Schlagersänger erinnert sich

Patrick Lindner über Outing: "Danach wurden meine Platten nicht mehr gekauft"

25.02.2022, 08.40 Uhr

Vor 23 Jahren outete sich Patrick Lindner als schwul – in der eher konservativen Schlagerszene gab es damals viele negative Reaktionen. Nun hat sich der Sänger an die schwere Zeit, die er als "Zwangsouting" empfand, erinnert.

Drei Menschen sitzen nachts im Wald. Der Moderator trägt eine Mönchskutte, sein Premierengast eine dicke Daunenjacke und einen Hund auf dem Schoß. Ein Pfau macht dann und wann sirenenartige Geräusche. "Gedankenpalast" heißt die ausgefallene neue Reihe, die am späten Donnerstagabend im BR-Dritten auf Sendung gegangen ist. Oliver Polak, der Mann in der Mönchskutte, wird wieder seinem Ruf gerecht, das Genre der Talkshow in immer neuen Spielarten von Grund auf zu revolutionieren.

Bei seinem neuen "Gedankenpalast" klappt das augenscheinlich ausgezeichnet. Im schummrigen Miteinander zur blauen Stunde kamen zum Start die 22-jährige "Zeit"-Journalistin und Podcasterin Yasmine M'Barek sowie der Schlagersänger Patrick Lindner ins durchaus vertiefte Gespräch. Vor allem Lindner offenbarte sich in einer reflektierten und ungeschminkten Weise, wie es in der Schlagerwelt keine Selbstverständlichkeit ist. Zumindest war es das nicht, als sich Patrick Lindner vor nunmehr 23 Jahren als homosexuell outete.

"Hattest Du das Gefühl, gecancelt worden zu sein – vielleicht sogar Angst, dass alles vorbei ist?", stellte Oliver Polak das damalige Coming-out in einem Zusammenhang mit dem derzeit viel diskutierten Schlagwort der "Cancel Culture". Lindner bejahte: "Das war tatsächlich so. Man fühlt sich wie an die Wand gestellt. Man fühlt sich wirklich verloren, man ist in einem tiefen Tal und fühlt sich auch einsam. Das war damals ein schreckliches Gefühl, muss ich sagen."

Im Verhältnis zu den Fans sei ein Stück weit Vertrauen verloren gegangen, "weil ich angehalten war, die Sache mitzutragen, ja nichts zu sagen". Gastgeber Polak intervenierte energisch: "Wo ist der Vertrauensbruch, warum muss man sich überhaupt outen?" Der Schlagerstar versuchte zu erklären. Man habe in ihm über Jahre einen anderen Menschen gesehen, als er war: "Ich war damals der Schwiegermuttertraum. Jede Mutter hat sich gewünscht, dass ich ihre Tochter heiraten würde."

"In dem Moment ist für viele die Illusion zerplatzt"

Um seine Person seien große Illusionen aufgebaut worden. "Mit Illusionen hat natürlich unser ganzer Beruf zu tun. Aber in dem Moment ist für viele die Illusion zerplatzt. Das war ein großer Schmerz, den manche wahrscheinlich in sich getragen haben, weil sie eben sagten: Der hat uns ja belogen die ganze Zeit." So sei es zumindest dargestellt worden. Tatsächlich habe er niemanden belogen. "Ich war ja hinterher auch kein anderer Mensch."

Patrick Lindner bekannte sich 1999 in einem Interview als erster namhafter Künstler der deutschen Schlagerbranche zu seiner Homosexualität. Nachdem es zuvor Gerüchte über seine Beziehung zu seinem damaligen Lebensgefährten und Manager gegeben hatte, empfand Lindner den Vorgang als "Zwangsouting". "Danach wurden meine Platten nicht mehr gekauft", erinnerte sich der Sänger, der 1989 beim "Grand Prix der Volksmusik" seinen Durchbruch geschafft hatte, vor wenigen Jahren gegenüber "Bild". "Ich habe durch das Outing einen enormen finanziellen Schaden erlitten. Der war so groß, dass ich ihn gar nicht beziffern kann."

Heute ist der gelernte Koch mit dem Manager Peter Schäfer liiert. Das Paar heiratete 2020 in Lindners Geburtsstadt München. Er freue sich, so Lindner im BR-Talk "Gedankenpalast", einen Partner an seiner Seite zu haben, mit dem er auch berufliche Erlebnisse teilen könne. Das nehme ihm das Gefühl der Einsamkeit, das er früher oft nach Auftritten verspürt habe.

Talk-Gäste der zweiten "Gedankenpalast"-Ausgabe am Donnerstag, 3. März, 23.15 Uhr, im BR-Fernsehen, sind die Rapperin Sabrina Setlur und die Transgender-Aktivistin Hana Corrales. Ebenfalls laut Programmankündigung mit dabei: ein Pferd und eine Ziege.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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