TV-Kritik

"Tatort: Blut" – bissiges Bremer Drama

26.10.2018, 14.02 Uhr
von Florian Blaschke
Verstört: Anna (Lilly Menke) ist sicher, einen Vampir gesehen zu haben.
Verstört: Anna (Lilly Menke) ist sicher, einen Vampir gesehen zu haben.  Fotoquelle: Christine Schröder / Radio Bremen

Der Bremer Tatort muss sich einiges einfallen lassen, um noch überraschen zu können – und wenn Vampire dafür herhalten müssen.

Spätestens seit "Scream - Schrei des Todes" oder "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" wissen Kinofans, wie in jedem guten Horrorfilm das Grauen seinen Anfang nimmt. Die Gesetze dafür sind festgeschrieben und sie lassen nicht viele Varianten zu. Wenn Menschen in Häusern die Treppe hinauf vor dem Bösen fliehen, wenn sie merkwürdigen Geräuschen nachgehen oder nachschauen, warum eine vor kurzem noch geschlossene Tür plötzlich offensteht, dann haben sie nicht mehr lange zu leben. So einfach, so blutig.

So auch bei Anna (Lilly Menke), Julia (Lena Kalisch) und Katrin (Helen Barke). Denn während die drei einen nur wenig packenden Horrorfilm schauen, stellt Katrin plötzlich fest, dass die Terassentür, die vor kurzem offenbar noch zu war … Sie ahnen es. Und auch der Zuschauer spürt: Das soll nicht so sein. Und so ist ihre Freundin Julia konsequenterweise kurze Zeit später tot. Überfallen und ausgesaugt. Und Anna, die Zeugin des Mordes war, ist verschwunden.

Nun muss der Bremer Tatort mit seinem Hang zu obskuren Fällen schon einiges auffahren, um noch überraschen zu können, und so ist die Täterin offenbar eine junge Frau namens Nora (Lilith Stangenberg), die Anna, Julia und Katrin nur "die Irre" nennen und die sich für einen Vampir zu halten scheint. Sie soll Julia ähnlich einer Stalkerin nachgestellt haben. Und dann steht die ganze Geschichte nicht nur zügig in der Zeitung, sondern plötzlich auch noch ein Mann vor Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen), der sich als Professor Syberberg (Stephan Bissmeier), Germanist an der Uni Bremen, vorstellt und auf die Frage, wie die Ermittler ihm denn helfen könnten, nur sagt: "Ich glaube, ich kann Ihnen helfen, ihn zu finden." Und mit "ihn" meint er: den Vampir. Denn diese Blutsauger, die gebe es wirklich.

In der Folge entwickelt sich ein Tatort mit allerlei Anleihen, an Filme wie Ole Bornedals "Nightwatch - Nachtwache" oder James Wongs "Final Destination" – Klassiker, die mit unseren Ängsten und Bildern im Kopf spielen. Genretypisch reiht dieser Krimi Schockermomente aneinander und lässt beim Zuschauer gekonnt Suspense entstehen – diese Angespanntheit zwischen Hoffen, Bangen und entsetztem Erwarten. Da haben Regisseur Philip Koch, sein Drehbuchpartner Holger Joos und Kameramann Jonas Schmager ihre Hausaufgaben gemacht. Doch diese Anleihen vermischt "Blut" mit so etwas wie einem Sozialdrama, einer Außenseitergeschichte, die zwar nahtlos an den Horror anknüpft, der sich da in einem Bremer Park mitten in der Nacht abgespielt hat, aber auch einen tristen Kontrast dazu bildet.

Insbesondere, was das Schauspiel von Lilith Stangenberg angeht, aber auch in Sachen Maske und Effekte ist dieser Tatort dabei durchaus beeindruckend. Und auch Oliver Mommsen bekommt mehr als nur einmal Gelegenheit, seine Rolle als Stedefreund nicht nur zu erweitern, sondern auszureizen. Dazu kommen ein paar subtilere Einfälle des Drehbuchs, mit denen Koch und Joos die vielen eher auf Effekt angelegten Szenen konterkarieren und hin und wieder auch die Erwartungshaltung der Zuschauer gekonnt brechen. Und dann ist da noch die offene Tür, die nicht nur in der Anfangssequenz, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eine Rolle spielen wird.

Bloß in einem droht sich dieser Krimi dann doch zu verrennen, denn natürlich stellt sich der Zuschauer die Frage, wie sich ein solches Spektakel denn wohl auflösen lässt, mit welcher Pointe, welchem Finale. Und so komplex die Aufgabe ist, ein solches Geschichtenknäuel zu entwirren, so wenige Möglichkeiten bieten sich: mit Hilfe von viel Text oder viel Fantasie. Und leider entscheidet sich das Buch für viel Text. Zu viel.

So ganz bekommt "Blut" ab da nicht mehr die Kurve, auch wenn Philip Koch sich am Ende noch an so etwas wie einem Cliffhanger versucht. In Erinnerung bleiben dürfte dieser Tatort vielen Zuschauern aber dennoch. Als große Bühne für Lilith Stangenberg – und als unkonventionelle Variante eines an sich urdeutschen Formats. Zumindest für die Nacht nach dem Sendetermin. Die könnte unruhig werden.

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