Chancen und Risiken der Entwicklung

Diskussion über KI bei Maybrit Illner: "Das wird eine völlig neue Emotion werden"

15.04.2023, 11.32 Uhr

Über die Sorge und die neuen Chancen, die durch die Künstliche Intelligenz entstehen, wird derzeit viel diskutiert. Am Donnerstag sprach Maybrit Illner mit ihren Gästen über diese heikle Entwicklung. Was wird auf die Menschheit zukommen?

Angela Merkel und Barack Obama eng umschlungen am Strand, der Papst in einem überdimensionalen Daunenmantel oder Donald Trump, der von schwer bewaffneten Polizisten abgeführt wird: Bilder wie diese geistern schon seit einer Weile durch das Internet. Es handelt sich dabei nicht etwa um Paparazzi-Aufnahmen, sondern um das Ergebnis Künstlicher Intelligenz (KI). Ist dies eine Gefahr für die Menschheit? Darüber sprach Maybrit Illner am Donnerstag im ZDF.

Die Rahmendaten verheißen nichts Gutes: 73 Prozent des KI-Marktes, heißt es im ersten Einspieler der Sendung, beherrschen die USA, danach folgen China mit 15 Prozent und dann der Rest der Welt mit läppischen zwölf Prozent. Müssen wir uns sorgen? Ranga Yogeshwar zählt zu den Kritikern der rasanten Entwicklung. Bei Illner erklärt er warum: "Es ist ein Dammbruch passiert." Seit den Anfängen im Jahr 2017 sei viel passiert. Im letzten Jahr folgte dann ein "qualitativer Sprung", weil die KI sowohl Bild- als auch Texterstellung gleichzeitig beherrscht und "sich immer selber optimiert". Der Wissenschaftsjournalist fragt weiter: "Was wird emotional passieren, wenn eines Tages Menschen da sind, die mit diesen Avataren, die so menschenähnlich sind, reden? Diese Avatare verstehen dank KI auch, wie ich mich fühle. Das wird eine völlig neue Emotion werden, und wir haben überhaupt noch keine Antwort darauf, wo das hinführt."

Saskia Esken fordert Rahmenbedingungen

Die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel stimmt dem 63-Jährigen zu: "Als im vergangenen Jahr ChatGPT auf den Markt gekommen ist, war das der iPhone-Moment der künstlichen Intelligenz." Plötzlich habe jeder von zu Hause aus Gespräche mit der KI führen oder sie Texte schreiben lassen können: "Das ist natürlich eine Veränderung in unserer kulturellen Evolution, bei der wir gerade mitten in einem Selbstexperiment sind und wir wissen nicht, was dabei rauskommen wird." Am Ende, so vermutet sie, werde dieses Experiment auch unsere Selbstverhaltensweise verändern.

Ohne Frage hat die momentane Entwicklung der Künstlichen Intelligenz Vorteile. Das weiß auch Anke Domscheit-Berg: "Viele Barrieren sind weggefallen." Niemand müsse mehr programmieren lernen: "Man kann ganz normal mit einer Künstlichen Intelligenz reden – und die reagiert darauf." Das sei nicht zuletzt für diejenigen Menschen interessant, "die sich nicht so hochgestochen ausdrücken können oder die eine Lese-Rechtschreib-Schwäche haben". Die digitalpolitische Sprecherin der Linken sieht aber auch Gefahren: "Im Moment lassen wir ein Waffenarsenal vor einem offenen Scheunentor stehen, jeder kann hingehen und es benutzen, und wir hoffen, dass niemand etwas Böses tut."

Die SPD-Parteivorsitzende und gelernte Informatikerin Saskia Esken setzt deshalb auf eine zuverlässige Regulierung: "Die Aufgabe der Politik ist, die Richtung vorzugeben, Ziele klarzulegen und Rahmenbedingungen zu schaffen, aber wir müssen auch die Grenzen aufzeigen." Europa sei an dieser Stelle schon "wesentlich weiter als die USA".

"Eine ziemlich gefährliche Technologie" 

Und dann ist da noch Elon Musk, "ein Internet-Guru", wie Illner sagt: Er hatte um eine Pause in der Entwicklung von KI gebeten, weil er es für "eine ziemlich gefährliche Technologie" hält. Bitkom-Chef Achim Berg kann über das Zitat nur müde lächeln: "Ich habe das dumpfe Gefühl, dass Musk nicht ganz uneigennützig gehandelt hat. Es ist ein PR-Gag, nicht mehr und nicht weniger." Musk sei aus der Beteiligung an OpenAI, der Firma hinter "ChatGPT" ausgestiegen, als Microsoft eingestiegen ist. Außerdem gebe es "schon genügend Regularien". In der Grundsache habe der Twitter- und Tesla-Chef allerdings Recht: "Es gibt mit Sicherheit Bereiche, wo wir nicht hin möchten." Einfache Dinge, wie das Aufsetzen eines Briefes, zählten allerdings nicht dazu.

Yogeshwar ist vorsichtiger: "Wir verstehen diese Systeme nicht", sagt er: "Es ist eine Blackbox, die Eigenschaften hat, die selbst die Wissenschaftler überrascht." An dieser Stelle einen Moment innezuhalten, finde er angesichts der "irrsinnigen Konsequenzen" wünschenswert. Die Modelle würden immer größer "und man versteht nicht so richtig, was sie machen, man versteht auch nicht, wie sie intern denken." Esken und Meckel protestieren: "Die Systeme denken nicht! Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir nicht anfangen, da menschliche Eigenschaften reinzuinterpretieren!" Vor ein paar Jahren, lenkt Yogeshwar ein, hätte er ihnen recht gegeben: "Inzwischen sag ich ganz ehrlich: Wenn man sich tiefer damit befasst, kommen Fragen auf, ob das so wirklich stimmt, ob wir hier nicht Systeme haben, die eine andere Form des Denkens haben."

Wenn keiner mehr die Wahrheit kennt

Meckel sieht das anders: Für sie ist eine KI wie ChatGPT "nur ein unfassbares kraftvolles Vorhersage-Tool", ein "Wahrscheinlichkeits-Ausrechnungs-Modell" mit der Aufgabe: Welches nächste Wort passt am besten in einen Text, wenn er wie ein menschlicher klingen soll? Lediglich die Ergebnisse wirkten auf uns wie Denken. Bezugnehmend auf Yogeshwar betont sie: "Ich würde trotzdem ganz, ganz vorsichtig mit dieser Aussage sein, weil ich glaube, wir geraten da auf einen gefährlichen Pfad, den wir selber legen."

Domscheit-Berg sieht die größte Gefahr ohnehin in der Kombination aus künstlich erzeugten Bildern, Audios und Texten: Diese ermöglicht es den Menschen "perfekt zu lügen und die Lügen mit sogenannten Beweisen zu hinterlegen", sagt sie. Sie spricht von "Informationsverschmutzung" und fordert: "Wir müssen Programme wie ChatGPT allen Wissenschaftlern nachvollziehbar machen. Denn dank ChatGPT und anderen Programmen könne "heute wirklich jeder Depp im Keller" massenhaft Inhalte erstellen: "Und wir können am Ende nicht mehr unterscheiden: Was ist eigentlich wahr und was ist nicht wahr?"


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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