Kritik zur ARD-Verfilmung

"Das Geheimnis des Totenwaldes": Unglaublich, aber wahr

von Eric Leimann

Der ARD-Event-Dreiteiler begleitet Matthias Brandt als Hamburger LKA-Chef und späteren Pensionär durch mehrere Jahrzehnte eines mysteriösen Kriminalfalls. Es ist die Verfilmung der sogenannten Göhrde-Morde, die Norddeutschland – bis vor Kurzem – tatsächlich in Atem hielten.

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Das Geheimnis des Totenwaldes (1)
Kriminalfilm • 02.12.2020 • 20:15 Uhr

Früher schaute man "Aktenzeichen XY ... ungelöst", wenn man den Grusel echter Verbrechen spüren wollte, heute gibt es ein ganzes Genre: "True Crime". Hinter dem Begriff verbirgt sich die Aufbereitung tatsächlich geschehener, meist abscheulicher Kriminalfälle. Beispielsweise im Form von Filmen, Dokus oder Podcasts. Auch der Event-Dreiteiler "Das Geheimnis des Totenwaldes", in dem Matthias Brandt den Hamburger LKA-Chef Thomas Betghe spielt, hat sich tatsächlich zugetragen – sogar ziemlich genau so, wie im Drehbuch beschrieben. Im Sommer 1989 verschwindet Betghes Schwester (Silke Bodenbender) spurlos aus ihrem Haus in Niedersachsen, in dessen Nähe kurz davor zwei grausame Doppelmorde geschehen sind.

Betghes Schwester Barnara, Mutter einer Teenietochter, war zuvor emotional labil und sie hatte ein Problem mit Alkohol. Ihr Mann (Nicholas Ofczarek) wollte sich gerade von ihr trennen. Die Polizei im – fiktiven – Ort Weesenburg scheint überfordert, sowohl mit den beiden Morden an zwei Liebespaaren im Wald, wie auch mit dem spurlosen Verschwinden von Bethges Schwester. Der Polizist steht vorm schwersten Fall seiner Karriere: Er will Barbara finden, darf aber als Hamburger Polizist nicht in Niedersachsen ermitteln. Unbeirrt und fast drei Jahrzehnte lang recherchiert er gegen große Widerstände in einem rätselhaften Kriminalfall, ehe der bereits pensionierte Ermittler einem Serienmörder auf der Spur scheint. Dabei unterstützen ihn seine ehemalige Studentin, die Polizistin Anne Bach (Karoline Schuch) – und andere, zeitweise Weggefährten.

Die Geschichte ist der Star

Das Drehbuch von Stefan Kolditz ("Tatort: Verbrannt") orientiert sich in vielen Details an den sogenannten Göhrde-Morden, benannt nach einem Waldstück im norddeutschen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Manchmal würde man denken, dass der Fall ein wenig überdramatisiert ist, weil das Geschehene schon ziemlich unglaublich erscheint. Doch tatsächlich bewegt sich die Fction ziemlich nah an der Realität. Unter der bildstarken, aber nie aufdringlichen Regie von Sven Bohse ("Ku'damm 59") entsteht über die Spielzeit von viereinhalb Stunden die Rekonstruktion eines Verbrechens und vor allem Ermittlungsmarathons.

Ein komplexer Fall, der faszinierenderweise zu Beginn der Drehbucharbeit noch nicht mal final gelöst war. Erst 30 Jahre später konnten die von vielen Versäumnissen und Pannen begleiteten Ermittlungen durch Thomas Betghe, dessen echter Name Wolfgang Sielaff lautet, aufgeklärt werden. Im September 2019 lief im NDR-Fernsehen eine Dokumentation über den Fall.

Es ist eine Geschichte von Justizversagen, Eitelkeiten und der ermüdenden Suche eines Mannes nach Wahrheit, die ein bisschen an die dritte und bislang letzte Staffel der herausragenden US-Serie "True Detective" erinnert, in der Mahershala Ali furios einen Ermittler gibt, den der unaufgeklärte Mord an zwei Kindern über Jahrzehnte nicht loslässt. "Das Geheimnis des Totenwaldes" lebt ebenso vom Charisma und brillanten Schauspiel Matthias Brandts, der den unaufgeregten Beamten in seinem privaten Martyrium präzise abbildet. Und trotzdem verschwindet Brandts Spiel manchmal – vielleicht sogar bewusst – hinter der Größe des realen Geschehens.

Was "Das Geheimnis des Totenwaldes" von anderen Krimis unterscheidet, ist nicht nur der Kitzel einer wahren Geschichte, sondern auch der Detailreichtum an Ermittlungen, für deren Darstellung in viereinhalb Stunden eben ausreichend Zeit ist. In der ARD-Mediathek ist das Programm bereits seit dem 25. November als sechsteilige Miniserie abrufbar.

 

Wann der zweite und dritte Teil zu sehen ist

Der Star des Films ist trotz des starken Ensembles kein Schauspieler, sondern es ist die Geschichte selbst. In ihre Aufbereitung und Erzählung legt das Projekt viel Sorgfalt. Teil zwei und drei zeigt das Erste am Samstag, 5. Dezember, beziehungsweise am Mittwoch, 9. Dezember, jeweils um 20.15 Uhr. Im Anschluss an Teil drei läuft die Dokumentation "Eiskalte Spur – Die wahre Geschichte des Totenwaldes" um 21.45 Uhr.

Weil im Zusammenhang mit "True Crime" Podcasts ein sehr beliebtes Medium sind, hat die ARD auch auf diesem Gebiet vorgesorgt: Seit dem 25. November erzählen fünf Teile à etwa 30 Minuten noch einmal Ablauf und Folgen der echten Göhrde-Morde und sorgen damit für rein akustischen "True Crime"-Grusel.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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