Serie bei Apple TV+

"Slow Horses": Diese Agenten sind ziemliche Loser

27.03.2022, 15.12 Uhr
von Eric Leimann

Mit James Bond haben diese britischen Agenten wenig gemeinsam: Die Serie "Slow Horses" mit Oscar-Preisträger Gary Oldman dekonstruiert die Welt der Geheimdienste zu einer dunklen Komödie voller Nerds, Nervtöter und Loser.

Morgens gehen sie über einen unauffälligen Londoner Hinterhof zu einer klemmenden Stahltür. Diese wuchten sie nacheinander auf und gelangen über ein schäbiges Treppenhaus in ein ebensolches Büro. Hier sortieren die "Slow Horses" Müll von verdächtigen Personen oder gehen anderen sinnlosen, ja erniedrigenden Tätigkeiten nach. Die Rede ist von einer Einheit der Aussortierten beim britischen Geheimdienst MI5. Die "Slow Horses" stehen unter dem Kommando des versoffenen, jähzornigen Jackson Lamb (Gary Oldman). Einst war der Mann eine Agenten-Legende, aber die Zusammenarbeit mit dem am Messie-Syndrom leidenden Eigenbrötler ist – vorsichtig formuliert – schwierig. Die sechs Folgen der Serie "Slow Horses" bei Apple TV+ (Start am Freitag, 1. April, mit einer Doppelfolge, danach geht es im Wochenrhythmus und jeweils einer Episode weiter) bebildern den ersten Roman der hochgelobten Jackson Lamb-Krimireihe des britischen Autors Mick Herron.

Will Smith ("Veep – Die Vizepräsidentin") adaptierte den Stoff fürs Fernsehen, und man darf durchaus sagen, dass viele, gerade in Großbritannien, auf diese Verfilmung des in letzter Zeit qualitativ mit viel Gutem aufwartendem Streamingdienst Apple TV+ warten: Nicht nur, weil sich Planung und Dreharbeiten wegen der Corona-Pandemie über mehrere Jahre zogen, sondern auch, weil Mick Herrons seit 2010 existierender Romanreihe ob ihrer cleveren Plots und des Sprachwitzes auf der Insel als mit das Beste an Agentenliteratur gelten, was es derzeit zu lesen gibt. Entsprechend heiß waren prominente Darstellerinnen und Darsteller auf den "schäbigen" MI5-Job: Neben Gary Oldman (64), der sein schauspielerisches Lebenswerk hier um eine weitere maximal exzentrische Figur erweitert, sind Kristin Scott Thomas als Agentenchefin oder Jonathan Pryce als pensionierter MI5-Vizechef und Opa eines jungen "Slow Horse"-Büßers zu sehen.

Autor und Co-Showrunner Will Smith ("Veep – Die Vizepräsidentin") versammelt für "Slow Horses" – gerade aus britischer TV-Konsumentensicht – ein ziemliches Star-Ensemble. Doch für wen ist die Serie geeignet? Dies zu beantworten, ist gar nicht so leicht, denn die Handlung entspricht eher eine Posse beziehungsweise der Charakterstudie eines Haufens von Nerds, Nervtötern und Losern. Wer nach einem klassisch verzwickten Drama rund um einsame Agenten und einer gefährlichen Welt des Scheins und der Täuschung sucht, wird eher auf indirekte Weise bedient.

Ein Student wurde entführt

Zunächst mal lernen Zuschauende das bemitleidenswerte Ensemble der wegen Unfähigkeit, Drogensucht und anderer gravierender Probleme aussortierten Agenten kennen. Im Mittelpunkt stehen der junge River Cartwright (Jack Lowden, der Pilot aus "Dunkirk") und seine – für diesen Posten – erstaunlich fitte Kollegin Sid Baker (Olivia Cooke, "Bates Motel"), die mit ihrer Gruppe in den Fall eines Studenten mit Migrationshintergrund hineingezogen werden, der von einer Gruppe rechter Hohlköpfe entführt wurde. Doch wer in England ist noch in den medienwirksamen Fall involviert – und verfolgt darin welche Ziele?

Die sechs zwischen 42 und 55 Minuten dauernden Folgen "Slow Horses" erzählen Mick Herrons ersten von mittlerweile zehn Jackson Lamb-Romanen. In der komplett von James Hawes ("The Black Mirror") inszenierten Serie werden vor allem mit dunklem britischen Humor getränkte Befindlichkeitsdialoge geführt. Es geht ums Scheitern und die persönliche Restwürde, um die Einsamkeit heutiger Agenten und ihrem Wunsch nach Liebe und einem normaleren Leben. Ob die redeintensive Show mit ihren manchmal etwas wahllos eingestreuten Action-Momenten ein ausreichend großes Publikum findet, bleibt abzuwarten. Apple jedenfalls scheint an das Projekt zu glauben. Weitere sechs Folgen, die einen zweiten Mick Herron Roman rund um Jackson Lamb verfilmen, sollen bereits bestellt sein.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren