Sonsee Neu im Interview

"Bastian Pastewka, also der echte, ist ein sehr integrer Mensch"

von Eric Leimann

Sonsee Neu legte eine sehr ungewöhnliche Schauspielkarriere hin. Über New York und Hollywood führte ihr Weg in eine deutsche Kult-Comedy, die nun zu Ende geht. Zuvor spielt sie am Ersten Weihnachtsfeiertag in einer Märchenverfilmung. Eine ziemlich außergewöhnliche Erfahrung, wie sie findet.

Sonsee Neu kennen die meisten als Bastian Pastewkas Freundin Anne aus dem über 15 Jahre laufenden Comedy-Klassiker "Pastewka". Demnächst gibt es bei Amazon die finale Staffel zu sehen. Bereits am Ersten Weihnachtsfeiertag ist die 46-Jährige in der neuen ARD-Märchenverfilmung "Die drei Königskinder" (Mittwoch, 25. Dezember, 13.55 Uhr, Das Erste) Teil des prominenten Ensembles. Sonsee Neu, in Südhessen und Köln aufgewachsen, verdankt ihren indianischen Namen der Western-Begeisterung ihrer Mutter. Als Teenager ging sie dann tatsächlich in die USA, eigentlich für ein Austauschjahr. Neu beschloss zu bleiben und absolvierte ihre Schauspielausbildung in New York, wo sie auch ein paar Jahre lebte. Für die blonde Schönheit aus Deutschland schien es sogar etwas zu werden mit der Filmkarriere in den USA. Sie spielte eine Episodenrolle in der 90er-Megaserie "Emergency Room" oder wirkte bei der TV-Verfilmung von "Titanic" oder dem Kino-Arthouse-Film "The Last Day Of Disco" mit. Doch dann entschloss sie sich, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Im Interview äußert sich die Mutter zweier 16 und 13 Jahre alter Kinder über das Ende von "Pastewka" und ihre eigene, so ungewöhnlich verlaufene Karriere.

prisma: Was reizt bekannte Schauspieler daran, in einem Märchenfilm mitzuspielen, der am Nachmittag läuft?

Sonsee Neu: Es ist die Arbeit mit und für Kinder, die uns Schauspieler reizt, glaube ich. Man spielt irgendwie leichter und mehr "nach vorne". Wer Kinder als Publikum hat, betont andere Nuancen. Man agiert irgendwie unverkleidet, auch weniger doppelbödig. Beim Spiel für Kinder wird jeder Schleier gelüftet.

prisma: Also das genaue Gegenteil des erwachsenen Spiels, wo man sich von Charakteren Ambivalenz und Komplexität wünscht?

Sonsee Neu: Ja, man kann es so sagen. Oft wird beim Spielen ja um die Ecke gedacht. So wie wir Erwachsene halt auch im normalen Leben funktionieren. Wir überlegen uns ständig, was wir von uns zeigen und was wir im Verborgenen halten. Wer für Kinder spielt, gerade wenn es um Märchen geht, spielt seine Gefühle eins zu eins. Es wird nichts weggenommen, nichts dazu addiert.

prisma: Lernen Sie als erfahrene Schauspielerin auch etwas von den Kindern und Jugendlichen, mit denen Sie vor der Kamera stehen?

Sonsee Neu: Man begegnet auf jeden Fall sehr viel Spielfreude. Wir Schauspieler stehen mit Kindern und Jugendlichen vor der Kamera, die sichtbar riesigen Spaß haben. Mich erinnert es daran, weshalb ich selbst mit dem Spielen angefangen habe. Ich wollte mich verkleiden und Geschichten erzählen – für andere Leute. Die Faszination für diese Idee merkt man den jungen Schauspielern in den Märchenfilmen an. Und sie überträgt sich auf die erwachsenen Kollegen, finde ich.

prisma: Manche Schauspieler behaupten, dass sie mitspielen, weil sie vor ihren eigenen kleinen Kindern mit diesen Rollen glänzen können. Sie haben zwei Kinder, 13 und 16 Jahre alt. Sind Sie trotzdem noch stolz auf eine Märchenmama?

Sonsee Neu: Meine 13-jährige Tochter hat sich den Film mit mir angesehen, was schon an sich ungewöhnlich ist. Ihr hat er gut gefallen, sie sagte danach: "Mami, du kannst ja richtig gut spielen." (lacht).

prisma: Werden Ihre beruflichen Leistungen von Ihren Kinder sonst weitgehend ignoriert?

Sonsee Neu: Die schauen normalerweise nicht so viel. Und auch sicher nicht deshalb, weil ihre Mama mitspielt. Nur "Pastewka" sehen Sie sich immer an. Das mögen sie.

prisma: Nun würde man meinen, "Pastewka" sei wegen der vielen Anspielungen auf erwachsenes Leben nicht unbedingt ein Format, das Kinder interessiert.

Sonsee Neu: Das stimmt aber nicht. "Pastewka" war schon immer ein Format, das Menschen jedes Alters lustig und anrührend fanden. Ansonsten interessieren sich meine Kinder nicht so sehr dafür, was ihre Mutter beruflich macht.

prisma: Kränkt das Ihre Eitelkeit als Künstlerin?

Sonsee Neu: Nein, es ist total okay. Ich bin eher positiv überrascht, wenn – wie jetzt – ein unerwartetes Lob kommt. Ich kann meine Rolle als Schauspielerin und Mutter schon ganz gut trennen. Es ist auch nicht unbedingt ratsam, beides zu vermischen.

prisma: Bei "Pastewka" läuft Ende Januar die finale Staffel. Warum hat diese Serie so viele Menschen bewegt?

Sonsee Neu: Weil die Figuren mit so viel Liebe erzählt wurden. Vor allem auch mit Liebe für menschliche Schwächen. Ich sprach über die 15 Jahre, in denen die Serie lief, immer wieder mit Fans. Viele von ihnen berichten, dass sie gerade dann "Pastewka" schauten, wenn es ihnen nicht so gut ging. Dass sie sich von der Leichtigkeit und eben der Liebe für diese kleinen menschlichen Schwächen, die wir alle kennen, immer irgendwie aufgerichtet fühlten. ich glaube, darin liegt das Geheimnis des Erfolges.

prisma: Sind Sie traurig, dass "Pastewka" nun endet?

Sonsee Neu: Wir wussten es alle ja schon länger. Als die Serie noch bei SAT.1 lief, wurde sie vom Sender nicht besonders sensibel behandelt. Es war in all den Jahren stets unklar, ob und wie es weitergeht. Deshalb sind wir im Team schon lange abgehärtet. Bastian sagte auch immer, dass er nicht mehr als 100 Folgen machen würde. Diese Zahl haben wir nun fast erreicht. Bastian Pastewka, also der echte, ist ein sehr integrer Mensch. Es war immer klar, dass er zu seinem Wort stehen würde und dass er Schluss macht, wenn kreativ der Höhepunkt erreicht ist. Ich finde, dass wir die Serie nun auf einem sehr hohen Niveau zu Ende bringen.

prisma: Geht dann auch für Sie ein Lebensabschnitt zu Ende?

Sonsee Neu: Definitiv. 15 Jahre, auch wenn es immer wieder Pausen gab, sind selbst für ein Serienprojekt eine lange Strecke. Ich habe im Team viele Freundschaften geschlossen, habe einen langen Lebensabschnitt der Menschen dort begleitet. Mein zweites Kind war noch nicht auf der Welt, als wir mit dem Drehen anfingen. Da schließt sich jetzt schon eine große Tür, und ich hoffe, dass nun wieder eine neue aufgeht.

prisma: Ihre Karriere verlief interessant, weil sie als Deutsche in den USA ihr Handwerk lernten und sich als junge Schauspielerin dort scheinbar zu etablieren begannen. Trotzdem sind Sie nach Deutschland zurückgegangen. Bereuen Sie das im Rückblick?

Sonsee Neu: Nein, das bereue ich nicht. Weil ich zehn Jahre dort gelebt und intensiv in den USA als Schauspielerin gearbeitet habe. Dabei konnte ich ganz viele Erfahrungen sammeln. Ich lebte drei Jahre im Stadtteil Hollywood, Los Angeles. Insofern habe ich nichts ausgelassen von dem, wovon manche Schauspieler träumen. Auch in New York wohnte und arbeitete ich einige Jahre, die ich sehr genossen habe.

prisma: Haben Sie gut nach Amerika gepasst?

Sonsee Neu: Die Zeit der Schauspielschule, der Vorsprechen und der Rollen in meiner New Yorker Zeit waren toll. Danach meinte mein Management, ich müsse jetzt auch mal nach Kalifornien gehen, um mich dort zu etablieren. Da wurde ich dann nicht glücklich, auch die Stadt hat mir nicht gefallen. Wenn man nur alle paar Monate ein paar Drehtage hat und in der Zwischenzeit neuen Jobs hinterherrennt, tut das der Seele nicht unbedingt gut. In jener Zeit begann ich, Europa sehr zu vermissen.

prisma: Gab es einen konkreten Auslöser, warum Sie in Hollywood ihre Koffer gepackt haben?

Sonsee Neu: Aus Kalifornien bin ich damals fast ein bisschen geflohen. Die Lebens- und Arbeitsweise dort fand ich zermürbend. Mit dem, was danach kam, bin ich zufrieden. Ich spielte oft Rollen, die andere Stars bedient haben, aber ich hatte beständig Arbeit. Ich konnte meine Familie ernähren, durch alle Altersphasen hindurch. Schwanger oder nicht schwanger, mal dicker, mal dünner. Ich hatte immer zu tun. Insofern bin ich dankbar.

prisma: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Sonsee Neu: Ich würde sehr gerne tiefgründigere Frauenrollen lesen und spielen. In den Drehbüchern ist es immer noch so, dass oft Männer die interessanteren Parts haben und weibliche Charaktere um sie herum formiert werden. Auch wenn sich in den letzten Jahren schon etwas getan hat – die männlichen Kollegen befinden sich immer noch klar im Vorteil. Nicht nur, weil ihre Rollen nicht so sehr von Altersvorgaben geprägt werden, sondern eben auch, weil für sie einfach spannendere Rolle entwickelt werden. Insofern müssen wir Frauen in der Branche weiter daran arbeiten, dass sich da etwas ändert.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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