Alwara Höfels

"Wir leben immer noch nicht in einer gleichberechtigten Gesellschaft"

von Eric Leimann

Die ehemalige Dresdner "Tatort"-Kommissarin kämpft im Arbeiterinnendrama zur ARD-Themenwoche "Gerechtigkeit" um gleiche Löhne für Frauen. Auch Alwara Höfels selbst kämpfte gegen ungleiche Bezahlung – im Schauspielberuf.

Vom 11. bis 17. November dreht sich die diesjährige ARD-Themenwoche um "Gerechtigkeit". Eines der Fiction-Produkte zum wuchtigen Thema ist der Film "Keiner schiebt uns weg" (Mittwoch, 14. November, 20.15 Uhr). Ein Gleichstellungsdrama mit Alwara Höfels, das von Arbeiterinnen in einem Ruhrpott-Fotolabor erzählt. Die entdecken Ende der 70er-Jahre, dass (ihre) Männer für die gleiche Arbeit wesentlich mehr Lohn erhalten.

In dem nach einer wahren Begebenheit entstandenen Film gehen die Frauen für ihr im Grundgesetz verankertes Recht auf Gleichbehandlung auf die Barrikaden. Die aus dem Taunus stammende Alwara Höfels, 36, ist selbst eine politisch engagierte Frau mit künstlerisch-gesellschaftlichem Anspruch. Ihre Rolle als Kommissarin im Dresdner "Tatort" gab sie im Mai 2018 auf, weil sie zu wenig Ambition im Format sah. Ein Gespräch über die Ungleichbehandlung von Frauen – auch im Schauspielberuf – und was man dagegen tun sollte.

prisma: Frauen erhalten für die gleiche Arbeit immer noch durchschnittlich 21 Prozent weniger Lohn als Männer. Ist es da schlau, wenn Ihr Film von den späten 70ern erzählt?

Alwara Höfels: Man kann das Thema Gleichberechtigung durchaus historisch angehen. Weil man durch unsere Geschichte erfährt, wie anders und aus heutiger Sicht unglaublich ungerecht die Situation von Frauen in Deutschland vor noch nicht einmal 40 Jahren war.

prisma: Man könnte den Film aber auch sehen und sagen: "Guck mal, da hat sich doch eine Menge getan seit damals!"

Alwara Höfels: Tatsächlich wurde seitdem viel erreicht, was die Emanzipation der Frau betrifft – und gleichzeitig gibt es noch Handlungsbedarf. Historische Stoffe können eine Chance sein, die Gegenwart zu überprüfen. Wir leben immer noch nicht in einer gleichberechtigten Gesellschaft, und das sollte unser gemeinsames Ziel sein.

prisma: Fühlen Sie sich als Frau in dieser Gesellschaft benachteiligt?

Alwara Höfels: Die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft steht immer noch zur Disposition. Es geht weiterhin um den Abbau von Geschlechter-Hierarchien und eine gleichstellungsorientierte Veränderung von Gesellschaft. Hier gibt es kein Informationsdefizit, sondern ein Handlungsdefizit.

prisma: Haben Sie eine persönliche Erfahrung gemacht, die Ihnen zeigte: Das hier ist jetzt absolut ungerecht?

Alwara Höfels: Ja. Ich machte diese Erfahrung sehr früh, direkt nach der Schauspielschule. Damals fing ich mit einem Kommilitonen, mit dem ich auch studiert hatte, an einem Theater an. Er bekam von Tag eins an 300 Euro mehr im Monat als ich.

prisma: Wie haben Sie reagiert?

Alwara Höfels: Irgendwann gab es neue Vertragsverhandlungen, und da habe ich mir die Butter dann nicht mehr von Brot nehmen lassen.

prisma: Sie und Ihre kämpferische Filmfigur haben also viel gemeinsam.

Alwara Höfels:. Meine Figur aus "Keiner schiebt uns weg" stolpert ebenso über das Phänomen der ungleichen Bezahlung wie ich damals am Theater. Es ist eben die Frage, was man daraus macht, wenn man solcher Dinge gewahr wird.

prisma: Wird ein solcher Kampf bei Frauen anders bewertet als bei Männern?

Alwara Höfels: Wenn ein Mann gegen Ungerechtigkeiten aufsteht, gilt er als durchsetzungsstark und kämpferisch. Tut eine Frau das Gleiche , beschreibt man sie mitunter schnell als hysterisch oder zumindest "emotional". Es wäre wünschenswert, dass man in dieser Hinsicht mit gleichem Maß misst.

prisma: Es heißt, dass auch im deutschen Fernsehen männliche Stars mehr für ihre Hauptrollen kassieren als weibliche. Macht Sie das wütend?

Alwara Höfels: Es ist zumindest etwas, über das wir gemeinsam nachdenken sollten. Das sind Dinge, die in allen Berufen konkret verändert werden müssen. So könnte ein neues gesellschaftliches Bewusstsein entstehen.

prisma: Immerhin wird im Filmgeschäft mittlerweile viel genauer hingesehen. Wie viele Filme werden von Frauen geschrieben oder inszeniert? Wie viele davon werden für Preise nominiert oder laufen bei Festivals? Was müsste außerdem passieren?

Alwara Höfels: Die Entwicklung des genaueren Hinsehens in unserer Branche ist gut. Gesamtgesellschaftlich gibt es andere Dinge, die noch wichtiger wären. Ein Blick nach Skandinavien, wo man schon weiter ist, lohnt sich da. Dort gibt es Job-Splitting bei Führungskräften oder Elternzeit, die gleichermaßen von Männern und Frauen genutzt wird. Mit solchen Regelungen wird es auch den Arbeitgebern leichter gemacht, sich neutral zwischen Männern und Frauen zu entscheiden, wenn es um Einstellungen und Beförderungen geht. Wir brauchen klare Gesetze für mehr Gleichstellung. Dann verändert sich auch die Gesellschaft Stück für Stück. Davon bin ich überzeugt.

prisma: Ist es für Sie ein Unterschied, ob eine Frau auf dem Regiestuhl sitzt – beziehungsweise ein Drehbuch geschrieben hat – oder ein Mann?

Alwara Höfels: Nein, das spielt für mich keine Rolle, wenn man es mit talentierten Menschen zu tun hat. Dennoch kann die Frauenquote helfen, ein neues gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen.

prisma: Vor kurzem lief noch ein anderer gesellschaftspolitischer Film mit Ihnen, der in den 70ern spielte. "Aufbruch in die Freiheit", der von Abtreibung und dem Paragrafen 218 erzählte. War es Zufall, dass sie in beiden Filmen spielen oder suchen Sie solche Stoffe?

Alwara Höfels: Dass die beiden Filme jetzt im Abstand von etwa zwei Wochen laufen, ist Zufall. "Aufbruch in die Freiheit" haben wir fürs ZDF im vergangenen Jahr gedreht. "Keiner schiebt uns weg" entstand für die ARD in diesem Jahr. In erster Linie suche ich Stoffe, die bewegen. Die Gesellschaft und auch mich.

prisma: Der "Tatort" aus Dresden, aus dem Sie ausgestiegen sind, passte nicht in dieses Raster?

Alwara Höfels: Es gab unterschiedliche Vorstellungen darüber, was dieser "Tatort" leisten kann und möchte. Deshalb musste ich meine künstlerische Verantwortung wahrnehmen und sagen: Ich möchte nicht länger Teil des Ganzen sein. Die Stadt Dresden wäre eine Steilvorlage gewesen, heutzutage gesellschaftlich relevante Fälle zu erzählen. Ich bereue meinen Ausstieg nicht, ebenso wie ich meinen Einstieg im Nachhinein nicht als Fehler betrachte.

prisma: Sind Sie ein Mensch, der sich leicht damit tut, sich politisch zu engagieren?

Alwara Höfels: Ja. Wobei ich das hauptsächlich über meinen Beruf tue. Zum Beispiel jetzt, wenn wir über diese Filme reden. Sich zu engagieren liegt auch ein bisschen in der Familie. Ich habe zwei jüngere Geschwister, die politisch sehr engagiert sind. Ohnehin finde ich nicht, dass unsere Gesellschaft politikverdrossen ist. Im Gegenteil. Sowohl in meiner Generation als auch bei den Jüngeren erlebe ich sehr viel Engagement.

prisma: Was haben Ihre Eltern getan, damit sie so geworden sind?

Alwara Höfels: Meine Eltern sind ebenfalls Schauspieler. Sie sind sicher von den 68ern geprägt und der Idee, dass sie sich in dieser Nachkriegsgesellschaft freigekämpft haben. Ich denke, so etwas zu erleben, gibt durchaus Profil.

prisma: Haben Sie nun mehr Zeit für spannende Projekte, seit Sie beim "Tatort" raus sind?

Alwara Höfels: Projekte wie "Keiner schiebt uns weg" und "Aufbruch in die Freiheit" liegen mir am Herzen. Und ich wünsche mir, dass der Weg weiterhin spannend bleibt. Ein gutes Buch ist fast immer auch ein guter Film. Anders als im Reihenformat fühle ich mich heute freier und selbständiger, weil ich mich für jedes Buch bewusst entscheiden kann.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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