"Yesterday"-Regisseur Danny Boyle

"Ein Drittel des Budgets ging für die Musikrechte drauf"

von Nadine Wenzlick

Warum Ed Sheeran nur zweite Wahl war und welche alternative Titelidee Paul McCartney auf Lager hatte: Im Interview spricht ein gut gelaunter Danny Boyle über seinen neuen Film "Yesterday".

In seinem neuen Film "Yesterday" (ab 11. Juli im Kino) erzählt Regisseur Danny Boyle ("Trainspotting", "Slumdog Millionär") eine Geschichte, die so manchem Beatles-Fan einen gehörigen Schrecken einjagen dürfte: Während eines weltweiten Stromausfalls wird der erfolglose Singer-Songwriter Jack Malik (Himesh Patel) von einem Bus angefahren. Mit zwei ausgeschlagenen Zähnen erwacht er im Krankenhaus – und muss bald darauf feststellen, dass er der einzige Mensch auf der Welt zu sein scheint, der sich an die Beatles erinnert. Mit dem Repertoire der Fab Four im Gepäck nimmt seine Karriere plötzlich Fahrt auf. Im Interview verrät der 62-jährige Brite Boyle, was er selbst mit den Beatles verbindet, warum er ein Sturkopf ist und was Paul McCartney zu seinem Film zu sagen hatte.

prisma: Herr Boyle, was ist Ihre persönliche Verbindung zu den Beatles?

Danny Boyle: Als die Popularität der Beatles in England gerade durch die Decke ging, war ich sieben Jahre alt. Ich habe eine Zwillingsschwester, und wie alle Mädchen damals war sie verliebt in Paul McCartney. Während unsere Eltern unten im Wohnzimmer die Platten hörten, spielten wir oben Beatles. Meine Schwester war Paul, ich spielte John, und unsere kleine Schwester, die damals vier war, musste George oder Ringo sein (lacht). Wobei ich sagen muss: Ich war nie so großer Fan wie Richard (Anm. d. Red.: Richard Curtis, Drehbuchautor). Er ist absoluter Beatles-Nerd und weiß alles über sie. Ich war eher Fan von David Bowie und Led Zeppelin.

prisma: Eine Welt, in der sich niemand an die Beatles erinnert – wie kam es zu dieser Idee?

Boyle: Die Idee stammt von Jack Barth, der zuvor mehrere Sachbücher und eine Episode der "Simpsons" geschrieben hat. Eines Tages bekam Richard einen Anruf eines befreundeten Produzenten, der ihm davon erzählte. Richard meinte nur: "verrate nichts, lass es mich schreiben". Als es fertig war, schickte er mir das Script, und ich liebe es. Ich hätte nicht gedacht, dass wir beide mal zusammenarbeiten würden.

prisma: Auf den ersten Blick scheint es wirklich eine ungewöhnliche Paarung zu sein, aber Sie kannten sich ja schon durch Ihre Zusammenarbeit für die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012.

Boyle: Ja genau. Wir kommen aus sehr unterschiedlichen Richtungen, aber ich habe seine Hingabe für romantische Komödien immer bewundert. Und seine Sitcom "Blackadder" ist absolut großartig, ein Meisterwerk der TV-Geschichte. Es schien mir also eine tolle Möglichkeit, mit ihm zu arbeiten. Zumal ich es liebe, auch mal etwas Neues zu probieren. Und wenn man genau hinguckt, haben wir doch einiges gemeinsam. Wir sind beide besessen von Musik in Filmen. Wir sind gleich alt, "Trainspotting" und "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" kamen ungefähr zur gleichen Zeit in die Kinos, und wir sind beide in England geblieben, statt nach Hollywood zu gehen.

prisma: Auch "Yesterday" ist sehr britisch. Ist es wichtig, dass in Zeiten des Brexit ein Film wie dieser kommt und der zwischenmenschlichen Entfremdung vielleicht ein bisschen gegensteuert?

Boyle: Ich hoffe, er hallt auf diese Weise nach! Denn wir brauchen es. Die Werte, um die es in dem Film geht, sind gute Werte. Und er ist eben nicht nur ein Tribut an die Beatles, sondern auch an unsere Lehrer. Sie sind die Seele einer Nation und geben diese von Generation zu Generation weiter. Deswegen liebe ich die Szene, in der Jack und Ellie den Kindern einen fröhlichen Song beibringen, bei dem sie mitsingen können. Das ist mehr wert als jeder Politiker, der uns übergeht.

prisma: Wenn man sich Ihre Filmografie so anschaut: Sie haben "Alien" abgelehnt, um "A Life Less Ordinary" zu drehen, die Arbeiten am 25. Bond-Film haben Sie aufgrund kreativer Differenzen beendet. Es scheint, als wüssten Sie genau, was Sie wollen. Sind Sie stur?

Boyle: Furchtbar stur! Ich versuche es hinter Charme zu verstecken, aber wenn Sie meine Kinder fragen, die mich ja am besten kennen, würden die Ihnen bestätigen, dass ich sehr stur bin. Als Regisseur muss man das zu einem gewissen Grad auch sein. Wir bringen die Leute dazu, sich unserem Willen zu beugen. Dabei gibt es manchmal natürlich Verluste zu beklagen – aber generell hoffe ich natürlich, dass ich am Ende etwas Gutes zurücklasse, das die Leute zu schätzen wissen.

prisma: Was alle Ihre Filme eint: Es geht immer um jemanden, der in einem Konflikt steht und zu kämpfen hat. Was ist so reizvoll an Außenseitern?

Boyle: Tatsächlich geht es meistens um jemanden, der große Hürden zu überwinden hat. Ich mag diesen Kampf. Das Thema hat vielleicht auch eine persönliche Anziehungskraft. Das habe ich gelernt über den Film: Er ist ein Mysterium. So technisch und durchdacht, und doch passieren Dinge, die man nicht genau versteht.

prisma: Zurück zu "Yesterday". Himesh Patel, der Jack spielt, war vorher eher unbekannt. Wie haben Sie ihn gefunden?

Boyle: Wir hatten uns schon eine Menge Leute angeschaut, die gut schauspielern konnten – vielleicht besser als Himesh, wenn ich ehrlich bin. Aber irgendwie fühlte es sich nach Karaoke an. Dann kam Himesh rein, fing an zu singen, und ich war total baff. Er hat etwas Melancholisches an sich, ich glaube, das ist es. Wir haben ihn einfach die Songs singen lassen, ohne ihn irgendwie zu verstellen.

prisma: Auch Ed Sheeran hat in dem Film einen Gastauftritt. Es heißt, die Rolle hätte erst Chris Martin von Coldplay spielen sollen.

Boyle: Das stimmt, Richard hatte Chris Martin dafür vorgesehen. Chris ist ein wirklich guter Schauspieler. Ich traf ihn in Los Angeles und versuchte ihn zu überreden – aber er war gerade von einer langen Tour zurück und wollte Zeit mit seiner Familie verbringen. Also fiel die Wahl auf Ed Sheeran. Das Lustige ist: Der Film erzählt im Grunde seine Geschichte. Er kommt auch aus Suffolk, hat dort lange erfolglos in Pubs gespielt und wurde dann praktisch über Nacht berühmt. Ed hat einen super Sinn für Humor und zieht uns bis heute damit auf, dass wir eigentlich Chris Martin wollten.

prisma: Was war eigentlich teurer: die Produktion des Films oder die Rechte an den Songs?

Boyle: Ich würde normalerweise nie einen so teuren Film machen, und er sieht auch nicht teuer aus, aber ein Drittel des Budgets ging tatsächlich für die Musikrechte drauf! Was verständlich ist, das sind schließlich einige der außergewöhnlichsten Songs der Musikgeschichte.

prisma: Haben Paul McCartney oder Ringo Starr den Film schon gesehen?

Boyle: Wir schickten ihnen den fertigen Film und bekamen sehr nette Briefe von Ringo und von Olivia, der Witwe von George. Paul McCartney hat ihn noch nicht gesehen, aber er mochte den Trailer. Wir fragten ihn sogar, ob wir "Yesterday" als Titel nutzen dürfen. Nicht, dass ihm das Wort "Yesterday" gehören würde, aber unter Anbetracht der Tatsache, dass das sein bekanntester Song ist, ist es schon nett, ihn zu fragen. Seine Antwort war sehr lustig: Er meinte, vielleicht sollten wir den Film "Scrambled Eggs" (deutsch: "Rühreier", d. Red.) nennen. Der Legende nach wachte er ja eines Morgens auf, hatte die fertige Melodie zu "Yesterday" im Kopf – und sang dazu irgendwas mit "scrambled eggs" ...

prisma: "Yesterday" handelt auch von der Kraft der Musik. Was glauben Sie kann Musik verändern?

Boyle: Das ist eine große Frage, und es ist leicht, prätentiös zu sein, also bin ich es einfach. Ich glaube, Musik ist Teil unseres Seins. Filme sind das nicht. Vielleicht in 1.000 Jahren, wenn wir sie weiter machen. Musik hingegen steckt in unserer DNA. Sie befreit Leute, sie setzt etwas in ihnen frei.

prisma: Sind Sie selbst eigentlich musikalisch?

Boyle: Überhaupt nicht. Ich habe mal versucht, Klavier zu spielen, aber so toll war das nicht. Ich bin sogar mal aus der Schulband geflogen, weil ich so schlecht war. Seitdem bin ich nur noch Konsument.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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