.

prisma: Sie waren früher immer der Bösewicht, Psychopath oder mindestens der Außenseiter. Jetzt haben Sie es zum Sheriff gebracht. Wie fühlt sich das an?

Woody Harrelson: Wie eine Beförderung (lacht). Ich mag Bill, er ist ein guter Typ, ein Familienvater für den der Mord an der Tochter von Frances ein sehr frustrierendes, weil unlösbares Verbrechen ist. Er fühlt mit der Mutter und ist alles andere als der tumbe, desinteressierte Red-Neck-Polizist, für den man ihn zunächst hält. Aber was soll er tun, wenn er keine Beweise hat? Darin liegt die Schönheit des Drehbuchs von Martin McDonagh, dessen Figuren komplex und vielschichtig sind.

prisma: So vielschichtig wie Bills Mitarbeiter Dixon ...

Harrelson: Sam Rockwell liefert ebenso wie Frances McDormand immer großartige Darstellungen ab. Aber das hier ist in meinen Augen seine allerbeste! Diese Persönlichkeitsentwicklung so glaubhaft hinzubekommen. Wahnsinn!

prisma: Menschen in ihrer Vielschichtigkeit zu erkennen, ist Thema des Films. Lässt sich das auch auf die reale Welt übertragen?

Harrelson: Ich halte es für gefährlich, dass man plötzlich glaubt, jeder in den USA sei ein Rassist. Und Trump-Wähler sind einfach nur Idioten. Das stimmt nicht. Meine Schwiegermutter hat auch für Trump gestimmt. Sie ist eine sehr konservative, kalifornische Katholikin mit chinesischen Wurzeln. Sie hat für ihre Partei gestimmt, weil sie überzeugte Republikanerin ist. Sie würde niemals für die Demokraten stimmen. Punkt. Es gibt viele Leute, die das aus denselben Gründen getan haben.

prisma: Sie haben Verständnis für Ihre republikanischen Landsleute ...

Harrelson: Natürlich. Es gibt eben viele, die wollten einfach nicht mehr denselben Schwachsinn in der Politik wie vorher. Blöderweise stellt sich jetzt heraus: Es passiert unter Trump genau derselbe Bullshit, wenn nicht sogar noch schlimmerer.

prisma: Warum noch schlimmer?

Harrelson: Normalerweise sind Politiker Geschäftsleute, die für mächtigere Geschäftsleute arbeiten. Aber jetzt haben wir in der US-Regierung mächtige Geschäftsmänner, die für den mächtigsten Geschäftsmann des Landes arbeiten. Der erhöht dann gleich mal das Militärbudget um neun Prozent. Das bedeutet Milliarden mehr für ein ohnehin schon überhöhtes Budget. Donald Trump wird sich auch über sämtliche Umweltschutzgesetze hinwegsetzen, weil alles, was er tut, nur seinen eigenen Geschäften dient. So läuft das zwar bei vielen Regierungen. Aber in diesem Fall ist es schon reichlich obszön.

prisma: Sind Sie optimistisch, dass sich etwas ändern wird?

Harrelson: Was das betrifft, bin ich ein wenig zynisch geworden. Es ist ein sehr korruptes System. Kann man das Demokratie nennen, wenn die Person, die die meisten Stimmen bekommt, nicht Präsident wird? Ist das ein freies Land, wenn man nicht sagen kann, was man denkt oder meint, ohne sich oder anderen zu schaden? Wir tragen Scheuklappen und glauben an die Freiheit in unserem Land, aber schlicht gesagt: Das stimmt nicht. Amerika ist weder ein freies Land noch eine Demokratie. Es ist eine Oligarchie, die vom großen Geschäft regiert wird, Ölindustrie, Kohle, Militär. Diese Leute sind alle gute Kumpel, und sie entscheiden, was passiert. Das ist schon deprimierend.

prisma: Wie sieht es mit Ihnen selbst aus?

Harrelson: Für mich ist es unvorstellbar, diesen Typen zu wählen. Ich war vor Jahren einmal zu einem Abendessen mit Donald Trump geladen. Ich musste zwischenzeitlich gehen, um draußen einen Joint zu rauchen, sonst hätte ich es nicht ausgehalten. Ich fand ihn sehr abstoßend. Dabei ist das doch schon sehr traurig, wenn man mit einem Mann, der dann dein Präsident wird, nicht mal gemeinsam essen mag. Er war der narzisstische Mensch, der mir jemals begegnet ist, hat ständig über seinen Reichtum geredet. Dabei soll Geld ja ein Symbol für Glück sein. Glauben Sie mir: Ich habe eine Menge reiche Leute getroffen. Sie schienen mir keine glücklichen Menschen zu sein, sondern reichlich verspannt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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