Krimidrama in der ARD

"Mord in Eberswalde": Im Sozialismus gibt es keine Triebtäter

von Jens Szameit

Das Krimidrama "Mord in Eberswalde" rollt einen der berühmtesten Kriminalfälle der DDR neu auf. In Eberswalde werden 1969 zwei neunjährige Jungen tot aufgefunden. Die Suche nach dem Mörder gestaltet sich in dem Staat der Totschweiger als schwierig.

ARD
Mord in Eberswalde
Kriminalfilm • 06.11.2019 • 20:15 Uhr

Was nicht sein kann, das darf nicht sein. Und vor allem darf es nicht verfilmt werden. Es war letztlich ein aussichtsloses Unterfangen, im Jahr 1974 einen "Polizeiruf 110" drehen zu wollen, der – wenn auch nur lose – auf einer authentischen Eberswalder Mordserie an drei kleinen Jungen beruhte. Weil der Staatsapparat der DDR Kapitalverbrechen im Sozialismus nicht vorsah, wurde noch beim Drehschluss die Vernichtung der Filmbänder angeordnet – erst vor wenigen Jahren legte der MDR eine aufwendige Rekonstruktion dieses lange verloren geglaubten "Polizeiruf"-Krimis vor. Parallel rollte der WDR den berühmt gewordenen "Fall Erwin Hagedorn" noch mal ganz neu auf. Mit Ronald Zehrfeld in der Rolle des ermittelnden Kommissars und Grimme-Preis-Träger Stephan Wagner als Regisseur. "Mord in Eberswalde" (2013, nun als Wiederholung im Ersten zu sehen) ist ein ebenso zurückhaltend wie gewissenhaft erzähltes Kriminaldrama, das auf äußerst kunstfertige Weise ein sepiagefärbtes Stimmungsbild der DDR am Ende der 60er-Jahre zeichnet.

Es sind vor allem Sinnbilder eines beklemmenden Stillstands, die von diesen 90 Minuten am "FilmMittwoch im Ersten" hängen bleiben. Ein Wartburg, ein klappriges Fahrrad, mehr Fortbewegungsmittel finden sich kaum. Nicht wenig erinnert an Christian Petzolds preisgekröntes Kinodrama "Barbara", wie Stephan Wagner ("Lösegeld") den Arbeiter- und Bauernstaat hier in Szene setzt. Braunstichige Bilder einer menschenleeren Straßenkreuzung, eines biederen Cafés, einer lichtarmen Mietwohnung. Eingepasst in dieses strenge Setting streiten mit gut (Florian Panzner) und schlecht sitzendem (Ronald Zehrfeld) Anzug zwei Polizeibeamte um das Vorgehen in einem aufwühlend brutalen Mordfall.

Im Mai 1969 werden zwei neunjährige Jungen tot in einem Waldstück in Eberswalde gefunden. Die Suche nach dem Mörder, der die jungen Opfer mit zahllosen Messerstichen am ganzen Körper zurichtete, verläuft lange erfolglos. Während der engagierte Kommissar Heinz Gödicke (Zehrfeld) überzeugt ist, nach einem "homosexuellen Sadisten" zu fahnden, folgt sein Vorgesetzter, der Stasi-Major Stefan Witt (Panzner), den ideologischen Vorgaben der Partei: Krankhafte Kriminalität wächst exklusiv auf kapitalistischem Nährboden – im Sozialismus kann und darf es einen solchen Triebtäter nicht geben.

Mehr noch als die Köpfe rauchen in der Sonderkommission unzählige Zigaretten. Betont langsam und unterlegt mit hypnotischer Musik steuern die Ermittlungen dann doch noch auf das Ziel zu. Zwei Jahre und einen weiteren Mord dauert es, bis Gödicke auf den 20-jährigen Kochlehrling Erwin Hagedorn (Sergius Buckmeier) kommt, der die Taten gleich frei heraus gesteht. Wenig lenkt ab von der historisch-politischen Tragweite des Falls – einzig eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zur Freundin (Ulrike C. Tscharre) seines Vorgesetzten gönnt das ansonsten schlenkerlose Drehbuch (Holger Karsten Schmidt) der Hauptfigur. Fraglich, ob einem an Emotionsüberzuckerung gewöhnten Publikum ein solcher Film ans Herz greift.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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