Kritik zum Spielfilm

Davos 1917: Kritik zum Spielfilm in der ARD – Wie "Babylon Berlin"?

20.12.2023, 07.18 Uhr
von Eric Leimann

1917 treffen sich in der "neutralen" Schweiz Agenten, Offiziere, Großbürger und Fußvolk des Ersten Weltkrieges in einem verschneiten Sanatorium. Mit 19 Millionen Euro ist "Davos 1917" ist die bisher teuerste Produktion des Schweizer Fernsehens – und eine Art "Babylon Berlin" mit Alpenflair.

ARD
Davos 1917
Historische Mini-Serie • 20.12.2023 • 20:15 Uhr

Hauptschauplatz der sechsteiligen Miniserie "Davos 1917" ist ein luxuriöses Sanatorium in den schneebedeckten Schweizer Alpen. Man schreibt das Jahr 1917, der Erste Weltkrieg tobt in Europa. Die neutrale Schweiz ist von Großmächten umgeben, die sich rund um die Schützengräben dem Massentod hingeben. Doch im mondänen Kosmos des Curhauses Cronwald in Davos ist davon wenig zu spüren. Hier erholen sich die Reichen und "Verdienten" aller Nationen – Adelige, Großbürger, Offiziere – von Verletzungen und Krankheiten wie der Tuberkulose. Unter der Oberfläche wird jedoch auch hier gekämpft. Johanna Gabathuler (Dominique Devenport), Tochter des Sanatoriumsbetreibers (Hanspeter Müller-Drossaart), kehrt hochschwanger von ihrem Rotkreuz-Einsatz an der Westfront zurück.

Das Kind nimmt man der ledigen Mutter nach der Geburt weg, stattdessen soll sie sich als Krankenschwester im Familienbetrieb "rehabilitieren". Der patriarchale Familienplan lautet: Sie muss den einflussreichen Politiker Thanner (Sven Schelker) heiraten, für den sie nichts empfindet. Durch die Hochzeit soll der finanziell angeschlagene Betrieb des Sanatoriums sichergestellt werden.

Im Cronwald lernt Johanna die deutsche Gräfin Ilse von Hausner (Jeanette Hain) kennen, die ihr Informationen über ihr Kind anbietet, wenn sie die ein oder andere Spionagetätigkeit im Sinne des Deutschen Reiches für die Agenten-Strippenzieherin übernimmt. Das Sanatorium scheint dafür bestens geeignet. Hier treffen sich Vertreter und Agenten der großen europäischen Mächte wie unterm Brennglas. Johanna soll herausfinden, was die Entente – der Kriegsverbund aus England, Frankreich und dem russischen Zarenreich – mit der ominösen "Mission H" vorhat.

Dabei trifft Johanna im "Cronwald" sowohl den charmanten Arzt Dr. Mangold (David Kross), den sinistren Agenten Franz (Stipe Erceg) oder auch Generäle wie den Briten Taylor (Cornelius Obonya). Verliert sich die junge Heldin im komplexen Agentenspiel, auf das sie sich eingelassen hat, um ihr Kind wiederzusehen – und wie gefährlich wird es für sie? Das Erste zeigt die ersten drei Folgen der 19 Millionen Euro teuren Historienserie zur Mittwochs-Primetime am Stück. Die Episoden vier bis sechs laufen am Folgeabend, Donnerstag, 21. Dezember, ab 20.15 Uhr. In der ARD Mediathek stehen die gesamten sechsmal 45 Minuten ab 20. Dezember zum Streamen bereit.

Agenten auf dem "Zauberberg"

Man muss schon sagen – die Optik der schweizerisch-deutschen Koproduktion (Regie: Jan-Eric Mack, Anca Miruna Lăzărescu, Christian Theede) stimmt. Man sieht den opulenten Bildern der bislang teuersten schweizerischen Fernsehproduktion jeden ihrer 18 Millionen Franken an. Und zumindest der Erfolg in der Schweiz gibt den Machern der Produktion vorerst Recht: Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF freute sich nach der linearen Ausstrahlung von Folge eins bereits über 37,8 Prozent Marktanteil, insgesamt 568.000 Zuschauende.

Auch das Setting der Agentenserie im alpinen Jugendstil-Sanatorium ist nicht nur spannend, sondern sorgt für einen tollen historischen Look. Gedreht wurde im heutigen Hotel "Schatzalp" in Davos. Tatsächlich wurde das Haus 1900 als Sanatorium errichtet – hier weht mehr als nur ein Hauch von Thomas Manns "Zauberberg". Auch die Geschichte, die klar auf einen großen internationalen Markt schielt, transportiert viel Historie zum komplexen Ränkespiel der europäischen Großmächte jener Zeit und einer sich wandelnden Gesellschaft zwischen altem Adel, Industrialisierung, Kriegshorror und dem Aufbegehren des Proletariats.

Damit alles nicht zu schwer wird, hat sich der Schweizer Headautor und Creative Producer Adrian Illien ("Der Bestatter") für ein Figuren-Kabinett aus dem klassischen Melodram entschieden: die junge Heldin auf der Suche nach dem verlorenen Kind, ein böser Ehemann in spe und eine herzerwärmende Alternative in Form eines netten Arztes. Dazu ein paar undurchsichtige Figuren, angeführt von Jeanette Hain, deren Part an Mata Hari erinnern soll. Dass Autor Illien seine Drehbuchkarriere bei der Telenovela "Sturm der Liebe" begann, konnte bei diesem Konzept nicht schaden.

Im Resultat wird die alpine Highend-Serie viele Menschen zufriedenstellen: Man folgt einer jungen Heldin, die praktischerweise schon als "Sisi" aus der geleichnamigen RTL-Serie eingeführt ist, durch eine übersichtlich komplexe Handlung voller satter Bilder, die bis hinein in die Party- und Exzess-Szenen an ein schweizerisches "Babylon Berlin" erinnern. Nur dass diese Schweizer Version eben zehn bis 15 Jahre früher spielt und im verschneiten Davos statt in den Häuserschluchten der Metropole Berlin stattfindet. In der Gesamtqualität kommt "Davos 1917" dennoch nicht an "Babylon Berlin" heran. Dafür regieren im Schweizer Werk zu viele Figuren-Klischee und Plot-Ideen von der Stange. Schade! Die tollen Drehorte, feine Ausstattung und auch das interessante historische Setting hätten eine bessere Geschichte verdient gehabt.

Davos 1917 – Mi. 20.12. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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