Die Kleider, die Perücke, die Nylons täuschen: Lilo Wanders ist ein ganzer Kerl und heißt in Wahrheit Ernie Reinhardt, von Beruf Schauspieler. "Ich bin ein ganz normaler Schwuler. Lilo ist eine Figur, die ich erfunden habe", gab Ernie im Interview zu verstehen. "Ich kreierte Lilo Wanders als eine abgehalfterte Schauspielerin aus der Glitter- und Glamourwelt, die noch immer glaubt, ein Weltstar zu sein. In der 'Schmidt-Mitternachtsshow' habe ich diese Rolle als Gegenpart zu Frau Jaschke weiter ausgearbeitet."
Verwandlungskünstler Reinhardt ist bemerkenswert vielseitig - auch privat. Bis 2006 lebte er mit seiner Frau und einem gemeinsamen Freund in einer Dreierbeziehung in Hamburg. Zur Familie zählen zwei Söhne und eine Pflegetochter. Der frühere Student des Bibliothekswesens macht seit 1980 zunächst als Bühnendarsteller und Kabarettist ("Spalding-Sisters" / "Transitiv") von sich reden, dann als Mitinhaber (seit1988) und Betreiber des Hamburger "Schmidt-Theaters". Hier läuft u. a. "Familie Schmidt aufrecht, deutsch, homosexuell".
Reinhardt schrieb ein Dutzend Stücke selbst, erntete damit Applaus und ging schließlich sogar auf Tournee. Viele neue Aufgaben kamen hinzu: Seit 1990 moderierte Reinhardt Variete-Programme. Mit diesen Erfahrungen startete er 1992 ein Soloprogramm: "Ausziehn! Ausziehn!". In "Schmidts Tivoli" wirkte er 1992 im Musical "Beiss mich!" mit. Damit nicht genug: Als Synchronsprecher lieh Reinhardt 1993 seine unverstellt tiefe Stimme der "Dame Edna". Als Moderator der "Schmidt-Mitternachtsshow" wurde der Unterhaltungskünstler schließlich bereits 1994 mit dem Grimme-Preis in Silber ausgezeichnet. Als TV-Moderatorin "Lilo Wanders" für das Erotik-Magazin "Wa(h)re Liebe" (1994-2004) auf VOX wurde Ernie Reinhardt enorm populär.
"Lilo" fällt im Gespräch mit ihren Gästen durch Einfühlungsvermögen und Humor auf. Ihre Reisen in die europäischen Metropolen und Filmberichterstattung vor Ort sprengten den Rahmen der normalen Talkshow. Neben der Moderatorentätigkeit gab es 1995 auch wieder ein Soloprogramm: "Lands End". Weniger bekannt ist, dass Reinhardt auch im Film zu ansehnlichen Rollen kam: 1993 spielte er den Transvestiten Lollo im Film "Die Ratte". 1994 entstand unter der Regie von Jörg Fockele "Angesichts ihrer fatalen Veranlagung scheidet Lilo Wanders freiwillig aus dem Leben". Mit dem gleichen Regisseur drehte Reinhardt 1995 "Alice und Colifragor". Gern hätt ich den Mann geküsst ... ist der Titel, den die Hamburger Kult-Diva danach als erste Single-CD veröffentlichte. Im Sound der Siebzigerjahre interpretierte sie eindrucksvoll den Operettenschlager der Dreißgerjahre, eine Zeit, in der die Frau noch das Objekt der Begierde war.