Dreiteiler im ZDF

"Ku'damm 59": Wenn Seifenoper, dann so!

von Eric Leimann

Fast auf den Tag zwei Jahre nach Ausstrahlung des fulminanten Dreiteilers "Ku'damm 56" setzt das ZDF seine durchaus schmerzhafte Emanzipations-Saga aus der jungen Bundesrepublik fort. Tanzschulen-Betreiberin Caterina Schöllack (Claudia Michelsen) und ihre Töchter Monika (Sonja Gerhardt), Helga (Maria Ehrich) und Eva (Emilia Schüle) sind drei Jahre älter geworden. In "Ku'damm 59" (Fortsetzungen am Montag, 19.03., und Mittwoch, 21.3., jeweils 20.15 Uhr) erzählt Drehbuchautorin Annette Hess ("Weissensee") ein Familienepos, das ein wenig "exemplarisch" und doch fesselnd Frauengeschichten aus einer rigiden, gar nicht so lang zurückliegenden Zeit erzählt.

ZDF
Ku'damm 59
Drama • 18.03.2018 • 20:15 Uhr

Die Schöllacks sind zurück – und mit ihnen die Tatsache, dass ein großer Event-Dreiteiler vorwiegend aus der Perspektive von vier Frauen erzählt, die sich in einer von Männern dominierten Welt durch ein mehr oder minder beschädigtes Leben schlagen müssen. Während die rebellische Monika mit einer Karriere in der Unterhaltungsindustrie flirtet, müssen Helga und Eva mit ihren freudlosen Ehen leben. Dass Helga und ihr schwuler Mann Wolfgang (August Wittgenstein) Monikas uneheliches Kind bei sich aufgenommen haben, schürt Konflikte zwischen den Schwestern. Derweil leidet Eva unter der unglücklichen Verbindung mit dem deutlich älteren Nervenarzt Dr. Fassbender (Heino Ferch).

Und Mutter Caterina? Nachdem es ihr gelungen ist, durch ein Familienarrangement die Schande um die uneheliche Geburt ihrer Enkeltochter zu umschiffen, fördert sie die Gesangs- und Filmkarriere Monikas und ihres Hallodri-Partners Freddy (Trystan Pütter) als Managerin. Dabei bandelt Caterina mit dem österreichischen Regisseur Kurt Moser (Ulrich Noethen) an, der "künstlerisch" noch ein wenig an der Nazi-Zeit hängt, als es für ihn bedeutend besser lief. Auch Joachim Frank (Sabin Tambrea) muss sich neu orientierten. Der schriftstellerisch ambitionierte Industriellen-Erbe muss entscheiden, ob er bereit ist, die Waffenfabrik seines Vaters zu übernehmen. Dazu geht – wie man sich denken kann – die unerfüllte Liebe zwischen ihm und Monika in eine neue Runde.

Hohe ereignisdichte und arg dramatisch

Autorin Annette Hess, Jahrgang 1967, verarbeitet in ihrem Zeit- und Sittengemälde die Jugenderinnerungen der eigenen Mutter. Die "unmögliche" Monika oder eine "berechnende" Eva, die "auf dem Standesamt promovieren wollte" – es gab sie so oder so ähnlich wirklich. Wenn man überhaupt einen Kritikpunkt an Hess' erfolgreichen Mehrteiler anbringen möchte – die erste Trilogie erreichte zwischen 5,8 und 6,4 Millionen Zuschauer –, dann ist es die Tatsache, dass hier beinahe sämtliche Konflikte jener Zeit in gut einem halben Dutzend Charaktere verdichtet wurden. Ein Kunstgriff, der "Ku'damm" zu einer sehr hohen Ereignisdichte führt und damit arg dramatisch macht, Sog und Spannung der Geschichte jedoch keinen Abbruch tut.

Dazu kommen starke Schauspieler und eine elegante Optik. Ob es die Bilder des Kameramanns Michael Schreitel ("Das Programm"), die szenische Ausstattung Axel Nockers oder die Regie Sven Bohses ist, der bereits die ersten drei Teil realisierte: "Ku'damm 59" sieht gut aus und zieht den Zuschauer in seine erzählerische Welt hinein. Dabei sind die Geschehnisse so verdichtet wie in einer Seifenoper, so ambitioniert wie im Gesellschaftsdrama und so bildersatt wie man es sich von einer modernen Qualitätsserie wünscht.

Besonders perfide scheint in "Ku'damm 59" die Figur des Regisseurs Kurt Moser. Der wie fast immer großartige Ulrich Noethen verkörpert ihn als gefährlichen Schlawiner, der als Täter-Blaupause der heutigen Metoo-Diskussion in Erscheinung tritt. Wenn man bedenkt, dass Hess' Bücher lange vor der Debatte um Weinstein oder Wedel entstanden, ist ihr Regisseur ein durchaus visionärer Widerling, der die Verbindungen zwischen Frauenschicksalen damals und heute deutlich macht.

Im Anschluss an Teil eins läuft um 21.45 Uhr "Ku'damm 59 – Die Dokumentation" von Heike Nelsen-Minkenberg. Zeitgeschichtlichen Hintergründen, aber auch dem Vibe Westberlins an der Schwelle zwischen 50er- und 60er-Jahren soll darin nachgespürt werden.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren