Tatort-Schauspieler im Interview

Dar Salim: "Für meinen Geschmack könnte alles viel schneller gehen"

12.12.2021, 17.43 Uhr
von Marcus Italiani
Voller Einsatz: Mads Andersen (Dar Salim)
Voller Einsatz: Mads Andersen (Dar Salim)  Fotoquelle: Radio Bremen/Michael Ihle

Ein beliebter Arzt wird tot am Kai aufgefunden. Das Bremer Ermittler-Trio Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer), Mads Andersen (Dar Salim) und Linda Selb (Luise Wolfram) fischt buchstäblich im Trüben, bis das Drama, das zur Tat geführt hat, langsam Konturen annimmt. prisma sprach mit Andersen-Darsteller Dar Salim über seine Beteiligung an der Entwicklung der Figur des dänischen Ermittlers.

Dar Salim, Sie scheinen ein ziemlich rastloser Mensch zu sein, wenn man auf Ihre Biografie schaut. Sie waren Koch, Soldat, Pilot, schließlich Schauspieler… . Was treibt Sie an?

Zunächst einmal muss ich sagen, dass es ursprünglich gar nicht mein Traum war, Schauspieler zu werden. In meiner Gegend lebten nicht viele kreative Leute. Ich hatte eine romantische Vorstellung davon, wie es wäre, Pilot zu sein. Das war eigentlich mein Ziel: Fliegen! Aber die Ausbildung kostete Geld, und der Weg dahin war eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Ich hatte vier bis fünf Jobs gleichzeitig, unter anderem Bartender, Security, Nachhilfelehrer, Fitnesstrainer und Aushilfe am Flughafen. Irgendwann ist auch die Schauspielerei dazugekommen und meine Leidenschaft dafür entdeckt, da war ich bereits Pilot. Ich habe mich weitergebildet, Theater gespielt. 2010 habe ich mit der Fliegerei zugunsten der Schauspielerei Schluss gemacht.

Was fasziniert Sie so sehr an der Schauspielerei, dass Sie einen sicheren Job bei einer guten Airline dafür aufgegeben haben?

Theater, Schauspiel, das ist etwas, das man sein ganzes Leben lang lernt. Man muss sich in immer wieder neue emotionale, kulturelle, soziale oder historische Situationen hineindenken. Es bleibt ewig spannend. Jedes Mal beginnst du wieder von Neuem. Deshalb ist es der einzige Job der mich wirklich erfüllt.

Für das Handwerk des Schauspielers war es sicherlich nützlich, bereits in jungen Jahren so viele verschiedene Dinger erlebt und Tätigkeiten ausgeübt zu haben.

Auf jeden Fall. Klar sollte man Talent haben. Und Technik ist Technik. Vieles kann man in der Regel sicherlich lernen. Aber irgendwann stellt man fest, dass das Spielen einer Rolle auf eigenen Erfahrungen, Verständnis für die Figur und Phantasie basiert. Glaubwürdigkeit kommt von innen. Und da hat mir meine Biografie in der Tat geholfen. Ich habe in acht verschiedenen Ländern gelebt. Heute treffe ich mich mit Freunden aus den untersten Gesellschaftsschichten, morgen bin ich beim dänischen König eingeladen. Ungefähr so weit ist die Bandbreite.

Seit diesem Jahr sind Sie vom bösen Gauner zum guten Ermittler Mads Andersen geworden. Was ist das Besondere an der Figur?

Ich durfte die Figur ja mit gestalten. Und ich fand es super spannend, jemanden zu entwickeln, der wie ich selbst diese einem Chamäleon gleichenden Eigenschaften besitzt. Im ersten Film hielt man Andersen für einen Drogendealer, im zweiten gibt er vor, ein einfacher Bootsmann zu sein.

Im Bremer Tatort werden viele Klischees abgedeckt: Hafenarbeiter, Schiffe, die typisch-elitären Reichen. Wie viel Überraschungsmomente bietet dieser Tatort. Wann kommt man dem Täter auf die Spur.

Generell weiß ja jeder, wie Krimis laufen. Der Unterschied liegt in der Qualität. Auch "True Detective" ist ein Krimi. Ob du damit Erfolg hast, hängt von der Zeit ab, um die Geschichte, die Figuren zu entwickeln. Manche Regisseure brauchen fünf Jahre, um einen Film zu machen. Beim Tatort ist das etwas schwieriger, da viele Folgen des Formats produziert werden. Manchmal ist er dann glaubwürdig, und manchmal erfüllt er Stereotype. Viele der angesprochenen Klischees haben damit zu tun, dass nicht die Hauptfiguren, sondern die Handlungsorte die Stars der Folgen sind. Man muss umgehend erkennen, in welcher Stadt der Tatort spielt. Denkt man 35 Jahre zurück, dann war es zwar schön, wenn Thanner und Schimanski vor der Ruhrpott-Kulisse in Duisburg ermittelt haben, aber die Stars waren eben Eberhard Feik und Götz George. Mit Mads Andersen könnte sich das ändern, da jetzt wieder jemand daherkommt, der redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, sich nicht zu schade ist, sich auch mal die Finger schmutzig zu machen – und damit auch das Publikum wieder für seine Figur einfängt. Für meinen Geschmack könnte tatsächlich alles viel schneller gehen. Nicht nur die Action-Szenen. Schneller denken, schneller reden, schneller agieren, weniger erklären, mehr zeigen – das sollte im 21. Jahrhundert Standard sein. Aber klar – der Tatort ist eben auch eine Institution, und viele Leute denken, es gibt Regeln, die man befolgen muss, wenn man für diese Institution arbeitet. Ich denke nicht, dass das der Fall sein sollte.

Was ist das Besondere am Bremer Ermittler-Trio Andersen, Selb, Moormann?

Die Verschiedenheit der drei. Diese Dynamik ist interessant und hat Potenzial, wenn man die richtigen Bücher hat und mit dem richtigen Regisseur zusammenarbeitet.

Gutes Stichwort. Sie haben für "Und immer gewinnt die Nacht" mit Oliver Hirschbiegel zusammengearbeitet. Ist er eher der strikte oder zugängliche Typ Regisseur?

Er ist ein erfahrener Regisseur und weiß daher, dass ein Dreh eine Zusammenarbeit sein muss. Ein lustiges Detail ist sein Umgang mit Timing. Er hatte eine Vorstellung davon, wie lang eine Szene sein sollte, noch bevor wir sie gedreht haben und sitzt dementsprechend mit einer Stoppuhr da. Das war, sagen wir mal, eine witzige Herausforderung. Wir hatten viel Spaß und ein gutes Verhältnis zueinander. Ich denke, er hat das Beste aus der Zeit und dem Material gemacht, das er an der Hand hatte.

Wie entwickeln sich die Charaktere im Bremer Tatort?

Das ist leider noch nicht klar. Beim aktuellen Tatort-Dreh bin ich aus zeitlichen und inhaltlichen Gründen nicht dabei. Wir sind für weitere Filme im Gespräch und ich werde mich entscheiden, ob und wann es Sinn macht, weiterhin dabei zu sein.

  • "Tatort: Und immer gewinnt die Nacht", Sonntag, 12. Dezember, 20.15 Uhr, ARD

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