Schauspielerin im Interview

Neue ZDF-Serie Parfum: Diese Gerüche liebt Friederike Becht

von Eric Leimann

Patrick Süskind veröffentlichte mit "Das Parfum" 1985 eines der erfolgreichsten deutschen Bücher aller Zeiten. Auch Groß-Regisseur Tom Tykwer adaptierte den Stoff 2006 für die große Kinoleinwand. Völlig frei nähert sich nun eine Fernsehadaption dem Stoff. Friederike Becht ("Der gleiche Himmel") gibt eine zum Niederknien attraktive Ermittlerin in der bärenstarken ZDFneo-Serie "Parfum" (ab Mittwoch, 14. November, 22 Uhr).

Anfang 2019 wird sie auch im "richtigen" ZDF laufen, zudem stehen alle sechs Folgen bereits ab dem 14. November in der Mediathek bereit. Gut so, denn "Parfum" von Bildzauberer Bilderzauberer Philipp Kadelbach ("Unsere Mütter, unsere Väter") hat mit der in die Jetztzeit verpflanzten Mörderstory eines der deutschen Serien-Highlights des Jahres erschaffen. Hauptdarstellerin Friederike Becht, 32, über ihr persönliches Verhältnis zum Riechen, Fühlen und Schreien.

prisma: Die Serie ist frei nach dem berühmten Patrick Süskind-Roman "Das Parfum" entstanden. Was haben die beiden Werke miteinander zu tun?

Friederike Becht: Wir erzählen von einer Gruppe sich verloren fühlender Menschen, die als Jugendliche den Roman anbeteten – und daraufhin mit Gerüchen experimentierten. Wie im Roman ist das Riechen aber auch ein Vehikel für die Sehnsüchte der Figuren. Ansonsten rate ich jedem: Vergessen Sie erst mal den Roman. Wir machen etwas ganz Eigenes (lacht).

prisma: Das Buch wurde 1985 veröffentlicht und hat sich weltweit etwa 20 Millionen Mal verkauft. Was fasziniert die Menschen an dem Stoff?

Friederike Becht: Grenouille hat viele Facetten. Nicht zuletzt ist er ein Außenseiter und Ungeliebter, der selbst nach Liebe und Anerkennung sucht. Er hofft, die Essenz der Liebe, Anziehung und Schönheit in einem Duft festhalten zu können, ihn sich zu eigen zu machen, ihn zu besitzen. Auch unsere Serienfiguren suchen nach Liebe – und sie haben ebenfalls einen gestörten Umgang mit Nähe. Es geht in unserem Stoff darum, was Menschen brauchen. Wonach sie sich sehnen. Und darum, ob sich genau das herstellen lässt. Ich glaube schon, dass dieser Gedanke fasziniert.

prisma: Forscher sagen, dass kein Sinn so eng mit dem Gefühlszentrum des Menschen verbunden ist wie das Riechen. Können Sie das für sich bestätigen?

Friederike Becht: Ja, absolut. Wenn ich versuchen würde, den Geruch meiner kleinen Tochter zu beschreiben, wären das nur hohle Worte. Wenn ich mir jedoch vorstelle, wie mein Kind riecht, ist sie in diesem Moment bereits hier im Raum für mich. Dann entsteht ein ganz starkes Gefühl. Die gesamte emotionale Bindung geht von null auf hundert – über eine kurze Vorstellung des Geruchs. Trotzdem könnte ich ihren Geruch nicht gut beschreiben. Ja, ich denke, das Riechen ist tatsächlich etwas sehr Emotionales, das den rationalen Teil unseres Gehirns nur bedingt erreicht.

prisma: Haben Sie generell eine feine Nase?

Friederike Becht: Ich hätte vor dieser Serie klar "nein" gesagt. Ich war immer ganz schlecht darin, Gerüche zu erkennen oder sie zu deuten. Auch das Beschreiben von Gerüchen ist nicht meine Top-Disziplin. Ich bin da eher der Anti-Süskind. Doch die Serie hat mein Bewusstsein fürs Riechen verändert. Ich nehme den Geruchssinn deutlicher wahr, und bin seither dankbarer für ihn.

prisma: Welche Gerüche mögen Sie – und was machen Sie mit Ihnen?

Friederike Becht: Pommes nach dem Baden. Oder ein gutes Steak. Diese Gerüche machen mich jetzt gerade hungrig (lacht).

prisma: Sie spielen in "Parfum" die Ermittlerin – und keine Figur aus der Gruppe der Geruchs-Junkies. Haben Sie sich für die Rolle trotzdem professionell mit dem Riechen beschäftigt?

Friederike Becht: Ja, ich wollte das. Ich traf mich mit einer Professorin, deren Fachgebiet der Geruchssinn und die Riechforschung ist. Es gibt viele Menschen, die schlecht oder überhaupt nichts riechen können. Sie neigen bewiesenermaßen häufiger zu Depressionen. Es gibt ein schönes Buch von Walter Kohl, das heißt "Wie riecht Leben?". Darin beschreibt der Autor seine eigene Anosmie, die durch einen Unfall verursacht wurde. Zuerst kümmert ihn das nicht weiter. Erst mit der Zeit wird er sich seines Verlustes bewusst. Stellen Sie sich vor, sie stehen im Frühsommer auf einer Blumenwiese im Sonnenschein. Wer die nicht riechen kann, dem fehlen mindestens 50 Prozent des sinnlichen Erlebnisses.

prisma: Sind Sie neidisch auf die anderen Schauspieler, die Riech-Junkies und merkwürdige Verdächtige spielen dürfen? Früher war es im deutschen Krimi ja so, dass die Kommissare eher langweilig waren. Auch hier wirkt die Ermittlerin anfangs eher kühl ...

Friederike Becht: Ich bin sehr zufrieden mit meiner Rolle, die über die Folgen eine interessante Entwicklung durchmacht. Die Ermittlerin ist eine tolle Figur, auch wenn ich mich nicht leicht damit getan habe, sie zu spielen. Für mich ist jedoch keine Rolle leicht, weil ich immer einen hohen Anspruch an mich habe.

prisma: Wovon erzählt die Serie "Parfum" im Subtext?

Friederike Becht: Von dunklen Abgründen, die unsere Figuren aufweisen. In dieser Serie ist niemand ganz normal. Darauf muss man sich als Zuschauer einlassen wollen. Ich finde aber, das Spiel mit den Abgründen macht den Reiz der Erzählung aus. Weil wir alle auch Abgründe haben. Man kann sich damit auseinandersetzen, wie weit man gehen würde, um Dinge zu tun, die dazu führen, dass man sich gut fühlt. Selbst wenn es sehr problematische Dinge sind, die man dafür tut. Es ist sicher nicht immer weise, seinen Sehnsüchten überall hin zu folgen.

prisma: "Parfum" ist ein sehr düsterer Serienstoff. Er folgt – auf eigene, sehr kunstvolle Weise – einem Krimi-Trend der drastischen Bilder und Erzählungen, der seit zehn, vielleicht 15 Jahren äußerst populär ist. Warum brauchen wir Zuschauer so viel Dunkelheit?

Friederike Becht: Vielleicht, weil der Mensch auf der Oberfläche heute immer angepasst und ordentlich sein soll. Man darf niemanden anschreien, muss sich immer gut benehmen und jedem freundlich begegnen. Wir sind funktionstüchtige Menschlein. Es ist ja auch gut so – auf eine Art. Aber wir setzen uns wenig mit dem auseinander, was sonst noch in uns schreit. Vielleicht ist dies der Grund, warum die Leute dunkle Stoffe so lieben. Wir haben heute ganz viele unserer Kanäle einfach dicht gemacht, weil wir denken: Die überfordern mich. Die gehören nicht zu mir. Stimmt aber nicht. Ich kenne das auch von mir, dass fordernde Stoffe etwas klingen lassen.

prisma: Das klingt dann aus – und ist dann weg?

Friederike Becht: Weiß ich nicht. Es macht auf jeden Fall keinen Sinn, das Dunkle in uns immer nur wegschieben zu wollen. Mit dem Dunklem meine ich Dinge in uns, die wir vergessen wollen, nicht akzeptieren wollen, die uns traurig machen, die wir eben "in den Schatten" schieben. Nichts ist dauerhaft weg, wenn man es immer nur wegschiebt. Obwohl die Erkenntnis alles andere als neu ist, glauben viele Menschen heute, sie könnten in einer sauberen, aufgeräumten, hell ausgeleuchteten Welt leben. Doch niemand lebt nur in dieser Welt. Ich finde, wir müssen die andere Seite annehmen, um uns komplett zu fühlen. Wir haben alle dreckige Seiten.

prisma: Wie leben Sie Ihre düstere Seite aus? Tun Sie das nur im Film oder auf der Bühne?

Friederike Becht: Zum größten Teil dort. Der Schauspielberuf ist natürlich ein super Ventil dafür. Privat fällt es mir schwerer, mich mit all meinen Seiten auseinanderzusetzen. Trotzdem braucht alles seinen Raum. Ich versuche heute mehr als früher, mir selbst Platz zu geben.

prisma: Wie machen Sie das?

Friederike Becht: Mit Ritualen. Einmal am Tag versuche ich mich zu konzentrieren, innezuhalten und mich zu fragen: Was brauchst du gerade? Das hört sich simpel an, aber sich diese Frage zu stellen und in sich hineinzuhorchen ist immerhin ein Anfang, aus dem etwas entstehen kann. Manche Leute machen ganz viel Sport oder sie gehen zum Psychotherapeuten. Ich denke ab und zu, ich sollte mehr schreien. Das habe ich mir sogar mal vorgenommen: Einfach mal schreien. Ungestört alles rauslassen. Das kann sehr befreiend sein.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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