Erste deutsche Disney-Serie

"Sam – Ein Sachse": Die faszinierende Lebensgeschichte des ersten schwarzen DDR-Polizisten

24.04.2023, 12.58 Uhr
von Eric Leimann

Die wahre Lebensgeschichte von Sam Meffire wird in dem Siebenteiler "Sam – Ein Sachse" erzählt und ist die erste deutsche Disney Serie überhaupt. Dabei geht es um den ersten schwarzen Volkspolizisten der DDR. Nach der Wende diente Sam (Malick Bauer) als Promi-Cop einer Kampagne gegen rechte Gewalt – und kam später in den Knast.

"Ich fühle mich wie ein Mischling", sagt eine junge schwarze Deutsche auf einem Nachwende-Treff von PoC-Menschen. "Das klingt ja eher wie ein Hund", kommentiert dies eine andere. Und die dritte Frau im Bunde, offenbar schon etwas weiter in ihren Gedanken, ordnet ein: "Deshalb ist es ja so wichtig, dass wir eine Selbstbezeichnung finden – und wegkommen von dem, wie uns andere nennen. Wir können hier nur was verändern, wenn wir ein Teil von diesem Land sind – deshalb afrodeutsch." – "Afrodeutsch", das ist auch der Titel dieser dritten von sieben Folgen der Disney-Serie "Sam – Ein Sachse", die komplett ab Mittwoch, 26. April, beim Streamingdienst verfügbar ist.

In Interview mit prisma sprach Hauptdarsteller Malick Bauer über den intensiven Dreh und den Namensgeber der Produktion. Das ganze Gespräch finden Sie hier

Darum geht es in "Sam - Ein Sachse"

Erzählt wird die unglaubliche, aber wahre Lebensgeschichte von Sam Meffire, dessen Vater aus Kamerun in die DDR zum Studieren kam – und dort unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Meffire ist heute 52 Jahre alt und stand den Serienmachern Jörg Winger ("Deutschland 83/86/89"), Tyron Ricketts ("Herren") und Christoph Silber als Berater zur Verfügung.

Meffires Leben klingt so, als hätte es sich ein überdrehter Hollywood-Produzent mit eher krudem Blick auf Deutschland ausgedacht: Während er, gespielt von Malick Bauer, mit Freundin Antje (Luise von Finckh), die im Widerstand gegen das DDR-Regine aktiv ist, gerade Vater eines kleinen Sohnes geworden ist, lässt er sich vom väterlichen Mentor Major Schreier (Thorsten Merten) dazu motivieren, sich bei einer Eliteeinheit der Volkspolizei zu bewerben.

Meffires Ziel ist, sein "Vaterland" zu schützen. Diese Idee und sein aufbrausendes Wesen, das mit vielen rassistischen Erfahrungen in Sams Leben, einer schwierigen Mutter und einem eventuell umgebrachten Vater zu tun hat, stürzt die Beziehung von Sam und Antje in eine schwere Krise. Als die DDR Geschichte ist, lernt Sam den etwas älteren Alex (Tyron Ricketts) kennen, der mit einer Gruppe afrodeutscher Kumpels "die Tür" in einer sächsischen Postwende-Großraumdisko betreut.

Sam wird zum Gesicht gegen Rassismus

Sam wird Teil der Gruppe, lernt andere afrodeutsche junge Menschen wie die Anwältin Jenny (Ivy Quainoo), aber auch ihre weiße Freundin Yvonne (Svenja Jung) kennen, zu der er sich hingezogen fühlt. Schließlich kehrt Meffire in den Polizeidienst Sachsens zurück und wird als Gesicht einer Kampagne gegen Fremdenfeindlichkeit in seiner Heimat berühmt. Trotzdem quittiert er 1994 den Dienst als Beamter einer Spezialeinheit gegen rechte Gewalt – und rutscht selbst in die Kriminalität ab. Wegen Raubüberfalls und schwerer Körperverletzung sitzt Meffire knapp sieben Jahre in Haft.

Seit seiner Haftentlassung – eine Zeit, die in der Serie (Regie: Soleen Yusef, Sarah Blaßkiewitz) nicht mehr abgebildet wird, hat der Mann seinen Frieden gefunden: als Schriftsteller, Gefahrentrainer und Pädagoge für Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen.

Verblüffende Ähnlichkeit zwischen Bauer und Meffire

Malick Bauer, 1991 in Bremen geboren, dürfte als Schauspieler vor dieser Serienhauptrolle den Wenigsten ein Begriff gewesen sein. Doch der Newcomer, ein Berg von einem Mann und seinem Rollenvorbild Sam Meffire äußerlich verblüffend ähnlich, füllt die knapp siebenstündige Serie mit viel Wucht, Wut und Schmerz aus. Dass er in der Rolle "funktioniert", war Grundvoraussetzung für das Gelingen der Serie – und das hat geklappt. Zuschauer – ob nun selbst mit PoC-Hintergrund oder nicht – erleben durch die Augen Sams eine Wende- und Postwende-Geschichte aus dem Blickwinkel eines schwarzen Deutschen, die man so noch nicht gesehen hat. Es ist eine emotionale Erzählung über offenen und versteckten Rassismus, Ausgestoßensein und der schwierigen Suche nach Identität und Orientierung.

Die Zeit für "Sam - Ein Sachse" ist nun da

Die Showrunner Jörg Winger und Tyron Ricketts – früher Moderator des HipHop-Magazins "Word Cup" beim Musiksender Viva – kennen sich aus jener Zeit, als Ricketts, 49, bei der von Winger produzieren Serie "Soko Leipzig" (2006 bis 2009) als einer der ersten schwarzen TV-Kommissare hierzulande eingesetzt wurde. Schon damals wollten die beiden Sam Meffires Geschichte erzählen, doch die Produzentenlandschaft war sich einig: Die Zeit ist noch nicht reif für den Stoff. Man fürchtete, das deutsche Publikum würde eine schwarze Hauptfigur nicht akzeptieren. Nun, etwa 15 Jahre später, wurde "Sam – Ein Sachse" die erste deutschsprachige Disney-Serie überhaupt. Wer sie sieht, ob in Deutschland oder an anderen Orten dieser Welt, wo "Sam – A Saxon" gestreamt wird, versteht, welchen Weg dieses Land seit 1989 – auch – gegangen ist.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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