"Deadlines": Wenn die Zeit abläuft

"Deadlines" handelt von vier Frauen in ihren Dreißigern, die vor großen Entscheidungen stehen. prisma hat mit Showrunner Johannes Boss ("Jerks", "Er ist wieder da") über die Serie gesprochen.
"Deadlines" ist die erste Serie, für die Sie gesamtverantwortlich sind. War das ein langgehegter Wunsch oder wurde es Ihnen eher aufgedrängt?
Tatsächlich war das ein Wunsch von mir, eine eigene Serie als Showrunner zu gestalten. In Deutschland sind wir mit die Ersten, aber in den vergangenen Jahren ist dieses Format vor allem in den Staaten als bestes Modell für die Produktion von Serien erprobt worden. Und das aus einem sehr guten Grund: Denn als Showrunner hat man von der ersten Idee bis hin zum letzten Schnitt auf alles einen Einfluss. Du musst natürlich absolut von deiner Idee und deiner Erzählwelt überzeugt sein, da man locker ein Jahr in diesem selbsterdachten Universum verbringt. Und das Wichtigste: Der Zuschauer muss auch diese Tür öffnen, in dem Universum herumlaufen und im besten Fall bleiben wollen.
Wie schwer war es, die perfekten Darstellerinnen zu finden?
Wir haben sehr lange für das Casting gebraucht – ein halbes Jahr bestimmt. Nicht nur wegen Corona. Wir haben auch sehr viel ausprobiert. Die Drehbücher waren erst zu einem Drittel fertig, als es mit der Suche losging. Da bei "Deadlines" der Fokus so stark auf den einzelnen Figuren und ihren Entscheidungen und Verhaltensweisen liegt, war es wichtig, die Gedanken der Schauspielerinnen mit in den Prozess des weiteren Schreibens einzubeziehen. Und zum Glück haben wir vier Frauen gecastet, die miteinander harmonieren und nicht nur ihre Rollen ausfüllen, sondern sie auch mitgestaltet haben. Toll war beispielsweise, dass wir Jasmin Shakeri ihre Figur Elif vorgestellt haben und sie spontan rief: "Ey, ihr erzählt da meine Lebensgeschichte."
Die Serie dreht sich um vier Freundinnen in ihren 30ern, die in Kindertagen befreundet waren. Wieso wollten Sie ausgerechnet diese Geschichte erzählen?
Die Grundidee der 30er-Deadlines stammte von der Produktionsfirma Turbokultur. Nora Gantenbrink und ich haben uns dann schnell für eine Freundschaftsgeschichte entschieden. Für mich war das insofern eine dankbare Aufgabe, dieses Format zu entwickeln, da ich mit "Jerks" vier Staffeln lang in die Abgründe von Männern eingetaucht bin. Irgendwann hat man dann auch mal genug von diesem Moloch, diesem Tümpel der Männlichkeit. Und das Schöne an "Deadlines" war, dass erst mal alles offen war. Die Serie ist "character-driven" (Anm. d. Red.: von Charakteren gesteuert), auch das Drehbuchschreiben war "character-driven". Meine Autoren-Kollegin Nora Gantenbrink und ich haben uns einfach hingesetzt und uns gegenseitig erzählt, wie die vier Frauen so drauf sind, was sie schon erlebt haben, wie sie sich verhalten, welche Eigenarten sie haben. Wenn du beispielsweise weißt, wie die vier bei einem Hausbrand reagieren würden - Lena würde über Ursachen diskutieren, Franzi würde den Brand leugnen, Jo würde im Rauch einen seltsamen Song singen, Elif würde gegen die Flammen kämpfen -, dann fällt dir das Dialogschreiben auf einmal ganz leicht. Ihre Stärke sind die Dialoge.
Wo lassen Sie sich inspirieren?
Meine Inspirationsquelle sind reale Menschen. Meine beiden Schwestern zum Beispiel haben schon Angst vor der Premiere, weil sehr viel von ihnen in den Frauenfiguren steckt. Manchmal stelle ich beim Lesen eines eigenen Drehbuchs mit Schrecken fest, dass ich eine Szene noch einmal abändern muss, da es zu nah an der Realität ist. Für mich entsteht Komik vor allem dadurch, dass etwas Lustiges auf etwas Schreckliches folgt oder andersherum. Deshalb ist "Deadlines" für mich eine Dramedy-Serie. Das Zusammenspiel von Komödie und Tragödie macht die Geschichte aus.
Was steckt hinter dem Titel "Deadlines"?
Er bezieht sich ganz klar auf die Versäumnisse der Hauptfiguren, die beispielsweise doch nicht geheiratet, immer noch keine Kinder gekriegt oder keine erfolgreiche Musikkarriere gestartet haben. Den Begriff kennen wir ursprünglich aus der Arbeitswelt, aber auch die Gesellschaft vermittelt uns immer wieder, dass es Deadlines gibt. Bis wann wir ein hässliches Haus gebaut haben sollen, bis wann wir uns verwirklicht haben müssen. Obwohl die Serie "Deadlines" heißt, zeigt sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle, dass es Alternativen zu diesen vorgegebenen Deadlines gibt.
TV-TIPP
"Deadlines" - ZDFneo: Ab 13. Juli 2021, dienstags, 23.15 Uhr, jeweils zwei Folgen hintereinander und in der ZDFmediathek: Seit Freitag, 9. Juli 2021, 10.00 Uhr, alle Folgen abrufbar.