"Borowski und der gute Mensch"

"Tatort" aus Kiel: Starke Dialoge für eine Kult-Figur

von Eric Leimann

Lars Eidinger gibt im Kieler "Tatort" zum dritten mal den Mörder Kai Korthals alias "der stille Gast". Das schafft tolle Thriller-Momente und viel grimmigen Humor.

ARD
Tatort: Borowski und der gute Mensch
Kriminalsfilm • 03.10.2021 • 20:15 Uhr

Dass ein Mörder – in neun Jahren – zweimal zurückkehrt, das gab es auch noch nicht in der langen Geschichten des deutschen Krimi-TV-Kults "Tatort". Im neuen Fall des Kieler Teams Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) heißt der Widersacher nach 2012 ("Tatort: Borowski und der stille Gast) und 2015 ("Borowski und die Rückkehr des stillen Gasts") wieder einmal Kai Korthals (Lars Eidinger). Zu Beginn des Krimis sieht man ihn als Hauptdarsteller in Schillers Bühnenklassiker "Die Räuber" – es handelt sich um eine Probe der Theater AG im Gefängnis. Das Method Acting der schweren Jungs eskaliert, ein Brand entsteht und dem Superschurken Korthals gelingt die Flucht. Als wenig später eine weibliche Leiche im Wald gefunden wird, ist den Ermittlern klar: Der "stille Gast", so Korthals lyrischer Rollenname in den ersten beiden Filmen, ist wieder da.

Vor allem Borowski, dessen große Liebe Frieda Jung (Maren Eggert) sich nach dem letzten Zwischenfall mit Kai Korthals von ihm getrennt hatte, versucht mit dem traumatischen Aufflammen der Vergangenheit möglichst cool umzugehen. Man kann sich schon denken, dass daraus nichts wird. Korthals, der Borowski als "seinen einzigen Freund" bezeichnet, hat in seiner Knastzeit viele Liebesbriefe bekommen – übrigens eine interessante thematische Dopplung mit dem Kölner "Tatort: Der Reiz des Bösen" zwei Wochen zuvor, in dem es um das Thema Hybristophilie ging, der Liebe zu Gewaltverbrechern. Eine der Frauen, die sich zum inhaftierten Korthals hingezogen fühlten, war die blinde Telefonseelsorgerin Teresa Weinberger (Sabine Timoteo). Eben zu ihr scheint sich der geflohene Psychopath nun auf den Weg zu machen.

Alle Korthals-"Tatorte" entstammen der Feder des Autors Sascha Arango. Wer die alten Fälle noch einmal sehen will, was sich durchaus lohnt, kann dies in der ARD Mediathek tun, wo "Borowski und der stille Gast" sowie "Borowski und die Rückkehr des stillen Gasts" zusammen mit dem neuen Film ab dem 3. Oktober als Trilogie "on demand" bereit stehen. Und weil das Projekt so besonders ist, hat sich der NDR entschlossen, den in dieser Form wohl einmaligen "Tatort"-Coup per Serien-Podcast zu feiern, der in neunmal 30 Minuten die Geschichte vom stillen Gast in der Audioversion erzählt.

Großartige Dialoge und etwas Grusel

Film eins, "Borowski und der stille Gast", lebte vom brillanten Grusel eines gelungenen Home Invasion Thrillers. Lars Eidinger als stummer Paketbote und Verkleidungskünstler, der unerkannt wie durch Wände ging und scheinbar wie ein Geist am Leben seiner Opfer teilnahm – das fühlte sich beim Zuschauen maximal irritierend, innovativ und unheimlich an. Teil zwei inszenierte dann die persönliche Beziehung zwischen Borowski und Korthals. Reichlich "larger than life", aber auch dieser Ansatz hatte seine Momente.

Nun taten Autor Arango und der junge Regisseur Ilker Çatak, dessen Kinofilm "Es gilt das gesprochene Wort" 2019 mit einem deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde und der hier das erste Mal fürs Fernsehen arbeitet, das einzig Richtige: "Borowski und der gute Mensch" feiert den Korthals-Kult mit fast schon Tarantino-haft grandios geschriebenen Dialogen, randvoll mit verstecktem Witz. "Borowski und der gute Mensch" inszeniert trotzdem auch Momente des Gruselns, die gleichzeitig als Hommage an den Erzählkosmos "stiller Gast" fungieren: Korthals als Geistwesen in fremden Wohnungen, das Grusel-Lutschen an fremden Zahnbürsten – alles ist dabei, aber mit neuen Twists. Dieses "Gast"-Reboot ist schlau, voller Esprit und keineswegs peinlich.

Tatort: Borowski und der gute Mensch – So. 03.10. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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