Erst bei ZDFneo, dann im ZDF

"Parfum": eine Serie wie ein Gemälde

von Eric Leimann

Hochkarätig besetzte Neu-Adaption des Patrick Süskind-Stoffes, den Tom Tykwer bereits 2006 auf die Kinoleinwand brachte. Klugerweise macht die bestechend gute TV-Serie alles anders.

ZDFneo
Parfum
Serie • 14.11.2018 • 22:00 Uhr

ZDFneo zeigt sie vorab in drei Doppelfolgen, ab dem 5. Januar 2019 folgt die ZDF-Ausstrahlung.

Die geheimnisvolle, schöne Sängerin "K" (Siri Nase) ist tot. Dem Mordopfer wurden auf bizarre Art und Weise Teile des Körpers entfernt. Ermittlerin Nadja Simon (Friederike Becht) und Staatsanwalt Grünberg (Wotan Wilke Möhring) verdächtigen die alte Schulclique des Opfers: den exzentrischen Parfümeur Moritz de Vries (August Diehl), Arzt Roman Seliger (Ken Duken) und seine Frau Elena (Natalia Belitski), den von Komplexen geplagten "Zahnlos" (Christian Friedel) sowie Zuhälter Butsche (Trystan Pütter).

"Parfum", die sechsteilige Hochglanz-Serie von Bilderzauberer Philipp Kadelbach ("Unsere Mütter, unsere Väter"), vermeidet den Fehler, den bereits 2006 von Tom Tykwer für die große Kinoleinwand erzählten Welt-Bestseller "Das Parfum – Geschichte eines Mörders" zu recyceln. Stattdessen findet die in der Gegenwart angesiedelte, sehr frei aufgegriffene Story der Drehbuch-Newcomerin Eva Kranenburg zu einer eigenen, verführerischen Sprache und Spannung.

Es wäre ein Leichtes, die sechsteilige Serie zu kritisieren. Schon wieder ein Krimi. Dazu einer mit stark stilisierten Ritualmorden und einer jungen Ermittlerin, die noch dazu etwas mit ihrem verheirateten Staatsanwalt hat. Klar, die Motive dieses extradunklen Krimi-Epos sind allesamt bekannt. Dennoch macht sich bereits in den ersten Szenen das Gefühl breit, dass die in jüngster Zeit immer mutiger werdende Serienproduktion des ZDF mit ihrem Star-getränkten Oeuvre einen weiteren Schritt in die Modernität gegangen ist.

Bilder wie ein Gemälde

Jedes Bild von Regisseur Philipp Kadelbach und seinem Kameramann Jakub Bejnarowicz ("Auf kurze Distanz") wirkt wie ein Gemälde. Vielleicht eines des spätmittelalterlichen Apokalyptikers Hieronymus Bosch. Überall scheinen Rätsel eingebaut, in Rückblenden sieht man die jugendlichen Versionen der sechs Duftforscher und Lebenshungrigen, die ein unstillbarer, sich mitunter seltsame Wege suchender Lebenshunger vereint. K war damals umschwärmter Mittelpunkt der Gruppe.

Als dies könnte als Oberflächlichkeit und pseudo-bedeutungsschwangerer Ästhetizismus abgekanzelt werden. Der ein oder andere Kritiker wird mit seiner Rezension genau in diese Kerbe schlagen. Doch dies wäre zu kurz geholzt: Das Format "Parfum", das mit Ausstrahlung der ersten Folge auch komplett in der Mediathek stehen soll, verfügt über weitere Qualitäten. Die Figuren sind klug gebaut, sie unterliegen einer schwer vorhersehbaren Entwicklung und offenbaren anrührende Binnengeschichten abseits des großen Who-dunit-Plots. Dazu kommt die Qualität des Schauspiels: Friederike Becht ("Der gleiche Himmel") gibt eine eine zum Niederknien attraktive, geheimnisreiche Ermittlerin. Kino-Star August Diehl brilliert als wunderlicher Geruchs-Mogul, Ken Duken als doppelbödiger Jedermann, Christian Friedel ("Elser - Er hätte die Welt verändert") und Trystan Pütter ("Ku'damm 59") sorgen für zutiefst schwarzhumorige, tragikomische Momente.

Produzent Oliver Berben ließ seine Story, die von der Psychologin und Drehbuch-Quereinsteigerin Eva Kranenburg zu Papier gebracht wurde, komplett am Handlungsort, der niederrheinischen Provinz drehen. Die flache, durchaus triste, nebelumwobene Landschaft spielt eine weitere Hauptrolle im vielleicht ästhetischsten Krimi, der bislang aus deutschen Landen auf Film gebannt wurde. Doch was hat das Ganze mit dem Roman "Das Parfum" zu tun, der 1985 erschien und sich bislang weltweit etwa 20 Millionen Mal verkaufte?

Nun, das tatverdächtige Figuren-Ensemble ist sozusagen der Ultra-Fanclub des Romans, der vom Wunsch des selbst ungeliebten, geruchslosen Parfümeurs Jean-Baptiste Grenouille erzählt, einen Duft herzustellen, welcher ihn unwiderstehlich macht. Welchem der Charaktere der 2018er-Version man diese Eigenschaft wohl am stärksten zuordnen will? Und ob dieser dann auch der Mörder ist? Jenes Ratespiel ist nur eine der vielen Attraktionen dieses herausragenden, wenn auch ästhetisch herausfordernd "spitz" umgesetzten deutschen Serienstoffes im Herbst 2018.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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