Prequel über Präsident Snow

Der gefühlte Auftakt einer Reihe, der gar kein Auftakt ist – Filmkritik zu „Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds and Snakes“

16.11.2023, 09.11 Uhr
von Gregor-José Moser
Wie gut ist das neue "The Hunger Games"-Prequel?
Wie gut ist das neue "The Hunger Games"-Prequel?  Fotoquelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Lionsgate

Fans der „Die Tribute von Panem“-Reihe erwartet diesen Herbst ein weiterer Film aus dem Franchise. Im Mittelpunkt steht ein junger Coriolanus Snow und die zehnte Ausgabe der Hungerspiele. Wirklich begeistern kann das Prequel leider nicht.

Bei einem Blick auf die Neuerscheinungen im Kino und auf den Streaming-Plattformen können Filmfans eines kaum übersehen: Wir leben im Zeitalter der großen Franchises. Das MCU, Star Wars und Co. spülen Milliarden-Beträge ein. Wegen des finanziellen Erfolgs setzen Studios und Produzenten natürlich auch weiterhin auf diese Strategie und produzieren munter Prequels, Sequels, Reboots und Remakes ihrer großen Marken. Die vierteilige „Die Tribute von Panem“-Reihe hat insgesamt knapp drei Milliarden Dollar an den Kinokassen eingenommen. Jetzt – acht Jahre nach dem großen Finale – erscheint mit „Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds and Snakes“ ein Prequel zur Hauptreihe.

Die frühen Jahre des Coriolanus Snow

Als Grundlage für den Film diente der gleichnamige Roman, den die Autorin Suzanne Collins 2020 veröffentlicht hatte. Die Handlung spielt 64 Jahre bevor Katniss Everdeen an den 74. alljährlichen Hungerspielen teilnimmt. Protagonist des Films ist niemand Geringeres als Coriolanus Snow (Tom Blyth), der später zum Präsidenten von Panem aufsteigt. Absehbar war dieser Werdegang des künftigen Gegenspielers von Katniss jedoch nicht unbedingt. Zwar trägt Coriolanus Snow den Namen einer altehrwürdigen, aber in den Kriegsjahren auch verarmten Familie, deren Einfluss im Kapitol sich in Grenzen hält. Der junge Coriolanus will seine Familie zum alten Glanz zurückführen. Seine Hoffnungen setzt er auf ein Stipendium, um nach seiner erfolgreich abgeschlossenen Laufbahn an der Akademie auch noch studieren zu können. Um das Stipendium zu ergattern, muss er als Mentor dafür sorgen, dass ein ihm zugewiesener Tribut die zehnjährige Ausgabe der Hungerspiele gewinnt. Und so findet Coriolanus sich in einer Schicksalsgemeinschaft mit dem weiblichen Tribut Lucy Gray Baird (Rachel Zegler) aus dem zwölften Distrikt wieder.

Erzählerische Schwächen

Nachdem beim ersten „Die Tribute von Panem“-Film noch Garry Ross Regie geführt hatte, übernahm ab dem zweiten Teil Francis Lawrence das Zepter. Wenig verwunderlich nahm er auch beim Prequel wieder auf dem Regiestuhl Platz. Trotz dieser Kontinuität kann „The Ballad of Songbirds and Snakes“ leider nicht mit der Hauptreihe mithalten. Vor allem erzählerisch zeigt das Prequel große Schwächen. Das liegt nicht zuletzt an der wenig nachvollziehbaren Schwerpunktsetzung. Eingeteilt ist der Film in drei Kapiteln, wobei auf das zweite Kapitel die meiste Zeit verwendet oder besser gesagt verschwendet wird. Dieses erzählt von den 10. Hungerspielen. Dabei begleiten wir entweder Lucy Gray Baird bei ihrem Kampf um Leben und Tod in der Arena oder Coriolanus, der zusammen mit den anderen Mentoren im Fernsehstudio die Show live verfolgt. Verglichen mit der 74. ist die zehnte Ausgabe der Hungerspiele noch sehr rudimentär. Sie findet in einer übersichtlichen Arena statt und nicht in einem natürlich aussenden Areal, das mittels Hightech vom Spielleiter beeinflusst werden kann. Einerseits bietet dadurch die Action weniger Spektakel und Schauwerte als vor allem in den ersten beiden Filmen. Andererseits mangelt es den Spielen dieses Mal auch an der Dramatik.

Kaum emotionale Bindung zu und zwischen den Figuren

Der Grund dafür liegt auch in der zu oberflächlichen Exposition. Im ersten Kapitel lernen wir sowohl Lucy als auch Coriolanus zu wenig kennen, um genauso mitfiebern zu können, wie noch mit Katniss. Lucy wird sogar etwas widersprüchlich gezeichnet, indem sie am Auswahltag für die Hungerspiele trotz ihrer pazifistischen Haltung mit einer Aktion fast bösartig erscheint. Letztendlich fehlt es an einem Sympathieträger, einem emotionalen Anker – und damit auch einer spürbaren Fallhöhe in den Spielen. Erst im dritten Kapitel bekommen wir mehr Hintergründe zu Lucy und ihrem Leben im zwölften Distrikt – leider viel zu spät und viel zu hektisch erzählt. Auch die Beziehung zwischen Lucy und Coriolanus wirkt in Teilen unglaubwürdig. Nicht nur wegen den schwer überbrückbaren Unterschieden bei Herkunft und Charakter, sondern auch wegen des zu hohen Erzähltempos in den wichtigen und interessanten Abschnitten im dritten Kapitel.

Schöner Gesang täuscht nicht über alles hinweg

Zwar soll das Buch sehr ähnlich aufgebaut sein wie der Film, allerdings funktioniert ein Roman erzählerisch schlicht anders als ein Film. In dem Fall hätte es der Verfilmung, die immer auch für sich alleinstehen können sollte, womöglich nicht geschadet, sich mehr von der Vorlage zu lösen. Noch drastischer wirkt sich die mangelnde Exposition bei der Figur von Coriolanus Snow aus. Seine Entwicklung zu dem eiskalten Diktator, der er später wird, ergibt sich aus dem Prequel nur in Ansätzen. Seine Figur bekommt zu wenig Futter und ist am Ende noch immer zu weit von seiner künftigen Position entfernt. Nicht zuletzt deswegen drängt sich der Eindruck auf, dass das Prequel doch eigentlich der Auftakt zu einer ganzen Prequel-Reihe hätte sein müssen. In dieser Form wirkt der Film eher wie eine Episode aus Snows jungen Jahren, zu der noch weitere geplant sind. Für sich alleinstehen, kann „The Ballad of Songbirds and Snakes“ so leider nicht. Daran kann auch der betörende Gesang von Rachel Zegler nichts ändern.

„Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds and Snakes“ erscheint am 16. November 2023 in den deutschen Kinos.

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